(J.B.O.)
Gestern nach dem Tagwerk und dem fußmärschigen Heimgang ins Domizil brachen die MsPittili und ich quasi umgehend wieder in die Stadt auf. Wir fuhren dabei meinen Arbeitsweg quasi 1:1 ab – von einem kleinen Schlenker mal abgesehen, welcher der Unmöglichkeit geschuldet war, den Igor über mit Poller abgesperrte Fußwege zu dirigieren ohne sein Wohlbefinden massiv zu gefährden. Jedenfalls kamen wir auch am ortsansässigen Getränkemarkt vorbei. Man sollte dazu sagen, da ich jeden Tag zwischen 16 und 17 Uhr auf dem Heimweg an diesem vorbei flaniere. Freitags für gewöhnlich kurz vor drei – was aber keinen nennenswerten Unterschied macht, wenn man das Thema meiner heutigen Abhandlung betrachtet.
Jeden Tag – aber wirklich auch JEDEN Tag – wenn ich daran vorbei latsche, steht am Lieferanteneingang ein halbes Dutzend Figuren herum. Was die da machen? Na, ihr werdet es ahnen: Sie zwirbeln sich unter Zuhilfenahme alkoholischer Getränke ordnungsgemäß die Grütze aus dem Schädel… täglich! Freitags stehen die wie gesagt auch schon da… gegen 15 Uhr. Phänotypisch eine bunte Mischung aus langjährigen, ausgemergelten Klischeealkoholikern die mit Mitte 40 schon aussehen wie ihr eigener Opa und – ja, man muß es so schonungslos sagen: jugendlichen Glatzen, die sich nach jeder Pulle einen feinen Nebel aus Speichel und Billigbier über die schimmelgrüne Bomberjacke rülpsen (jaja, die Elite unseres Landes…). Man kann es im allgemeinen Sprachgebrauch auch auf einen Nenner bringen: Da standen die Assis – und wenn sie nicht gestorben sind, dann stehen sie da noch immer! Bevor mir da jetzt einer mit politisch korrekten Floskeln kommt, daß das doch alles arme, gescheiterte Existenzen seien, die Hilfe brauchen, deren Alkoholismus eine Krankheit ist, blablabla… die ganze gutmenschliche Linksparteirhetorik eben, sei mal darauf hin gewiesen, daß mir das in diesem Fall wumpe ist! Wir reden hier nicht über Leite, die sich irgendwo Schnapsflaschen verstecken um unbemerkt vom Partner oder Kollegen über den Tag zu kommen. Wir reden her von Leuten, die sich vermutlich schon am Vormittag an einer Laderampe treffen, ein Billigbier nach dem anderen zünden und mit zunehmendem Pegel wahrscheinlich noch Passanten belästigen. Das habe ich bei diesem Grüppchen zwar noch nicht beobachtet, aber man muß kein Prophet sein um zu antizipieren, daß dieses Säuferkonglomerat nicht gerade defensiv mit seinen Mitmenschen umgeht. Außerdem ist das ja eher ein globales Phänomen, das sich seit meiner Schulzeit entwickelt hat. Diese Truppen gab es schon Mitte der 90er an der damaligen Kaufhalle neben meiner Schule – was das Warten auf den Schulbus natürlich nicht gerade angenehmer machte. Als auch auf dem Marktplatz – wenn man mal länger als 6 Stunden hatte, dann stand man halt an der Haltestelle des ÖPNV und keine 10 Meter hinter einem soff sich der hitlertreue Vollassi aus dem BVJ noch mehr Dummheit an um sich dann mit Siebt- und Achtklässlern anzulegen weil ihm deren Ranzen nicht passte. Ja, das war eine helle Freude – besagte Mauer, welche diesem Gesindel als Tresen dienste, war auch nur noch als “Assimauer” bekannt und so ziemlich jeder war heilfroh, als die Bushalte irgendwann mal auf die andere Seite des Marktplatzes verlegt wurde. Ich frage mich einfach, ob das sein muß!? Mir wäre daher auch weitestgehend egal, wenn man ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen erläßt und das das dann auch entsprechend durchsetzt.
