Freitag, 30. November 2007

WE ARE THE ROAD CREW

(Motörhead)

Prost! Na dann... dem ganzen Rumgespame zum Trotz möchte ich hier mal die informationelle Unterversorgung brechen und als musikalischer Kriegsberichterstatter fungieren. Es gibt nicht mehr viele Abendteuer auf unserer heutigen welt. Der Nordpol ist durchwandert, der Südpol nicht minder, auf dem Everest haben mittlerweile schon Hubschrauber geparkt und selbst auf dem Mond hat der großimperiale Vernunftverweigerer im Nationalstaatlichen Pelz sein Streifenfähnchen nebst Besternung gehisst. Erbarmungslos ALLES wurde entdeckt, durchwandert, erobert, kartografiert und am Ende oftmals sogar meistbietend versteigert. Und da dies zumeist (Sorry Frau Schwarzer, aber die Geschichte können nicht mal sie ändern) von Männern getan wurde, etablierte sich mit der Zeit so ein “conquestadorisches Defizit” bei uns Bartstoppelfetischisten. Da steht man nun mittlerweile da mit seinem überhöhten Testosteronspiegel und guckt, bildlich gesprochen, wie die Sau ins Uhrwerk... kein Berg noch unbestiegen, keine Wüste undurchwandert und kein Ozean mehr, den es zu überpaddeln gilt. Blöd... saublöd sogar. Was bleibt denn dann noch um sich von der schweinchenrosa “gedressten” Masse dieser faltengecremten Gucci-Metros abzuheben? Wo kann Mann heute noch Mann sein, ohne sich gleich mit einem Rudel Feministen rumplagen zu müssen, welche hysterisch “Unterdrückung” kreischen, nur weil man irgendwo das politisch korrekte “/-innen” hinter “Vollwaschautomat” vergessen hat?!? Viele gibts da nicht mehr, aber nichts desto trotz gibt es sie noch, diese archaisch anmutenden Rückzugsorte des patriarchalen Habitus. Worauf will ich nun hinaus? Naja, am 30.11.2007, also letzten Freitag, war mal wieder Konzertzeit beim Onkel! Wie fast immer besuchten meine Schwester und ich gemeinsam ein musikalisches Event der Superlative, allerdings eines, was dem Außenstehenden nicht als solches auffallen würde... und zum Henker nochmal: das ist auch gut so! Es ging nach Erfurt, es ging in die Thüringenhalle, es ging zu Motörhead!
So begaben wir uns dann auch gegen Abend zunächst auf die Autobahn gen Erfurt und schließlich dann auch zur erwähnten Thüringenhalle, im Schlepptau eine Autoladung Freiberger, welche uns als Konzertgänger identifiziert hatten und uns sogar dann folgten, wenn wir uns spektakulär verfuhren! Am Ende jedenfalls rollten wir sicher und zeitnah vor der Thüringenhalle ein und fanden noch ein lauschiges Plätzchen zum Parken; gegenüber turnten drei Typen auf ihrem alten VW rum und fotografierten sich gegenseitig dabei, wie sie bierselig vom geschundenen Gefährt herunter winkten. Meine Schwester beschlichen leichte Zweifel ob das wirklich eine so gute Idee war sich diese Karten zuzulegen. ;-) Also wir das Auto verließen um die nähere Umgebung zu erkunden, kamen so leise Festivalerinnerungen hoch muß ich zugeben... überall Autos, überall gröhlende, halbbesoffene Gestalten in Lederjacken bzw. Jeanswesten und die Zäune um den Parkplatz herum waren gesäumt von... na ihr könnt`s euch sicherlich denken! ;-) Jedenfalls warteten wir noch ab, bis der erste Ansturm auf die Einlaßtüren vorbei war bevor wir die Halle betraten. Kurz noch vom optisch recht faschistoid anmutenden Security-Heiner nach Waffen abfummeln lassen und schon stand man am Fuße einer Treppe; und genau hier ging es dann eigentlich so richtig los, das “Erlebnis Motörhead”! :-)
