Einige werden es schon bemerkt haben: Hier fehlte seit zweieinhalb Monaten etwas Essentielles: Der Berlin-Konzertbericht. Ausgerechnet Berlin… das kann doch nicht sein! Dies soll nun hiermit behoben werden; zumal ich auch endlich mal wieder die nötige Zeit habe mich für ein-zwei Stündchen in Ruhe an den Rechner zu setzen. (Anm.: es benötigte noch 2 weitere Tage mit genug Freiraum um das hier endlich fertig zu bekommen. )
Pearl Jam und Berlin, das ist seit geraumer Zeit eine ganz besondere Sache. Die Band scheint irgendwie ein Faible für diese Stadt zu haben. Addiert man dann noch die Wuhlheide als Location, dann garantieren diese Abende seit geraumer Zeit etwas ganz Besonderes zu werden. Nach dem Doppelschlag in der O2-World 2012 kehrten die Jungs nach 4 Jahren Abstinenz (oh ja, so lange ist das mittlerweile schon her und ich war selber überrascht festzustellen, daß ich auch 3 Jahre lang nicht in der Wuhlheide weilte) wieder in die meiner Meinung nach schönste Freiluftlocation der Hauptstadt – vielleicht sogar des ganzen Landes – zurück. Kein Roll-Over (leider), sondern eine Show, an einem Abend – und das war es. Mehr ließ der Tourplan nicht zu. So war dann das Konzert an sich auch in Windeseile ausverkauft, wobei ich mir das ganz relaxt anschauen konnte, da ich die Karten für die Kleine Schwester und mich frühzeitig über den Fanclub geschossen hatte. Wie bisher eigentlich immer, wenn sie in der Wuhlheide spielten, stellte dieses Konzert auch meinen persönlichen Tourabschluß dar. Es hat einfach einen gewissen Charme, wenn man – nachdem man durch ein paar andere europäische Länder getourt ist – wieder in die alte Heimat zurück kehrt und sich dann dort, insbesondere eben in der Wuhlheide, nochmals an einem grandiosen Konzertabend von der Band verabschiedet. Kurzum: Nach dieser legendären 10. Show in Mailand und dem Abend mit der Killersetlist in Trieste, da war ich um so gespannter auf das Konzert in der Hauptstadt. Ich erwartete eigentlich nicht viel um ehrlich zu sein, Erwartungen wurden auf den ersten beiden Konzerten schon mehr als genug übertroffen. Ich ließ es einfach auf mich zu kommen. Da man aus Erfahrung weiß, daß diese Abende immer etwas ganz Besonderes sind, fällt einem das auch nicht wirklich schwer.
Wir reisten am Nachmittag zur Wuhlheide an. Da im Gegensatz zu den Italien-Shows, wo der Beginn auf 20:30 bzw. 21 Uhr angesetzt war, in der Wuhlheide schon 19 Uhr angepfiffen werden sollte (was sich dann 2 Tage vor der Show zwar auf 20 Uhr änderte, was aber scheinbar nicht alle mit bekamen), öffneten die Tore entsprechend früh. Wenn man – wie wir – noch ein wenig dieser unverwechselbaren Wuhlheide-Atmosphäre schnuppern wollte, sollte man einfach entsprechend früh anreisen. Wir hatten unser Hotel strategisch clever gewählt ohne es zu wissen. Da wir in die Gegenrichtung mußten, umgingen wir den Schienenersatzverkehr. Wir gingen wieder von der S-Bahn die gewohnten Meter den breiten Parkweg entlang zur Venue. Dabei trieben wir im lockeren Strom der Konzertgänger mit – vorbei an Bierständen und improvisierten Würstchenbuden. Bereits hier war es offensichtlich, daß das relaxte Wuhlheide-Feeling bei den meisten schon eingesetzt hatte. Flink ging es zum Ten-Club-Eingang und ich holte unsere Karten vom entsprechenden Stand ab. Und nun? Bierchen! Ein vergleichsweise schnäppchenhaftes Berliner Kindl in der Hand ließen wir uns auf dem Drachen vor der Venue nieder und chillten erst einmal ein wenig in der Sommersonne (angesichts des Regens an den Tagen vor und nach dem Konzert war das, nunja, ein kleines Wunder). Um uns herum latschten Leute in Bandshirts mit Bierbechern und Bratwürsten in der Hand in aller Ruhe über das Areal und es machte sich die typische, friedliche Stimmung breit, wie man sie