(Die Ärzte)
So langsam aber sicher verlieren wir unsere kulturelle Identität. Das ist jetzt keine Panikmache, das ist ein Fakt, den man bei näherer Betrachtung einfach nicht schlüssig widerlegen kann. Alles, was man in der Welt so über uns so denkt, stimmt schlicht und einfach nicht mehr. Das geht schon beim “Land der Dichter und Denker” los, dem wir mit wachsendem Erfolg das Privatfernsehen und seine Unterschichtenformate entgegen halten. Kein Mensch, der ein Mal auch nur für 5 Minuten “Berlin Tag und Nacht” oder “Mitten im Leben” hat schauen müssen, wird uns auf kultureller Ebene mehr als ein Daumen(porno)kino zutrauen. Und womit? Mit Recht! Weiter geht es bei unserem Ruf als Biertrinkernation Nr.1. Diese Position haben wir doch statistisch gesehen schon längst an die Tschechische Republik abgetreten und die grundehrliche Pulle Gerstensaft muß ohnehin mehr und mehr einem Doppelcaramellattemacchiatodoppelchocmoltograndecappuccino-trippleshotespressowurstwasserfrappuccino zum Mitnehmen weichen. Also auch hier haben wir verloren. Nächster Punkt: Fußball! Gut, wir spielen wie es so schön heißt “oben mit”, aber genau da liegt das Problem: wir spielen inzwischen. Anstatt ein knappes Dutzend Jens Jeremies – Klone aufs Feld zu schicken, die den Ball samt dem Knöchel des Gegenspielers ins Tor grätschen, muß man der Nationalmannschaft inzwischen bei Ballstafetten zusehen und Hackentore bejubeln. Seit 2006 spielen wir so, wie früher nur die Holländer – leider auch genau so erfolgreich. Ein gepflegter Rumpelfussi mit anschließendem Titelgewinn zählt also auch nicht mehr so wirklich zu unserer Corporate Identity. Da bleibt ja nicht mehr viel… Bratwurst!!! Wie wäre es mit Bratwurst?!!!! Möööööööp, wieder nix! Seit sich die Fernsehköche auf unseren Bildschirmen tummeln wie Fliegen auf dem Mist, fängt der Teutone an sich solcherlei neumodischem Gedöns wie “Bärlauch” oder “Limonengras” in seinen Nährbrei zu rühren. Die gute alte Bratwurst führt ein Nischendasein in der Hausmannsküche unserer Zeit und wird zum Jahrmarktsfraß degradiert. Würde es nicht die wunderbare Tradition des Grillens geben, die Bratwurst wäre auch im übertragenen Sinn im Arsch. Aber auch der Holzkohlerost wird langsam vom Geschwader der Sterneköche zunehmend infiltriert. Wenn ihr in dieser Saison mal wieder am Grill steht und “Gemüsespießchen”, “Sea-Food-Platte-Bombay” oder gar irgend welchen veganen Tofuschnickschnack über der Glut wendet, dann denkt an meine Worte.
Hat denn keiner mehr eine Idee, was uns noch bleibt von den guten, alten Pseudowahrheiten mit denen wir aufwuchsen? Wie bitte?… Orga… was?!? Ach, Organisieren! Organisieren und zuverlässig sowie pünktlich sein!!! Ja ja, stimmt… das ist selbstverständlich auch KOMPLETTER BLÖDSINN! Bis 2006 zählte das sicherlich zur Kernkompetenz unseres Landes. Gib uns ne WM und wir bringen sogar die Stadien von Viert- oder Fünftligisten (->Leipzig) auf Weltniveau! Die Spielstätten waren pünktlich fertig, sahen schick aus und von der kleinsten Fanmeile bis zum größten Public Viewing hat alles wunderbar funktioniert. Sogar den Titel überließen wir – politisch korrekt – einem unserer großen Erzrivalen. Das waren noch Zeiten! Als kleinen Bonus nahm man sich und seine Geschichte noch ein wenig auf den Arm indem man ausgerechnet beim Bau der Autobahnen versagte (ich sage nur “A72 Chemnitz-Leipzig… die ist heute noch nonexistent)! 2013 bekommt der deutsche Michel nicht mal mehr eine popelige Konzertklitsche ans Elbufer gezimmert oder im Schwabenland einen Provinzbahnhof notdürftig renoviert. Von der Unfähigkeit in der Nähe der Hauptstadt auch nur halbwegs termin- und planungsgerecht einen Flugplatz zu eröffnen, welcher preislich auch bloß knapp unterhalb der Schmerzgrenze rangiert, möchte ich gar nicht erst anfangen. Vom planenden, zuverlässigen Deutschen wurden wir von unseren gewählten Provinzfürsten und ihrer Hybris in ein Zeitalter der Bauruinen hineinregiert. Es gab Zeiten, da mußte uns der Rest der Welt noch Jahre lang bombardieren um unsere Infrastruktur lahm zu legen, heute würden denen nach 14 Tagen praktisch die Ziele ausgehen.
