Donnerstag, 6. Februar 2014

MUSSOLINI VS STALIN

(Gogol Bordello)

Die nächsten Wochen werden wieder anstrengend für den gesunden Menschenverstand, es sind mal wieder Olympische Spiele. An sich ja nix Schlimmes. Ich finde diese Wettkampfübertragungen durchaus kurzweilig bis interessant und wann hat man denn als Mann schon mal eine plausible Entschuldigung dafür – von der Gelegenheit ganz zu schweigen – sich solcherlei Boomsportarten wie Eistanzen oder Curling rein zu pfeifen? Fragt die um den Testosteronspiegel besorgte Frau dann “Warum?”, dann kann man argumentativ mit “Das ist Olympia… OLYMPIA!!!” sämtliche Diskussionen im Keim ersticken. Das ist ein wenig wie bei ner Fußball-WM. Auch da fände man keinen rationalen Grund dafür sich das Vorrundendebakel von Guatemala gegen die haushoch überlegenen Kicker aus Burkina Faso anzutun – außer halt, daß es “WM ist… HAAAAAALLLOOOOOOOO, WM!!!!!”. Die besonders wortgewandten Zeitgenossen unter uns fügen dann noch ein “Alle Spiele! Alle Tore!” mit an. Prösterchen und Bierchen auf! Von daher bieten diese internationalen Sportwettkämpfe im Schneeschuhfahren, Kufengleiten und Schlittenfahren einfach eine vortreffliche Gelegenheit die Zeit vor der Glotze tot zu schlagen. Irgendwie ist das ja auch spannend, selbst, wenn man die Sportarten an sich nicht wirklich versteht und/oder um kein Geld der Welt selber ausüben würde. So weit, so gut.

Allerdings ist es nun in Deutschland schwierig geworden, sich als Bürger unbeschwert an etwas zu erfreuen. Der Deutsche muß 1. planen und 2. meckern. Sonst ist er nicht wirklich glücklich. Wozu Planungswahn führt, das zeigt ja der geradezu irrsinnige Optimierungswahn der Baupläne, den es bei BER gab. Als Ergebnis kann man sagen, daß der Flughafen zwar noch nicht fertig ist, aber wenn er es wäre, dann wäre er besser als wir es uns vorgestellt hätten bevor er überhaupt geplant gewesen war. Verwirrt? Macht nix – ich habe den Satz auch 423 Mal nachgebessert… um ihn zu optimieren natürlich. Außer Flughäfen wollen wir auch noch alles andere planen – Medaillen zum Beispiel. Früher schickte man eine Hundertschaft kerniger Burschen und fescher Mädels ins Ausland, drückte ihnen ein paar Holzlatten oder getunte Hörnerschlitten in die Hand und sagte sinngemäß “Macht mal!” Wenn die dann wieder kehrten, schaute man sich an, was sie um den Hals hängen hatten und freute sich. Als Prämie gabs noch nen Jahresvorrat Adidas-Schlüpfer (ab Werk gleich mit drei Streifen) oder nen halben Wartburg überreicht, je nachdem, für welches Bruchstück unserer schönen, bunten Aktualrepublik man die Skischuhe schnürte. Heute ist das anders. Damals gab es zwar auch schon so etwas wie “Funktionäre”, allerdings beschränkten die sich aufs Funktionieren. Heute sind das glatt geschmirgelte Pseudopolitiker, die ihre Prioritäten von Interessenverbänden “nahe gelegt” bekommen und ihre eigens für den Job zugelegte Profilneurose vor laufenden Kameras ausleben müssen. Da schiebt sich dann ein gut genährter 150 Kilo Brocken im Armani-Anzug vor die Mikros und beschwert sich, daß die Skispringer “hinter unseren Erwartungen zurück” bleiben würden. Man habe mit mindestens fünfunddrölfzig Medaillen gerechnet, was die Herren ja mit ihrem popeligen Silberrang im Teamwettbewerb ja wohl mal sowas von verfehlt hätten. Man möchte in den Fernseher hinein springen und den Moppi höchst persönlich auf die Schanze zerren, wo man ihn in einen hautengen Ganzkörperanzug preßt, Skier unterschnallt und ihn dann vom Backen schubst. Während er dann die Anlaufspur hinunter purzelt will man ihm hinterher rufen “Und jetzt fliiiiiiiieg, Goldhoffnung! ZIIIIIIIIIIIIIEEEEEEHHHHHHHH!!!!!!”