in der Wuhlheide auch vor Einlaß schon verspüren kann. Wir saßen da, tranken unser Bierchen und prötzlich stand vor uns ein alter Bekannter. Matthias – großartig! Ich muß mal kurz erläutern: 2006 hatten wir uns zum Grillen bei mir vorm Wohnheim einfach mal getroffen und waren anschließend ein wenig durch die Bars in Chemnitz geschlendert. Begleitet von jeder Menge PJ-Fachsimpelei. Dann hatten wir uns im selben Jahr in der Wuhlheide vorm Konzert der Jungs – meinem ersten damals – direkt vor der Bühne im FOS wieder getroffen und das Konzert ein halbes Dutzend Meter vor der Bühne zusammen erlebt. Seither treffen wir uns eigentlich bei allen PJ-Shows in der Hauptstadt und auch hin und wieder bei anderen Konzis, etwas bei Emiliana Torrini in Jena. Das Lustige ist, daß das oft zufällig geschieht. So auch dieses Jahr. Zwar hatte er mich über das Forum angeschrieben und ich geantwortet und ihm meine neue Handynummer geschickt – jedoch kam diese Nachricht aus unerfindlichen Gründen nicht bei ihm an. Nu war er da und wir zischten erst einmal ein Bierchen zusammen bevor wir uns in die Schlange am Fan-Club-Einlaß einreihten. Da er direkt angereist war und auch seinen Rucksack dabei hatte, bot er mir an, mein noch zu erstehendes Poster in selbigem auf zu bewahren. So mußte ich mich nach dem Konzert nicht wieder (wie in Mailand) in den Kampf um eines der begehrten Stücke stürzen.
Drin angekommen, plünderten wir nun auch erst einmal den Merch-Stand und ich erstand neben dem exklusiven Event-Shirt und dem Poster auch die Komplettierung meines Tour-Hutes:
Wir strebten dann umgehend vor die Bühne. Da es leider wieder keinen abgetrennten FOS gab, galt es, sich schnell sein Plätzchen vor der Bühne zu sichern. Das taten wir dann auch, schön weit vorne auf Stonies Seite. Matthias verschwand dann mal für ein Stündchen und tourte durch die Venue während die Kleine Schwester und ich die Stellung hielten, das Spiel gegen die USA im Ticker verfolgten und ein wenig mit einem Engländer klönten, der offensichtlich hin und weg war von der Wuhlheide als Location. Auch amüsierten wir uns über zwei Hipster, die sich bitter beschwerten, daß man offensichtlich schon diese “Typen mit den Bändchen” vor ihnen rein gelassen hatte, obwohl sie doch die ersten am Eingang waren – was das wohl solle. “We were here before they were cool”! Als ich dann zum finalen Bierholen aufbrach, da sah es schon sehr gut gefüllt aus von oben, das weite Rund. Ich mußte mich folglich ziemlich durchkämpfen, bis ich die Getränke wieder abliefern konnte, welche ich mitgebracht hatte. Da es derart eng war, war das “Platz besetzen” für N. und Begleiter auch aussichtslos, also verabredeten wir uns noch alle auf ein Abschlußbierchen nach dem Konzert. Ich bin ja nicht zimperlich bei Konzerten, aber als man schon ein wenig eingequetscht da stand vor der Bühne, da zeigte sich, daß ein FOS wie in Mailand einfach die deutlich bessere Lösung ist. Er hält einem auch die Vollpfosten vom Leib, die 5 Minuten vor der Angst eintreffen und dann von ganz hinten mit vollem Elan und ohne Rücksicht auf Verluste nach vorn rammeln. Aber egal, vielleicht gibts den FOS ja wieder bei der nächsten Show; wäre für alle ganz vorne auf jeden Fall angenehmer und vor allem sicherer. Nun aber genug gejammert; es war schließlich angerichtet, fehlte nur noch Pearl Jam. Wie viel es ihnen bedeutete, die Wuhlheide in ihrer sonst von erheblich größeren Locations geprägten Tour mit aufzunehmen, zeigte, daß sie auf das Meiste ihres Equipments verzichteten, nur um dieses Konzert zu spielen. Die Videowände waren ebenso nicht da, wie das Lichtdingsbums, welches in Italien etc. noch über der Band schwebte. Es war einfach zu wenig Zeit um den Kram von Wien nach Berlin zu kutschen und dann auch noch