Montag, 16. September 2013

BEGGARS PRAYER

(Emiliana Torrini)

Habt ihr eigentlich gewußt, daß uns und unserem Ex-Exportweltmeister urplötzlich und quasi ohne Vorankündigung der Bolschewismus droht? Nein? Nächsten Sonntag solls schon los gehen! Das sage jetzt nicht ich, nein, das sagt die FDP. Und die, die weiß ja wovon sie spricht, das haben sie schon in vier (vor allem für uns) seeeeehr, sehr langen Jahren Regierungstätigkeit bewiesen. Wenn also das Kompetenzzentrum der deutschen Sozial- und Wirtschaftspolitik verlauten läßt “Wer Rot-Rot-Grün verhindern will muß der FDP die Zweitstimme geben!” (oder “Wär rodrodgüüh vahindanwill muss Fffdepäh wähle”), dann können wir als mündiger Bürger sicher sein, dass da auch was dran ist. Was da nun genau dran ist, das weiß ich allerdings auch nicht so genau – vielleicht ist es aber auch nur so ne Art Motto; so wie “Buchen sollst du suchen, Eichen sollst Du weichen!” Vermutlich – und da bin ich mir nun wiederum ziemlich sicher – hat es auch ähnlich viel Substanz.

Es ist doch erstaunlich, daß die Liberalen nach der schallenden Watschen in die fetten, deregulierten Backen, die der Sepp ihnen gestern verpasst hat, plötzlich komplett auf Inhalte verzichten. “Rot-Rot-Grün” als argumentativer Notnagel – wer das nicht will, der muß laut ihrer Argumentation FDP wählen. Hmm, nein, muß er nicht! Er kann auch CDU währen… ebenso wie er beruhigt SPD und Grün wählen kann. Denn bis auf den Bolschewismus selbst haben alle anderen Akteure eine Regierungsbeteiligung des Selben ja ausgeschlossen. Und weil jetzt nicht zwingend damit zu rechnen ist, daß  die Linke direkt den Regierungsauftrag aufgebrummt bekommt (so groß ist Hellersdorf dann nämlich auch nicht), dann können die wie die Rumpelstilzchen durch die Talkshows nach der Wahl springen, spielen wird mit denen eh keiner. Zumal die Grünen mittlerweile doch als einkommensstarke, bildungsbürgerliche Birkenstockelite zu der sie auf Bundesebene verkommen sind und als die sie sich auch selbst zu verstehen scheinen, mit linken Werten nur noch dann wedeln, wenn gerade nix anderes zu Hand ist – mit den Linken haben die doch ungefähr so viel zu tun wie Promi-Big-Brother mit Arte. Auch wenns abgedroschen ist, aber Rainald Grebe beschrieb es in seiner Hymne “Prenzlauer Berg” extrem passend: “Schwarz-Grün wird die Republik, hier ist sie es schon. In 4, spätestens aber 8 Jahren sehe ich so ein Bündnis auf Bundesebene durchaus als realistische Option. Und dann, DANN hat es für die Sozen aber auch gehupt. Na egal, wo waren wir? Ach ja, die Bolschewisten von der FDP. Mao Tse Brüderle und Wladimir Iljitsch Rösler verkünden zusammen mit ihrem Generalsekretär Zentralratsvorsitzenden Karl Dörinx seit gestern Abend mantraartig den Arbeiter und Bauernstaat 2.0. Freilich nur, wenn man sie nicht wählt, aber dann sieht man im blau-gelben Lager schon wieder die LPG-Traktoren über die Felder fahren und in Zwickau rollen noch vor Jahresfrist wieder die Trabanten vom Band. Aha!

Ich finde diese Art von Wahlkampf – vollkommen egal, welche Partei ihn betreibt – ist eine Frechheit. Bürger haben ein Wahlrecht um ihrem politischen Willen Ausdruck zu verleihen. Im Regelfall also für die Partei zu stimmen, die ihre Interessen am Besten vertritt. Das sollten sie auch tun; und zwar so zahlreich wie möglich. Die Parteien wiederum haben dann den Auftrag, die unentschlossenen mit Argumenten und Programmen zu überzeugen. So eine Partei – nennen wir sie beispielsweise die “SESuBP – die SuomiEvensche Schnitzel- und Blödsinns-Partei” – sollte so Sachen sagen wie:

“Wenn ihr uns wählt, dann malen wir alle Kühe rosa an!”

oder

“Wenn ihr uns wählt, sorgen wir für stabile Schnitzelpreise!”

oder von mir aus auch

“Für einen höheren Spitzensteuersatz für Veganer!”