Ich verstehe es grundsätzlich schon mal nicht, was Menschen dazu bringt sich jeden Tag an einer Laderampe mit anderen Wracks zu treffen und sich gemeinsam die Synapsen zu desinfizieren. Es ist ja nun auch nicht die malerischste aller Gegenden, da an der Laderampe. Ab und an sieht man eine dieser Figuren dann auch noch, alkoholisch enthemmt oder einfach nur naturdoof – die Grenzen verschwimmen da –, irgendwo am Gehweg stehen und in die Rabatten schiffen. Auch im Gebüsch (das ab dem Spätherbst natürlich einen erstklassigen Sichtschutz bietet) selbst hat man einzelne schon hocken sehen… während ein paar Meter entfernt auf dem Gehweg Mütter mit ihren Kindern spazieren gingen. Es gibt Leute, die würden das nun als “alternativen Lebensstil” beschreiben und Leute wie mich, die das einfach mal scheiße finden, daß solche verkrachten Figuren auf Schulwegen rumlungern, moralisch für ihre Intoleranz maßregeln. Außerdem wäre dann wieder “der Staat” Schuld in deren Weltbild – nicht die armen Assis. Diese Leute finde ich aber doof! Warum? Weil das Hippies sind! Nur mal kurz zum Durchdenken: Kommt “der Staat” denn hier an den Getränkemarkt – es muß ja nicht gleich der ganze Staat sein, der Friedrich die Truppenursel würde ja schon reichen – also kommt die Truppenursel persönlich hier an den Getränkemarkt und erteilt Alko-Adolf und seinen Kumpanen den Auftrag, sich ab jetzt täglich vor besagtem Lieferanteneingang die Kante zu geben? Begründet “der Staat” – also in unserem Beispiel die Ursel – das mit einem finalen Salut und der Parole: “Fürs Vaterland, meine Herren!”? Ich kann es zwar nicht beweisen, aber ich glaube, daß dem nicht so ist. In meiner Welt entscheidet jeder selbst, ob er sich und seinen Alkoholismus SO öffentlich zur Schau stellt. Da kann der Staat auch nix für. Wo er allerdings was dafür kann – hier komme ich auf das Alkoholverbot zurück – ist in der Eindämmung dieses Public-Drinkings. Das muß man sich dann schon anhören in Berlin wie ich finde.
Aber: Vielleicht ist alles auch ganz anders! Als wir gestern an diesem alkophilen Konglomerat vorbei fuhren, da entwickelten wir einen alternativen Erklärungsansatz – nein, vielmehr eine Vision. Ein Geschäftsmodell! Ja, das ist es: ein Geschäftsmodell!! Wir haben uns gefragt, was denn der Getränkemarktbesitzer davon hält, daß an seiner Saufhalle Krethi und Plethi herum lungern und potenzielle Kunden erschrecken. Einerseits wird dem das nicht gefallen, andererseits sind das ja nun auch Abnehmen für seine liquiden Wahrnehmungsverschwurbler. Auch wenn die nur die Billigplörre saufen, so macht die bloße Menge ja schon wieder Umsatz. Man müßte… man müßte den Getränkemarktbesitzern, Supermarktbetreibern und von mir aus auch allen anderen Geschäftsleuten einfach die Möglichkeit bieten, das vor/um/an ihren Geschäften herumlungernde Gesindel zu steuern. Man müßte ihnen ermöglichen, eine auf betriebswirtschaftlichen Standards basierende Auswahl zu treffen. Ein Geschäftsmann sollte die Möglichkeit erhalten mit einem detaillierten Anforderungsprofil auf eine Agentur seines Vertrauens zu zu gehen und sich von dieser beraten zu lassen. Gemeinsam erarbeitet man sich dann einen umfangreichen Katalog an Kernkompetenzen, welche die Gesuchten aufzuweisen haben und – natürlich auch wichtig – eine Liste die Einstellung begünstigender Soft-Skills! Mit diesen Vorgaben wird dann das Portfolio an erfassten, potenziellen Kandidaten – sprich die Datenbank der Agentur – gefüttert und durchsucht. Eine interaktive, intelligente Suchmatrix ermittelt basierend auf den auf sie zukommenden Aufgaben eine vorher fest gelegte Zahl an Kandidaten. Diese werden dann unter fachkundiger Begleitung von zwei Angestellten der Agentur, zwölf Gesandten der größten deutschen Brauereien und natürlich vom Geschäftsinhaber selbst unter möglichst authentischen Bedingungen einem Assessment-Center unterzogen. Aber wie gesagt: Alles nicht standardisiert, sondern immer an den konkreten, individuellen Erfordernissen des Einsatzgebietes orientiert. Wenn beispielsweise in der Stellenbeschreibung
“Sicherer Umgang mit millieuspezifischer Fäkalsprache und fundierte Kenntnisse im fachmännisch akustischen Entfernen (->dem so genannten “Fumpen”) von Kronkorken.”