Dieser Blödsinn grassiert in allen Sportarten. Ich finde es ja schon pervers, daß Medaillenerwartungen festgezurrt und Förderung davon abhängig gemacht wird. Viel Edelmetall = viel Förderung; wenig Edelmetall = “hier hast nen Fuffi, jetzt kauf dir selbst nen Bob, du Null!” Das ist doch paranoid. Vor allem wird dann noch breit getreten, was man erwartet hat und was erreicht wurde. Bedeutungsschwer wird dann mit ernster Mine eine “Neuausrichtung der Förderstrukturen” gefordert. Da wird kritisiert, daß die hohen Erwartungen, die man in die Sportler gesetzt habe, nicht erfüllt wurden. Da werden dann, auch 2014 wird das sein, Sportler in die Mangel genommen und müssen sich rechtfertigen, warum sie nicht gewonnen haben. Sie seien doch “bis dahin im Weltcup führend” gewesen und “ausgerechnet zum Saisonhöhepunkt” habe sie eine unerklärliche Formschwäche ereilt. Medialer Liebesentzug geht damit dann freilich einher. Man sollte den Herren Funktionären mal zu bedenken geben, daß da auch noch so ein bis zwei andere Nationen mitmischen bei den Wettkämpfen. Es ist jetzt nicht so ganz unwahrscheinlich, daß diese sich trotz der deutschen Gegnerschaft auch ein wenig anstrengen und im Zweifelsfall ein oder zwei Medaillen holen wollen. Ich sags ja nur, daran sollte man denken – auch wenn es vielleicht nicht unbedingt offensichtlich ist. Die Medien, insbesondere die besonders niveauarmen Schrottblätter (… Moment, warum eigentlich Plural an dieser Stelle, sagen wir doch gleich “BILD”), springen auf den Zug auf und hauen einem permanent den Medaillenspiegel um die Ohren. Nach dem Motto: “Guckt, jetzt hat sogar Ruanda schon drei Mal Bronze und wir…?!?” Ich finde das nervtötend und bescheuert!

Die Kehrseite der Medaille (auf dieses vorhersehbare Wortspiel bin ich jetzt nicht stolz, mir fiel hat nix anderes ein) ist dann, daß man sich wundert, wenn der eine oder andere Sportler sich unter dem Druck ne Pulle Dopingmittel in die Venen jagt um diesem Blödsinn zu entgehen. Ich will das jetzt nicht gut heißen, aber wenn diese Erwartungshaltung medial geschürt wird und auch absehbar ist, daß Sieger mit Werbespots für Abführtabletten oder Matratzenschoner finanziell abräumen in der Folge, dann soll man doch bitte diese Doppelmoral sein lassen. Wer heutzutage noch an “sauberen Sport” glaubt, der ist doch eh nicht mehr zu retten. Medial ist das doch wie bei der Tour de France. Erst wurde Ullrich niedergeschrieben, weil er hinter Armstrong “nur” Zweiter wurde und hinterher wollte es wieder keiner gesendet haben, als heraus kam, daß da im Prinzip hundertachtzig Pharmalobbyisten durch die Provence rollten.