… vollkommen egal, jedenfalls muß für mich eine Partei damit überzeugen, was SIE vorhat; was SIE MACHEN will. Einen Teufel an die wand zu malen, der zumindest in diesem Jahr ohnehin noch nicht an selbiger tanzen wird, das ist ein billiger Trick. Nur weil man selber offensichtlich keine die breite Masse überzeugenden Argumente hat – zumindest keine, die einem nach vier Jahren Regierung noch abgekauft werden – darf man meiner Meinung nach nicht zu solchen Taschenspielertricks greifen. Klar, die FDP nennt das “taktisch wählen” – Taktik am Arsch, Genossen!!!! Taktik ist für mich als Wähler, daß ich MEINE Interessen mit meiner Zweitstimme stärke, nicht eure. Selbst die CDU, mit der man ja noch regiert und von denen man ja rotzdreist die Zweitstimmen abziehen will, hat ja unversehens klar gestellt, daß die Dreiprozenter doch mal bitte selber für ihre Stimmen sorgen sollen und man sich diese Abwerbeversuche der Zweitstimmen verbittet – ich finde das gut.  Die sollen mal schön ausbaden, was sie sich eingebrockt haben. Ich hoffe, daß die Union das nochmal möglichst laut wiederholt, daß ihre Wähler dann doch bitte auch sie wählen sollen (viele hören ja auch schon nicht mehr so gut… ), nur um sicher zu gehen, daß keine auf diesen liberalen Blödsinn eingeht. 4 Jahre Parlamentsabstinenz hat man sich bei der FDP nämlich redlich verdient. Wer schon eine Woche vor der Wahl keine eigenen Themen mehr im Wahlkampf einbringen kann, tja, der sollte lieber gleich zu Hause bleiben.

Abschließend noch ein weiteres Ärgernis des gestrigen Abends. Neben der vollkommen ballaballa daher kommenden Panikmache mit einem Bündnis, das es so nicht geben wird, hat mich das ewige Gelaber von der “Stimme für die Freiheit” genervt. Die FDP stellt sich hin, als sie sie in Deutschland der einzige Garant für eben jene. Der Slogan an sich ist ja schon vollkommen inhaltsleer – “Freiheit”, “Freiheit” in welcher Hinsicht!? Freiheit zur institutionell unbeeinflußten Sockenwahl am Morgen? Quatsch mit Soße ist das doch! Was meinen die denn, was die anderen (ernst zu nehmenden) Parteien sind – verfassungswidrig? Vollpfosten! Wahrscheinlich hat man sich intern in der FDP schon derart in dieser Bolschewismus-Rhetorik vergaloppiert, daß man sich selbst als so eine Art “Uncle Sam” begreift, der dem fehl geleiteten, weil nicht mehr liberal wählenden, Stimmvieh auf Gedeih und Verderb die Freiheit bringt – ob das nun gewünscht ist oder nicht. Freiheit braucht man in Deutschland aber nun wahrlich nicht spezifisch wählen, die hat man in ihrer grundlegenden Ausprägung so oder so. Alleine die Stimmabgabe verstehe ich als Votum für die Freiheit, egal für welche Partei (mit einigen scheißbraunen Einschränkungen natürlich). In einigen Teilaspekten unterscheiden sich die Parteien dann sicherlich noch was ihr “Freiheitsbild” angeht, aber grundsätzlich geht es uns hier doch gut, wenn man sich den Rest der Welt anschaut. Und die “Freiheit” mich aus gesetzlich verpflichtenden Sozialversicherungssystemen zurück zu ziehen, nur weil mir gerade mal so ist, ich sie gerade nicht brauche aber die langfristigen Folgen eh nicht abschätzen kann – diese Form von “Freiheit” möchte ich nicht mal geschenkt haben wenn ich in Länder blicke, die das schon haben. Die kann sich der Döring in die Haare schmieren – der alte Klassenfeind!

PS: Wer verfolgen will, wie sich das Gebettel um Zweitstimmen von Menschen, die einen sonst nicht wählen würden, ausnimmt, dem sei der Twitteraccount von Herrn Döring ans Herz gelegt. Ich bin der Meinung, daß diese Art von Wahlkampf für eine gut aufgestellte demokratische Partei würde- und stillos ist.

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