Donnerstag, 23. Januar 2014

DIE LEUDE

(5 Sterne Deluxe)

Diese Woche hat mich eine höchst erstaunliche Beobachtung der MsPittili auf ein neues Thema zum Bereich “Phrasenrodeo” gebracht. Schauplatz: Die Parkbuchten vor unserem Haus, Hauptdarsteller: Eine der Personen, die bei Explosiv immer als “besorgter Nachbar” untertitelt werden. Gut, man könnte jetzt auch sagen: Ein Knacker, wohnen wir hier doch in einem weitestgehend postsenilen Wohnumfeld. Jedenfalls hat es diese Woche hier endlich mal ein wenig weiße Pracht gegeben und die Temperaturen sind analog (logisch) auch noch vernünftig in den Keller gegangen. Das Resultat war (ebenfalls logisch), daß die geparkten Autos früh mit einer dünnen Eisschicht und ein wenig Schnee bedeckt waren. Wohl gemerkt: Ich für meinen Teil benutze dieses Wort nur unter Vorbehalt, aber in diesem Haushalt gibt es auch Personen, die dieses erweiterten Raureif durchaus als “Schnee” bezeichnen, also was solls.

(An dieser Stelle erleichtere ich die Lesbarkeit auf Wunsch eines Einzelnen durch einen Absatz; in Literatenkreisen als so genannter “Lesbarkeitsabsatz” gepriesen.)

Jedenfalls ist einer unserer Mitinsassen hier im Laufe des Vormittages mit Besen und Kratzer bewaffnet aus dem Haus gestiefelt und hat angefangen seinen Personenkraftwagen akribisch von der subliquiden Wasserlast zu befreien. Vor Fahrtantritt sehr löblich, aber in diesem Fall vollkommen sinnlos. Warum? Weil er, nachdem er auch das letzte Fitzelchen Eis von seinem Gefährt gekratzt hatte, wieder seine Wohnung aufsuchte und selbige nicht wieder verließ… jedenfalls an diesem Tag. Die stunden vergingen, die umstehenden PKWs tauten weitestgehend ab und sein blank poliertes Vierrad stand mitten drin. Dann kam die Nacht und als ich die Bude am Morgen wieder Richtung Büro verließ… ihr ahnt es: LESBARKEITSABSATZ!

… als ich auf Arbeit ging, da war die Karre jedenfalls wieder vollkommen eingefroren. Jetzt frage ich euch: Warum tut man sowas?!? Ich habe dieses seltsame Verhalten im letzten Winter schon bei einigen hier beobachtet. Ich habe da einen Erklärungsansatz gefunden, der für mich recht gut funktioniert. Dieser besteht darin, daß er den PKW deshalb enteiste, weil sich wie eine Natter eine Angst in sein Gemüt schlich; die Angst vor dem Meinungsterror seiner Mitmenschen. Kurz bevor er seine orthopädischen Schuhe überstreifte und der Verzierung seiner Silbergrauen Rentnerkutsche zu Leibe rückte, da sagte er vermutlich zu seine Else “Ich mache das mal weg,

WAS SOLLEN DENN DIE LEUTE DENKEN?!?”

(hier gleich zur Sicherheit noch ein Lesbarkeitsabsatz… sicher ist sicher)

Ja, “die Leute”. Ich für meinen Teil habe bei einigen ja schon grundlegende Zweifel daran, ob sie überhaupt physisch in der Lage sind einen komplexeren Denkvorgang zustande zu bringen. Ältere Mitmenschen jedoch kennen das noch von damals, daß es durchaus “Leute” gibt, die das können… also “denken”. Da ist das natürlich verständlich. Ich habe dann mal überlegt, was ich gedacht hätte, wenn ich sein Auto so zugefroren gesehen hätte. Vermutlich nicht viel mehr als “oh, is’ heute kalt draußen”! Warum? Weil es offensichtlich war. Er jedoch, der Kratzerknacker v.D., er sah vermutlich schon seinen sozialen Status im Viertel abrutschen. Er hörte schon den Heinz aus dem Nachbarhaus seiner Erna vom Fensterbrett, an dem er seine Tage verbringt, zurufen “Du, bei Schmidts, bei denen ist schon wieder das Auto zugefroren! Wir haben es schon fast 12 Uhr und die haben das noch immer nicht weg gemacht – diese Assis!”