wird der 43jährige, gescheiterte Bohemien, in dessen Kompetenzbeschreibung von “Deutliche Stärken im mit einem späten 1976er Bordeaux in der Hand auf Vernisagen Herumstehen und pseudointellektuell über die Pinselführung Caspar David Friedrichs Schwadronieren” die Rede ist natürlich keine Chance haben. Diese Position wird dann eher an einen Durchschnittsproleten gehen – was auch angesichts des in der Ausschreibung beschriebenen “Sozioökonomisch stark dezentral gelegenen und von niedrigem Lohnniveau geprägten Einsatzort” nicht weiter verwundert. Da passt ein Mittfünfziger Vokuhilaträger mit Oberlippenbart und knallengen, verdreckten Jeans der Marke “Testikeltod” einfach rein optisch schon besser hin als unser oben beschriebener Hornbrillenträger in seinem abgewetzten Cordanzug. Mit dem locker um den Hals geworfenen, schneeweißen Schal würde er die potenzielle Kundschaft da wohl eher irritieren als unterschwellig die “außergewöhnlich niedrige Qualität bei entsprechendem Preisniveau der dargebotenen Getränke” optisch-unterschwellig an sie zu vermitteln. Auch könnte er nicht mit dem zur Basisqualifikation gehörenden, laut röhrenden Rülpsruf paarungswillige Dauerwellenträgerinnen aus den umliegenden Plattenbauten anlocken, welche dann dem Getränkemarkt durch den Kontexteffekt des Balzsaufens einen Absatzanstieg bei mit Frostschutzmittel gestrecktem Rosé-Wein aus dem Tetrapack bescheren. Nein, das kann 80s-Olaf mit dem Plastekamm in der Arschtasche deutlich besser; er passt einfach auf das Anforderungsprofil wie der sprichwörtliche Arsch auf den Nachttopf!
Die Stunde unseren verkappten Connaisseurs der feinen Künste wiederum schlägt dann, wenn man ein “feierfreudiges, jedoch gleichzeitig kulturell bewandertes Statistenpublikum” für eine “Veranstaltung im gehobenen intellektuellen Segment” sucht, das seinen Alkoholkonsum “mit Einsatzbereitschaft und Ausdauer über den Abend hinweg zu steigern fähig ist ohne dabei behavioristisch die Grenzen des guten Geschmacks zu sprengen”. Natürlich werden die konsumierten Alkoholika in jedem der geschilderten Fälle über ein großzügig ausgestattetes Spesenkonto vom Auftraggeber abgedeckt. Jedoch ist der Maximalpreis des einzelnen Getränks strikt reglementiert. Assi-Olaf braucht gar nicht zu versuchen, ein Bier zu erwerben, das mehr als 40 Cent pro Flasche kostet – wohingegen unserem Anspruchssäufer kein Wein unterhalb eines Flaschenpreises von 45,89€ angeboten wird. Stellt sich ein Unternehmen ganze Grüppchen zusammen, sollte man natürlich auch die Gruppendynamit beachten. Beim Bohemien kommt es vor allem auf unterschiedliche Weltsichten innerhalb des Teams an, damit ein “fruchtbarer, intellektueller Diskurs mit den offiziellen Gästen der Veranstaltung” stetig am Laufen gehalten wird. Bei einer Rotte Prollo-Bollos kommt es lediglich darauf an, daß zwei Teilnehmer sich hin und wieder prügeln oder wenigstens lauthals mit “Kraftausdrücken einer von uns mit Absicht moralisch nicht weiter reglementierten Kategorie” anschreien.
Mit diesem Modell könnte man mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Man würde diese Trupps von Leberlöchrigen einer geregelten, sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit zuführen. Sie wären als diese dann auch über ihre Arbeitgeber versichert und müssten im Sinne der Funktion, die sie als Mitarbeiter, ja Aushängeschild der Firma auch von Pöbeleien gegen Unbeteiligte absehen, sofern sie nicht einen Rüffel vom Chef riskieren wollen. Das würde die Welt sicherer machen! Die Arbeitszeiten wären geregelt und durchaus auch flexibel. Bei vorabendlicher Präsenz bis 22:00 Uhr mit anschließendem After-Work-Bierchen, kann keiner verlangen, daß man bereits 8:00 Uhr am Folgetag wieder auf der Matte steht. Es liegt ohnehin in der Natur der Sache, daß es vornehmlich Spät- und Nachtschichten gibt. Wir kämen der Vollbeschäftigung näher und obendrein würde man einen vollkommen neuen, revolutionären Wirtschaftszweig etablieren – ein Wachstumsbranche, welche nach kurzer Zeit mit Börsennotierungen im Bereich der T-Aktie von Applepapieren von sich Reden machen wird.
Wir werden Montag mal bei der SAB anrufen und fragen, ob man dieses Geschäftsmodell kofinanzieren würde – nur die ersten 2-3 Wochen, bis es Gewinn abwirft eben. Vielleicht gibts ja sogar Fördergelder von der EU; bescheuerter als das, was die sonst fördern ist die Idee auch nicht.