aufzubauen. Aber das war kein Problem (von der Möglichkeit, das letzte Vorrundenspiel des kommenden Weltmeisters mit zu erleben beim Warten mal abgesehen). Pearl Jam sind eine Liveband, die keinen großen Effektklimmbimm braucht – 2014 hatten sie für ihre Verhältnisse ja schon erstaunlich viel davon aufgefahren. Wir warteten noch ein Weilchen und fachsimpelten im immer enger werdenden Innenraum der Wuhlheide über den Opener. Nach Mailand lag ich mit meinem Tipp das zweite Mal bei dieser Tour – und das zweite Mal überhaupt – richtig wie sich zeigen sollte. Kurz vor Beginn schossen wir noch unser traditionelles Wuhlheide-Foto, diesmal in Selfie-Form.
Seit 2006 existiert von jedem Wuhlheide Konzert der Jungs ein solches von uns dreien.
Als die Vorspannmusik dann verklungen war, war es endlich so weit: Das dritte Konzert meiner Tour sollte beginnen – das finale Heimspiel!!!
Und wie es begann! Gewohnt schnörkellos kam die Band auf die Bühne gelatscht und dann gleich umgehend zur Sache. Nachdem man kurz noch den Anblick der prall gefüllten Wuhlheide in der Abendsonne genossen hatte, die sich im Vorfeld übrigens wieder mit LaOlas in Stimmung gebracht hatte, ließ man zur Begrüßung auch schon das großartige “Pendulum” erklingen. Ein toller Song! Und das Publikum sprang auch sofort darauf an. Nachdem ich “mein” Release ja schon bei meiner zehnten Show in Mailand bekommen hatte, war dieser Opener einfach nur perfekt um das Dutzend voll zu machen! Alleine Mikey mit seinem Bogen auf der Gitarre herum streichen zu sehen, während der Song sich langsam und kontinuierlich aufbaute… Wahnsinn! Als dann auch gleich noch “Low Light” hinterher geschoben wurde, wars dann vorbei! Nach Trieste bekam ich den Song, den ich mir auch vor der Tour gewünscht hatte gleich noch ein zweites Mal serviert. Diesmal aus nächster Nähe in einer – im Vergleich zu Triest – viel druckvolleren Version. Die Jungs versprühten vom ersten Ton dieses Abends an eine unglaubliche Spielfreude! Und die Konzerteinstiege, die waren auf dieser Tour einfach mal ne Wucht! Nicht nur an den Abenden, an denen ich selbst zugegen war, auch bei den Abenden, von denen ich nur die Setlist kenne, waren die ersten 3-4 Songs immer ein ganz besonderes Schmankerl! Und da ich 3-4 Songs sage, sollte schon klar sein, daß es so weiter ging. Zunächst gönnte man uns mit “Nothingman” die nächste Songperle. Und als Nothingman, das sich mit seinem Flow perfekt in die bisherigen Sogns einfügte, verklungen war, da wurde es dann so richtig grandios! Hatte man an den Abenden in Italien eher auf vier klassische Low-Tempo-Nummern zum Beginn gesetzt, wählte man mit dem göttlichen “In my Tree” in Berlin einen Mittelweg um zum schnellen Teil des Abends über zu gehen. Einer DER Songs von der No Code, ein wahrer Ohrenöffner! Von da an war spätestens klar, daß da nix mehr schief gehen konnte mit der Setlist an diesem Abend. Klar war auch, daß es von nun an erst einmal wieder auf die Socken geben würde. Diesen Job erledigten dann auch “Go”, “Why Go” und ein weiteres krachendes “DTE” vorbildlich. Während es bei uns schon ziemlich ab ging, muß es auf der anderen Bühnenseite wirklich unangenehm gewesen sein in einigen Bereichen. Eddie griff über den Abend mehrere Male zu seinen “Three steps back” – Aufrufen. Im Großen und Ganzen war die Wuhlheide – bis auf diese paar Ausnahmen – in diesem Moment eine Masse von 17.000 singenden und springenden Leuten. Jeder Refrain wurde der Bühne entgegen gebrüllt und der Hallelujah-Chor war mal wieder der Hammer! Es ist schon beeindruckend, wie einen das nach dem bisher Erlebten in Mailand und Trieste immernoch von den Socken hauen kann – zumal 17.000 Leute ja im Vergleich zum San Siro (66.000) schon ein wenig popelig anmuten; geklungen haben sie anders!