Es gibt auch Leute, die denken, daß das alles doch ganz super ist. Kann man ja mal drüber nachdenken, vielleicht sind wir einfach zu “modern” geworden, wir Deutschen – sagen diese Leute. Wir haben uns – sagen sie weiter - von unseren überkommenen Abbildern und vergangenen Klischees emanzipiert und befinden uns in einer modernen, aufgeklärten und vor allem hoch entwickelten High-Tech-Phase unseres nationalen seins. “Deutschland 2.0” sozusagen. Wäre ja ganz nett, wird aber nix – sage ich! Diese Hoffnung hat uns ja die Deutsche Trottelkom mit ihren “Volumentarifen” kürzlich erst verhagelt. Leute wie ich, die anfangs noch mit dem 56K-Modem surften, dann über ISDN und DSL ins Flatratewunderland gelangten, die schlagen reihenweise die Hände über dem Kopf zusammen. Zwar bin ich nicht bei der Telekom (Gott sei Dank), aber wenn sich dieser Bockmist, den diese magentafarbenen Inquisitoren da verzapfen, durchsetzt, dann kann ich meinen Smart-TV mit meinen heiß geliebten Doku-Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen getrost wieder einmotten. Ich höre schon wieder den Satz “Schaaaaaa-haaaaaatz, geh’ mal raus aus dem Internet, ich muß dringend telefonieren!” durch die bundesdeutschen Haushalte tönen. Innovationsfeindlichkeit und wirtschaftlich-gesellschaftliche Rückschritte sind in Deutschland nicht mehr an das Vorhandensein einer wie auch immer gestrickten Diktatur gekoppelt, das erledigen heute solche Kaschperlekonzerne wie der rosa Riese von Rhein praktisch im Vorbeigehen.
Das wars dann wohl mit einem halbwegs konstanten, einheitlichen Bild unseres Landes. Als ich mich vorhin aber durch eine Zitatsammlung klickte, in der Reiseführer aus anderen Ländern ihren jeweiligen Landsmännern und Landsmännerinninnen Deutschland näher brachten, da erhielt ich schon alleine durch den Perspektivwechsel wieder ein ganz tolles Bild vom heutigen Deutschland. Wer sich nach den oben geschilderten historischen Inkonsistenzen ähnlich verunsichert sah wie ich, dem sei mit folgenden drei Aussagen über uns ein neues Gerüst gegeben um das er sein Deutschlandbild neu aufbauen kann.
1. "Deutsche verabscheuen Regelverstöße. Wer zum Beispiel auf Rolltreppen nicht wie vorgeschrieben rechts steht, wird angerempelt, umgerannt und angebrüllt." (USA)
2. "Lächeln Sie nicht zuviel in Deutschland. Deutsche brauchen einen Grund zum Lächeln, sind von Grund auf pessimistisch und genießen das. Wer zuviel lächelt, ist verdächtig oder verrückt." (USA)
und mein Favorit:
3. "Vermeiden Sie es in Deutschland Milch zu bestellen. Deutsche empfinden Milch auf dem Frühstückstisch als Zumutung." (China)
Na bloß gut, dass du nach Finnland auswandern wirst, da musste dich damit nicht mehr rumschlagen und kannst Kahvi schlürfen bis zum Herzkasper und öffentlich WLAN-surfen.
AntwortenLöschenGrüße! N.
Ach ja, fast vergessen - und MILCH gehört da zu jeder Mahlzeit einfach dazu.
LöschenIch hasse Kuhsaft.
AntwortenLöschenHehe, auf was für Ideen du so beim Abwaschen kommst... ;)
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