Der zweite Punkt, der des Meckerns, ist ähnlich ballaballa. 2007 vergab man die Olympischen Spiele nach Sotschi. Warum man das tat, das wird wohl auch nur das IOC wissen. Aber so lange es die FIFA gibt, wird man ja ohnehin noch einen Verein haben, der noch absurdere Entscheidungen fällt und einen dadurch noch recht vernünftig wirken läßt. Jedenfalls stellte man nicht nur hierzulande unmittelbar nach der Vergabe (so etwa im Dezember 2013) vollkommen überraschend fest, daß Sotschi in Russland liegt. Urplötzlich sah sich die selbst ernannte “kritische Öffentlichkeit” damit konfrontiert, daß wider Erwarten Korruptionsvorwürfe aufkreuzten. Auch mußte man fest stellen, daß “grüne Spiele”, wie sie sich jeder wünschte, irgendwie doch nicht zu Stande kommen werden. Die werden eher so plattenbaugrau sein. Auch tauchten plötzlich Meldungen über Enteignungen auf und man sah beunruhigt zu, wie die Russen den Spielen alles unter ordneten. Dann, was die wohl größte und unvorhersehbarste Entwicklung in der Causa Sotschi war, entdeckte ein investigativ recherchierendes Kamerateam urplötzlich eine Schwarzmeerküste bei Sotschi und deckte auf, daß es sich unter Umständen um einen so genannten “Badeort” handeln könnte. Sotschi ist traditionell praktisch wie geschaffen für Winterspiele. Das IOC reagierte überrascht und schickte eine Hundertschaft von phrasendreschenden Grußaugusten vor die Kameras der internationalen Presse. Die erklärten dann, daß doch alles voll supi ist und die Spiele die schönsten, prächtigsten, größten und überhaupt megageilsten Sportfestveranstaltungen der Geschichte werden würden. Das Interessante ist, daß sich die Weltöffentlichkeit davon blenden läßt. “Ach soooo, das ist gar nicht so schlimm sagt der nette Opi mit der Rolex und dem Belugakaviar im Mundwinkel. Na, der wird es ja wissen, der ist schließlich objektiv!”  Und natürlich geht es nicht nur darum, daß beim IOC und den Sponsoren der Rubel rollt, das ist in erster Linie ein Fest des Sports! Aber wehe, unsere Athleten holen zu wenige Medaillen!

Aber das IOC hat Glück gehabt! Nicht auszudenken, was es für Fehlentwicklungen, Umweltsünden und (igittigitt) Korruptionsskandale im Vorfeld der Spiele gegeben hätte, wenn diese nicht unter der Fuchtel wohlwollenden, am Gemeinwohl orientierten Egide eines lupenreinen Demokraten organisiert wurden wären.

6 Kommentare:

  1. Ich weiß gar nicht, was Du hast. Hab da heute einen Bericht gelesen, die haben in ihrem subtropischen Landstrich sogar Palmen. Wenn das einen Wintersportler nicht mindestens zu noch sehr viel besser Leistungen als eine Goldmedaille anregt? Wo bekommt man das sonst noch geboten, als im real existierenden Kapitalismus? Also, ich bin der Meinung, das Gewinnumhängsel sollte es auch Platin geben. Wenn nicht für die Sportler, dann in jedem Fall für die Funktionäre und die Delegierten und die Planer. Und Diamanten reinster Art für die Gastgeber. Mindestens.

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  2. ... und für Putin gleich Doppelplatin! Darfs du nicht übergehen den Mann, der findet dich!

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    1. Aber für den waren doch die lupenreinen Diamenten gedacht. OK, dann fassen wir die in Platin. Platin für Putin. Hat auch was.

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  3. Der Gatte liebt Curling und er schaut das auch wenn kein Olympia ist. ;)

    Sotschi geht natürlich gar nicht. Aber was willste machen...?! *soifz*

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  4. Sotschi hin, Sotschi her. Es ist OLYMPIA. Wir schicken da unsere Sportler hin. Junge Leute, die unser Land repräsentieren (sollen). Und dann schafft es nicht mal EINER aus der Regierungsclique ihnen bei zu stehen? Wieviel Macht geben die damit eigentlich Herrn Putin? Da kann man doch drüber stehen (siehe Spanien, Niederlande ...).

    Im Übrigen war das Kommentargequatsche zur Eröffnungsfeier unterirdisch. Zum Glück hatte ich einen aushäusigen Termin.

    Grüße! N.

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    1. Ein norwegischer Minister reist mit seinem Mann an - das ist mal ein Zeichen. Wenn man den Guido ein Mal für was sinnvolles gebrauchen könnte, dann ist er nicht mehr Präsident - typisch! ;-)

      Aber Du hast Recht. Statt den großen Moralaugust raus zu kehren wie der präsidiale Laberpfaffe und mit viel Tamtam ab zu sagen, hätte man sich dem einfach stellen müssen. Putin braucht Gegenwind, Ignoranz und Wegsehen sind dem doch nur Recht.

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