Nach DTE begrüßte Ediie uns kurz, gratulierte zum gewonnenen Match gegen seine Heimatländler und sie legten dann mit einer mitreißenden “Corduroy” Version amtlich nach. “Corduroy” ist immer ein Garant um die Stimmung schön an den Anschlag zu kicken. Man ließ noch das Double aus “Lightning Bolt” und “Mind Your Manners” folgen. Auch wenn die Songs neu sind, sie zünden dann doch schon erstaunlich, das konnte man schon auf der gesamten Tour beobachten. Mit “Gods Dice” ging es dann auch schon in die Überleitung zum Perlenpart des Mainsets! Längst war die Menge derart auf Betriebstemperatur, daß die Jungs alles hätten spielen können, was sie wollen – es wäre angekommen. Aber nach “Gods Dice” packten sie mal wieder einen dieser Songs aus, die im Grunde genommen keiner der Anwesenden ernsthaft auf der Rechnung hatte – wurde er doch auch überhaupt zum 12. Mal live gespielt. Man wünschte ihn sich schon seit Jahren insgeheim, wenn man ihn dann durch Zufall mal wieder auf der Lost Dogs hörte, aber realisitisch war es eigentlich nie, eines Tages mal mit “Hold On” überrascht zu werden. Umso genialer war der Moment, als das Lied erklang. Eine derart “verschüttete” Perle birgt ja nun immer das Risiko, daß die Stimmung abflaut, weil sie keiner so wirklich verinnerlicht hat. Bei “Hold On” und bei Pearl Jam Fans ist das anders. Besonders im Innenraum kennt da jeder so ziemlich alles! Und entsprechend war – nachdem die erste Verblüffung gewichen war – auch “Hold On” ein wahrer Genuß. Man stand da, von hunderten Gleichbekloppter umzingelt und die spielten allen Ernstes “Hold On”!!!! Alter, “Hold *fucking* On”!!! Legendärer Moment! Sie gönnten uns mit “Given to Fly” dann wieder eine kleine Auflockerung, bevor es einfach weiter ging mit den Wahnsinns-Performances. “Given to Fly” ist eigentlich auf jedem Konzert ein absoluter Spaß, so auch in Berlin. Man steigert sich mit dem Song, man hüpft, springt, reißt die Arme in die Luft und hat einfach eine höllisch gute Zeit. Selbst wenn Eddie ihn anfangs derart verreißt wie in Mailand wird das stück am Ende wieder ganz groß! Als Eddie einen Song von Matt ankündigte, den er allen widmete, die es irgendwie hin bekommen haben immer noch verliebt zu sein – da war klar was jetzt kommt. Zum 64. Mal überhaupt (und der Song erschien 2002), spielten sie “You Are”! Ähnlich wie “Hold On” hatte es schlicht und ergreifend niemand auf der Rechnung! Ein großer Song, hört selbst:
Die Setlist nahm jetzt so richtig Fahrt auf, denn hernach folgte mit “Who You Are” das nächste Highlight. No Code obendrein! Hätte nicht gedacht, daß ich den Song so schnell wieder höre nach dem San Siro – es war eine Freude. Mittlerweile hatte sich auch das anfängliche Gedränge bei uns in der Gegend ein wenig gelegt und man hatte verhältnismäßig viel Platz. Bei Even Flow – wieder der typische Break im Mainset, der irgendwo zwischen durchatmen und mitspringen pendelt – hatte ich dann