(Ihr ahnt es: Lesbarkeitsabsatz)

So etwas spricht sich sich dann natürlich rum im Viertel. Erna hätte dann bei Stahlhubers aus Haus Nr. 91 angerufen und denen erzählt, was ihr Göttergatte gerade für eine Sauerei entdeckt habe. Die hätten es dann über den Balkon ihren Nachbarn weiter geleitet (“Hab ihr schon gesehen…?!?”) und die wiederum hätten es dann dem Herrn Kowaltschik gesteckt, der ihnen zufällig am Briefkasten über den Weg lief. Kowaltschik wiederum hätte dann wohl erst einmal aus reiner Gewohnheit heraus einen Bericht verfasst und diesen an die Ruschestraße 103 in Berlin weiter geleitet. Er hätte dann um “umgehende konspirative Maßnahmen gegen diese Feinde des Sozialismus” und einen Lesbarkeitsabsatz ersucht – zumindest letzteres soll er haben.

Als ordnungsbewußter Knackerknispel kann man derlei natürlich nicht riskieren (wobei er in den Augen von Kowaltschik ohnehin schon länger verdächtig war mit seinem Westauto). Dann lieber vollkommen sinnfrei die Karre wienern und dann vom Fenster aus beobachten, wie sie im Laufe des Tages wieder zufriert. Das Lustige an der Sache ist nun aber, daß das, was “die Leute” denken – wir sind ja auch “die Leute” – nicht etwa eine Würdigung des pensionären Putzfimmels ist, sondern sich am treffendsten mit den Worten “Hat der ne Meise?!?” paraphrasieren läßt. Ich vermute mal, daß das nicht unbedingt das primäre Ziel seines Tuns war.

(Anm.: Dieser Absatz ist jetzt mal thematisch bedingt)

Jedenfalls ist es doch schon bewundernswert, was manche Menschen so alles tun damit andere sich nicht das Maul über sie zerreißen. In den meisten Fällen hätten diese das vermutlich nicht einmal getan, aber man unterstellt es ihnen einfach mal. Im Endeffekt biegt man sich sein eigenes Verhalten und auch das Äußere so weit zurecht, daß irgendwelche andere Figuren die im Leben nichts weiter haben als Royal Weddings, Fußpflegetermine und die monatliche Apothekenumschau mutmaßlich damit einverstanden sind. Soll ich euch mal ein Geheimnis verraten: Das sind sie nicht! Das sind sie NIE!!!! Ich habe meine Jugend uffm Dorf verbracht, ich weiß also wovon ich rede. Diese dicken, unterforderten Tratschtrullas finden immer etwas, über das sie herziehen können. Die haben nämlich keine anderen Hobbies, außer vielleicht Royal Weddings, Fußpfl… oh, hatten wir schon. Dann lieber erst mal nen Lesbarkeitsabsatz!

Ja, so ist das nämlich! Man muß sich ja nicht gleich komplett von gesellschaftlichen Verhaltensnormen frei machen, aber zumindest von dem sinnfreien Quatsch, von dem man meint, daß andere ihn von einem erwarten. Da lebt man dann deutlich ruhiger. Außerdem braucht man dann auch nicht so viel Zeit darauf zu verwenden, sich nach außen eine Scheinexistenz aufzubauen. Wer von meinen Nachbarn der Meinung ist, ich müßte Ende Januar ein komplett eisfreies Auto vor der Tür stehen haben, obwohl ich nicht vor habe dieses zu benutzen, der darf sich gerne ausleben und den Igor enteisen. Ich werde ihn nicht aufhalten (obwohl… ehrlich gesagt würde ich das; solche Irren kommen nicht in die Nähe meines Schätzchens)! Schätzchen? Ich werde schnulzig, also lieber mal wieder einen Lesbarkeitsabsatz einstreuen vor dem Schlußakkord.

