Donnerstag, 10. März 2011

ICH TU DIR WEH

(Rammstein)

Heute gibts mal wieder einen Klassiker, den ich aus meinem "alten" Blog herüber retten möchte, bevor ich diesem das Licht ausblase. Am 20.10.2009 ereilte mich ein gar gruselig Schicksal, welches ich wie folgt verarbeitete:

Moinsen! Ich muss mich jetzt mal aufregen hier! Es ist ja schon ein alter Hut, dass deutsche Musik, zumindest in der radiorelevanten Breite, nicht sonderlich anspruchsvoll ist. Von Qualität möchte man angesichts der hiesigen Radiolandschaft und ihrer Verbrechen am Trommelfell ja eh kaum mehr reden. Aber von Zeit zu Zeit wird es nun mal besonders grausam! Da sich mein Uralt-Adapter grade frisch verabschiedet hat, bin ich statt auf meinen MP3-Player derzeit auf das Radioprogramm angewiesen. An sich ja nicht schlimm, auch mit der Dauerrotation von den Kings of Leon oder The Gossip könnte ich gut leben (mit diesem „Rusted from the Rain“ Schmonz von Billy Talent zur Not auch noch), aber manches, was da so aufkreuzt, verstößt echt gegen die Genfer Menschenrechtskonventionen. Nehmen wir mal heute Abend. Als ich nach nem mehr oder weniger stressigen Arbeitstag das KfZ betrat, ging die Hand reflexartig zum Radioknopf… das hätte sie mal lieber gelassen! Was mir da entgegenströmte, ja vor lauter Schmiere förmlich aus den Lautsprechern siffte, das machte aggressiv! Wer hat eigentlich festgelegt, dass „Ich und Ich“ eine ernst zu nehmende Band sein sollen, die man mit Verweisen auf „intelligente Texte“ anmoderieren darf! HÖRT MIR BLOß AUF! Die sind die Rosamunde Pilcher für die Ohren… nur halt ohne Irland! Und was macht Rosamunde Pilcher Filme erst sehenswert? – Richtig! – Irland! So einen hoffnungslos dusseligen Haufen von aneinander gereihten Phrasen ohne jedwede Aussagekraft, untermalt mit einem Weichspülbeat der selbst für einen Pop-Song noch zu glatt ist, habe ich ja seit Blue System nicht mehr gehört. GRAU – SAM! Nun gut, vielleicht ist das momentan auch einfalsch der falsche Zeitpunkt um mir so was anzuhören, wo sowohl die neue Alice In Chains als auch das jüngste Rammstein – Machwerk nebst den Eagels of Death Metal (heiiiiii… war das schöööön!) meine Ohren erfreuen. Aber andererseits: Scheißmusik bleibt nun mal Scheißmusik, tut mir leid! Lasst uns mal einen Blick auf die textlichen Auswüchse dieses ganzen Humbugs werfen:

„Ich hatte schon längst keine Hoffnung mehr
Doch jemand hat dich geschickt, von irgendwo her“


Joa… interessant. Redet der Knilch da von der Inspiration? Falls ja, frage ich mich allerdigns auch, wo zum Geier die herkam!

„Ich wusste nicht mehr genau was zählt
Nur: es geht nicht mehr weiter, wenn die Liebe fehlt“


Ei, hier haben wir scheinbar das Leitmotiv entdeckt: Liebe! Das ist ja nun mal ne originelle Idee finde ich, gibt eh zu wenige Pop-Songs die sich um „Liebe“ drehen, da kann man diese Marktlücke schon mal dreist besetzen!