mal wieder ein wenig Zeit mich um zu sehen. Die Wuhlheide war wieder einmal am Kochen – ein wirklich, wirklich tolles Bild! Auch Eddie würdigte das mehrfach an dem Abend. Nach Even Flow griff man auf der Bühne die “Let Stone Sing” – Chants auf und improvisierte mal eben einen Song daraus, welcher in einer kurzen Kostprobe von Stonies Sangeskünsten gipfelten, bevor sich die Initiatoren von ihm - augenzwinkernd freilich -ein “Fuck you guys!" einfingen. Das war dann mal wieder einer dieser unterhaltsamen Momente, die sie von vielen ihr Programm stumpf abspulenden Bands unterscheiden. Wenn sich sowas entwickelt im Laufe des Abends, warum dann nicht darauf eingehen? Die Setlist kann man jederzeit ändern, Stimmung muß man nutzen.
Anschließend brachte man mit “Sirens” wieder Stimmung in die Bude. Das Lied ist live ein Ereignis – die Skepsis bei den ersten Hördurchläufen auf CD ist komplett gewichen bei mir – das Ding ist als Livesong groß… wirklich GROß!!! Die alten Recken unter uns wurden danach mit “Jeremy” wieder bestens unterhalten. Es sit schon der Hammer, was ich seit 2012 für einen Run habe mit diesem Song. Auf den letzten 5 Konzerten hatte ich Jeremy im Programm – Wahnsinn. Berlin war obendrein noch die beste Version auf der 2014er Tour wie ich finde, gerade Jeffs Basslinie finde ich ja Bombe und er war in Hochform in der Hauptstadt. Das folgende “Immortality” war wie immer ein Genuß. Ein wirklich grandioser Song, den spätestens seit der 2006er Soundcheckversion von Eddie in der Arena di Verona den Weg ins Herz eines jeden Die Hard Fans gefunden haben dürfte. Man stand einfach nur im Innenraum der Wuhlheide herum und Immortality walzte schwermütig über einen hinweg. Im Anschluß durfte Mike mal wieder unter Beweis stellen, was er so drauf hat und das Van Halen Cover “Eruption” bot ihm mal wieder die perfekte Gelegenheit. Hatte ich den Song 2012 noch verpaßt in Berlin (2. Abend), so gab es jetzt die volle Dröhnung – mit einem fließenden Übergang ins brachial dahin gebretterte “Lukin”. Da wir nun am Ende des Mainsets angekommen waren, war es - fast schon traditionell in diesem Jahr – an der Zeit “Rearviewmirror” auszupacken. Wie schon an den Abenden davor wurde der Song zu einer wilden Jamsession-Version ausgebaut, die ausuferte und kein Ende nehmen wollte. Wahnsinn, was die Jungs aus diesem Song so alles raus zu holen verstehen.
Die Pause – die nicht wirklich lang ausfiel zum Glück – nutzten wir zu einer kurzen Manöverkritik. Wie auch die Umstehenden waren wir ziemlich geflasht von dem Mainset. Was die Herren da mal wieder über uns herein brechen ließen, das war so nicht zu erwarten gewesen. Klar, in Berlin gibt es keine Standardsets, aber “Hod On”, “You Are”, “Who you Are”, “In my Tree”, “Nothingman” und “Low Light” in ein und dem selben Set… Mainset auch noch… das war einfach nicht zu erwarten gewesen, das war einfach nur unglaublich! Aber es ging ja noch weiter.