“Was sollen denn die Leute denken?!” Wenn ich das schon höre kotzt mein innerer Rebell im breiten Strahl. Aber das ist halt zweierlei: Erstens ist es scheinbar altersbedingt, weshalb ich richtig Angst habe diese Störung auch irgendwann zu entwickeln. Zweitens ist es natürlich typisch deutsch. Alles immer schön normen, wer mehr als nur 2 Fuß breit vom Durchschnitt abweicht und das nicht mit dem Beruf Künstler (“Die sind eh alle ein wenig eigen”) oder einem dicken Bankkonto (das sind dann Exzentriker) rechtfertigen kann, der gilt hier doch gleich als Kommunist.

(Letzter Lesbarkeitsabsatz – versprochen)

Was die Leute nun denken sollen? Tja, von mir aus können sie denken was sie wollen. Wenn die mich für einen illegal eingewanderten Marsianer halten, der heimlich im Keller an einer alles atomisierenden Meerschweinchenkanone bastelt mit deren Hilfe er auf einem platingepanzerten Tyrannosaurus Rex über den Abendhimmel reitend die Weltherrschaft an sich zu reißen und die Menschheit zu unterjochen gedenkt halten, dann ist mir das wumpe!

(Thematischer Absatz – auch der letzte.)

Wenn ihr meint, ihr müßt weiter im tiefsten Winter euer Auto 24/7 vom Eis freikratzen, dann macht das halt. Nur erwartet nicht von mir, daß ich da mit mache – Tyrannosauren haben nämlich keine Scheiben!

4 Kommentare:

  1. Naja, kleiner Pimmel, sauberer Benz. Ist halt so.

    Die aus dessen Sicht Jungen von heute (also ich und die anderen 40+) sind da wohl entspannter. Der Kratzer hat im Krieg gelernt Vielleicht gar in Stalingrad. Kalt. Sehr kalt. Da mussten die Geräte gewartet, geputzt und jederzeit einsatzbereit sein. Und Du weißt ja, der Mensch ist ein Gewohnheitstier (Phrase!) Und er hat eine Rauhreifphobie Das.Zeug.Muss.Weg!

    Tja; wir, also die Jugend, also die 40+ und ich, wir haben da ein extra Gelenk in der Schulter. Das sorgt dafür, dass wir bei dem Gedanken daran, was der Nachbar denken könnte, schön damit zucken können. Die Gnade der evolutionsspäten Geburt eben.

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  2. Den Wunsch nach Lesbarkeitsabsätzen hat koffinkitten ausgesprochen, oder? Hat sie bei mir auch mal geäußert^^

    Ich singe gerade ein Loblied auf die Garage. Auch ohne Schnee.

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    1. Ne, der Absatzwunsch kam von einer anonymen Person mit nem schlimmen Bikini-Bridge-Fetisch. (Kommentare zum dazu gehörigen Podting) ;-)

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  3. Also ich habe gegen einen Absatz auch nichts einzuwenden... *hüstel*

    Bei uns hier im Umfeld wohnt auch eine Was-sollen-die-Leute-denken-Fraktion. Frau Mitbewohnerin über uns, Anfang 40! Die regt sich auf, dass die Familie unterm Dach nicht den Vorgarten macht. Was sollen da die Leute denken??!! Ich habe mir dann erlaubt zu sagen, dass das sch**ßegal ist. Damit die gleich merkt, dass ich bei der Hetzerei nicht mitmache. Als ob es nichts wichtigeres gäbe, als einen schicken Vorgarten.

    Sie weiß, dass alle Nachbarn im Umkreis ( 70 und älter ) sich über unser Haus das Maul zerreißen und das ist ihr eben unangenehm. Der Gatte und ich leben ganz gut damit. Ist der Ruf erst ruiniert... ;)

    LG

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