„Du bist das Pflaster für meine Seele
Wenn ich mich nachts im Dunkeln quäle“




„du legst dich zu mir wann immer ich frier’
Im tiefen Tal wenn ich dich rufe, bist du längst da.“


Soso, kalt ists also, wenn Mann schon davon singt, dass Frau ihn wärmen muß, das ist ja so was von „Softie“… schenkt dem Typ Socken! Außerdem entlarvt diese Textzeile auch, wen das „lyrische Ich“ mit Liebe personifiziert, denn: „Drunt im Tal, da sitzt der kleine Ottiliiiiii“



Und nun folgt das absolute HIGHLIGHT des Schwachsinns, textlich gesehen versteht sich. Ja, ich würde es sogar mal als meine „Lieblingsstelle“ bezeichnen. Solch poetische Höchstleistungen fabriziert sonst nur der Dadaismus… nur dass der in gewisser Weise die Sinnleere zum Selbstzweck gemacht hat. Vorhang auf:

„Ich hatte schon längst den Faden verloren,
es fühlte sich an wie umsonst geboren,“


Treffer! Versenkt! Umsonst geboren, is klar! Ist es eigentlich legitim (mal abgesehen davon, dass die Reime generell gequälter rüberkommen als ein Masochistenkongreß in Japan), da nach einer genaueren Definition zu fragen?!? Mir könnte man das ja schon mal erklären, was „umsonst geboren“ ist und vor allem wie sich so was anfühlt. „Dumm geboren“, ja, das könnte ich ja noch einordnen, aber „umsonst“? Kafkaesk!!!

„Und jetzt die Gewissheit, die mir keiner nimmt,
wir waren von Anfang an füreinander bestimmt“


Das ist ja schön… eben noch gejammert, jetzt wird schon wieder fröhlich gesülzt! Come mal back ins Real Live du Noob!

„Bevor du kamst war ich ein Zombie,
gefangen in der Dunkelheit“


So, ein Anflug von Coolness durchstreift das labbrige Songgebilde, „Zombie“, das versprüht einen modrigen Charme, eine gewisse Trashigkeit und blutrünstige Rockerattitüde. Ja, was keiner gemerkt hat: Ich und Ich sind feinstes Doom-Metal! Noch nie wurde der Begriff „Zombie“ so missbraucht!
Zum Abschluß gibt’s dann noch mal einen (den dritten) Hinweis auf die SM – Fixierung des einen Ichs. Unterbewußt wird hier wieder eine Analogie auf die Peitschenpetra eingebaut, die im roten Ledercatsuit die Gerte schwingt um die Verfasser dieses Machwerkes („böser Junge“) angemessen zu maßregeln:

„du holtest mich aus meinem Käfig,
dein heißes Herz hat mich befreit.“


Käfig, ja wäre er doch besser drin geblieben.

Schlimm, das so was derzeit hochgejubelt wird, als wäre es der Weisheit letzter Schluß und das Beste, was die deutsche Musikszene so hervorbringt. Zudem sieht man Kollegen Weichspül mit seiner Mitsing-Ische ja auch noch als „tiefgründig“ an. Nach dieser Nummer ist das für mich vollkommen unverständlich. Da bietet doch die Inhaltsangabe meines Waschmittels mehr Spielraum für sinnvolle Interpretationen als dieses musikalische Verbrechen am guten Geschmack. Passend, dass dieses erbarmungslose Gesülze dann auch noch ohne den Anflug einer melodiösen Steigerung (geschweige denn einer hörbaren Drumline) auskommt. Vielmehr schiebt sich der Klangbrei zäh über die Gehörgänge und schleppt den sinnfreien Text gleich mit, bis beide gemeinsam irgendwo in einem nicht gerade einfallsreichen Fade-Out in der Bedeutungslosigkeit versickern!
Es ist doch nun wirklich nicht zu viel verlangt auch nur halbwegs aussagekräftige Texte zu schreiben… ich meine: Das ist doch deren Muttersprache, damit sollte man doch was anfangen können was über „umsonst geboren“ hinaus geht! Oder ist das zu viel verlangt, lieber „lyrischer Ich“?!?

PS: Retro-BlaBla:

3 Kommentare:

  1. Siehste, auf alte langweile Posts kriegste auch keine Kommentare!

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  2. Ach hör' doch auf... ich rette hier wichtiges Kulturgut!

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  3. Das liegt nur daran, dass ich nicht da war gestern und vorgestern. Heute kriegst du wieder einen, wenn auch nachträglich.

    Grüße! N.

    PS: Über das besprochene Liedel habe ich mich auch schon mal schrecklich aufgeregt. Ist aber zum Glück alles schon lange her - nun ja, aber scheinbar nicht vergessen.

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