Die Band kam zurück und der Wahnsinn ging unumwunden weiter. Da es auch gar keinen Sinn gemacht hätte, jetzt mit einem Standard-Encore los zu legen nach diesem Mainset, packten die Jungs “Sleight of Hand” aus – zum 46. Mal überhaupt erst. Wieder so eine langsame Nummer, wieder so ein absoluter Setlist-Traum. Die Menge lauschte, war dabei und am Ende brandete begeisterter Applaus auf. Auch das folgende “Sleeping by Myself”, auf dem Album ja eher kritisch gesehen, da ein Cover von Eddie selbst, war in dieser Situation und von Eddie mit Uke im Sitzen dageboten ein Erlebnis. Nach wie vor weiß ich nicht so recht, warum sie das Ding auf die Lightning Bolt gepackt haben, aber live ist es ein wunderbarer Song und ich hätte ihn an diesem Abend im Nachhinein nicht eintauschen wollen gegen einen der anderen Albumtracks. Auch, weil er einfach zu perfekt in dieses Encore passte. Was nun folgte war wieder einer die “WTF?!?!?” – Momente. “All those Yesterdays” wurde angestimmt! Es wurde zum 17. Mal gespielt – seit 1996 wohl gemerkt! Und mit Berlin 2014 und Stockholm vor zwei Jahren war ich bei zwei dieser Gelegenheiten dabei, als dieser grandiose Song gespielt wurde. Im Gegensatz zu Stockholm war das dieses Jahr eine komplett andere Version, was nicht nur daran lag, wie die Band ihn spielte, sondern auch an der Reaktion des Publikums und der Stimmung, die sich ausbreitete. Sie war ebenfalls großartig, aber ging in eine ganz andere Richtung – schwer zu beschreiben, aber hochgradig beeindruckend! Als ob das noch nicht genug gewesen sei, schob man mit “Crazy Mary” einen weiteren dieser Songs zum Niederknien ein. Hier zeigte sich mal wieder die Wuhlheide-Atmo. Ich habe ihn zwei Mal in der Wuhlheide und zwei Mal in Hallen gehört – der Song sollte nur noch im Freien gespielt werden! Wieder einmal kam diese unglaublich intensive Stimmung zwischen Band und Publikum in der Berliner Dämmerung zum Tragen und hob den Song nochmal eine ganze Ecke über die Indoor-Varianten; er entfachte einfach einen ganz eigenen Zauber.
Nachdem man während der letzten vier Songs eine wahnsinnig intensive und getragene Stimmung unters Volk gebracht hat, war es an der Zeit wieder am Tempohebel zu ziehen – und zwar mächtig gewaltig! “Comatose” wurde im Kontrast zu den eindringlich vorgetragenen Songs davor förmlich hingerotzt – was bei dem Song aber alles andere als negativ zu werten ist. Im Anschluß wurde dann noch einer meiner geheimen Tourwünsche erfüllt. Nachdem ich Berlin II 2012 und damit auch das bretternde “Blood” verpaßte, hegte ich die Hoffnung, daß sich das dieses Jahr ausgleicht. Nicht nur, weil “Blood” der letzte Song war, der mir noch fehlte um die komplette “VS” als “live gehört” abhaken zu können, nein, auch weil das seit den 90ern einer meiner liebsten Rocker der Jungs ist, Energie und Intensität pur! Als “Blood” dann erklang, mobilisierte ich nochmal alle Reserven – Abgehen deluxe war nochmal angesagt. Herrlich! Ganz großer Moment! Bei Porch, was der Abschluß des ersten Encores werden sollte, erklomm Eddie dann das Gestänge am linken Bühnenrand und sang den Song aus etwa 7 Metern Höhe weiter. Warum auch immer er das tat, es war als Reminiszenz an den Kletter-Eddie der 90er, wo er auch mal von den Querstreben der Bühnen baumelte, irgendwie schon schön anzuschauen. Wenn man bedachte, daß er 6 Tage zuvor in Mailand noch mitleiderregend gehumpelt hatte… ja, da machte man sich schon etwas Sorgen. Aber es ging gut und als er den Song – wieder auf der Bühne – beendet hatte, verabschiedete sich die Band in die zweite Encore-Break.
Wer jetzt ein relativ ereignisarmes Schlußstück erwartete, der sah sich getäuscht. Mit “Bee Girl”, zum 16. Mal in 20 Jahren gespielt, stieg man wieder mit einem dieser Raritätendinger ins zweite Encore ein. Sehr schöner Song; wie auch das folgende “I Believe in Miracles”, welches immer wieder eine Freude ist zu hören, reihte sich Bee Girl in die großen Momente des Abends ein. Miracles zog das Tempo nochmal an für die große Schlußoffensive. Alleine mit “Alive” detonierte die Wuhlheide nochmal so richtig. Der Song der Band, DER Song der 90er; DER Song meiner Generation. Immer wieder ein Erlebnis, immer wieder eine Freude. Eddie derwischte wieder über die Bühne und die Spielfreude der Band war einfach nur mitreißend. Der Übergang zu “Rocking in the Free World” war wieder recht einfach, da die Wuhlheide eh schon am stimmungsmäßigen Anschlag war. Nach einem Set, das enorm abwechslungsreich war, sehr viele Stimmungsumschwünge hatte und von einer genialen Songauswahl geprägt war, wurde am Ende, mit diesen drei letzten Songs, nochmal richtig gefeiert. Nicht nur die Welt und das Leben an sich, nein, der ganze Abend wurde nochmals gewürdigt und kulminierte eben in “Alive”, “RITFW” und dem Closer “Yellow Ledbetter”. Diese Songs waren eine perfekte Abrundung dieses Abends. Es war ein Fest – ein FEST!!!
Als Mike die letzten Takte von “Yellow Ledbetter” gespielt und wir die sich verneigende Band gebührend verabschiedet und gefeiert hatten… Post-Tour-Blues! Im Gegensatz zu den Abenden davor, wo man sagen konnte “ich sehe sie ja in x Tagen wieder”, war es das dann erst einmal. Diese seltsame Mischung aus purer Begeisterung über das Erlebte und leichter Melancholie – schließlich war mal wieder einer dieser grandiosen Musikurlaube in und durch Europa für mich vorbei – machte sich breit. Aber wir hatten ja noch das ausstehende Bierchen mit N. vor der Nase und steuerten zunächst den Treffpunkt an. Dort verabschiedeten wir uns noch von Jimmy und dem kurz vorbei schauenden Ed und begaben uns dann zum nächsten Bierstand. N. lud uns zum finalen Bierchen ein und wir ließen den Abend, die Tour, welche gediegen gemeinsam ausklingen.
Es waren mal wieder denkwürdige Tage, die die Kleine Schwester und ich mit dieser Band und ihren Fans (einigen im Speziellen, den meisten im Allgemeinen) zwischen Mailand und Berlin verbringen durften. Vom legendären 10. Konzert meiner Karriere als Pearl Jam Maniac im San Siro zu Mailand bis zur Vollendung des Dutzends in Berlin – dazu die Städte an sich die man mehr oder weniger ausgiebig erkundete und kennen lernen konnte – ein perfekter Urlaub! Die Frage nach dem “Besten” Konzert ist normaler Weise bei solchen Touren nicht zu beantworten. Auch dieses Mal fällt es schwer. Wäre Mailand nicht das Über-Konzert gewesen, das es war (vielleicht nicht objektiv, aber subjektiv für mich war es das auf jeden Fall), dann hätte ich auch dieses Jahr keinen Favoriten ausmachen können. Denn dann wäre dieser mal wieder wahnsinnige Abend in der Wuhlheide, der wie immer etwas ganz Spezielles war und eine Setlist hatte, die einfach mal wieder perfekt paßte, unmöglich zu schlagen gewesen. Oder auch Triest, trotz der Soundprobleme, wäre auf Grund der Setlist und des gesamten Erlebnisses und dieser wundervollen Stadt nicht wirklich hinten an gestanden. Abe wie gesagt: Aus drei denkwürdigenden Abenden – ach was, aus mittlerweile 12 – sticht Mailand nun dann doch ein wenig hervor. Mal schauen, wann es vom Thron geschubst wird…
Pearl Jam, übernehmen sie!
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