Wie erwähnt standen wir am Fuße dieser Treppe und blickten auf zwei weit geöffnete Flügeltüren aus denen dicker, blaugelber Qualm quoll. Selbiger wurde von ein paar Bühnenscheinwerfern noch illuminiert und von plärrenden Trash-Metal-Bässen von Vallient Thorr, der ersten der drei angekündigten Vorbands, durchschnitten. Der Weg die Treppen hinauf hatte etwas seltsam Befreiendes, die Metapher vom Licht am Ende des Tunnels traf, rein optisch, ziemlich genau zu. Als wir die Tür durchschritten fanden wir uns prompt in einer anderen Welt wieder. “Schön hier” dachte ich... “wo ist der Bierstand?” Nach alt bewährter Manier mal kurz die Lage gescheckt... aha: Merchandise rechts, Bier links! Mehr muß man eigentlich erstmal nicht wissen auf einem Motörhead-Konzert. Eigentlich gehört die Reihenfolge noch umgekehrt... oder noch besser: Bier links, Bier rechts! Das würde auch genügen. ;-) Na jedenfalls durchwanderten wir zunächst die Halle und schnappten uns jeweils ein wohl temperiertes Kösti (Vorbildcharakter: gutes Bier auf Rock-Konzerten!!!) Und mischten uns während Vorband Nummer 2, Skew Siskin, unters Volk. Nette Musik, schön dreckig!! ;-). Dann war das Bier alsbald leer, ein weiteres gabs nicht, ich mußte ja fahren, und bevor mit Overkill die letzten Einheizer die Bühne betraten, sah ich mich gezwungen die sanitären Einrichtungen zu erkunden. Dies nahm auch die komplette Umbau-Pause in Anspruch, bei vll. 3500 Zuschauern, von denen gefühlte 3400 männlich waren, kam es zu gewissen Verzögerungserscheinungen. Doch auch dieses Abenteuer war am Ende gemeistert und so gesellte ich mich wieder zu meiner Schwester und wir ließen Overkill über uns ergehen. Schlecht waren sie nicht, wirklich, aber langsam wollte man dann doch den Genossen Kilmister die Bühne betreten sehen... zumindest gings mir so. ;-) Overkill, so viel sei noch gesagt, klingen rein musikalisch etwas wie die frühen Metallica, nur der Gesang ist dann etwas abgedrehter. Zum Schluß ihrer Performance durften wir, the audience, den auch schon recht betagten Mannen da vorne noch kollektiv das eine oder andere “Fuck You” entgegen brüllen... die wollten`s so, kann ich auch nix dafür! ;-) Es war aber schon schön die Kerls dann verschwinden zu sehen und mitzuerleben wie langsam aber sicher der Main Event nahte.
Ein geradezu monströses Drumkitt wurde enthüllt, zwei Mikros in Gefühlten zweimeterzwanzig` Höhe aufgestellt und über allem thronte dieses undefinierbare Vieh (wie soll mans denn sonst nennen?!?), welches seit gut 30 Jahren als Bandlogo herhalten muß. Herrlich... langsam breitete sich auch im gesamten Publikumsraum eine gewisse Unruhe aus. Ach ja, es muß vielleicht noch kurz erwähnt werden, dass das, was sich “Thüringenhalle” nennt, unterm strich nichts weiter ist als eine große Turnhalle mit Bühnentrakt. Schön abgewrackt, schön schmutzig und zum Anlass vor allem PASSEND! Die Horde der Langlot`schen um uns herum begann jetzt Bier zu bunkern, ich will im Nachhinein nicht wissen, wie viele Dudes uns mit einem halben Durtzend Bierbecher in der Hand passierten und nach vorne pilgerten... es waren jedenfalls ne Menge. Ich, der ich auch ohne Bier extrem evil wirken wollte, aß inzwischen Mentos! ;-)
Das Licht erlosch dann alsbald und da kamen sie endlich auf die Bühne gelatscht. Lemmy, rockendes Unikum und warzengespicktes Synonym für seine eigene Band allen voran. Er trat ans Mikro und... naja, stellt euch vor ein Bulldozer hätte Stimmbänder. Jedenfalls klang das obligatorische “We are Motörhead!! And we play Rock `n Roll!” nicht gerade wie vom Mann aus der Bertolli-Werbung dahin gesäuselt ;-)! Das wars dann erstmal schon mit Begrüßung, was folgte war eine Wand aus Schall! “Dr. Rock” fegte durch die Halle... laut wars, das wußten wir, aber wir hatten es lauter erwartet muß ich gestehen. Nach diversen Warnungen von Motörhead-Veteranen hatten wir sicherheitshalber Oropax erworben um uns im Fall der Fälle zu schützen (der zwar eintrat, von uns aber tapfer ignoriert wurde). Aber es ging ja auch, NOCH... denn nach dem Dritten Song wurde eine Steigerung angekündigt und auch umgesetzt. Lemmy malträtierte seinen Bass, knurrte ins Mikro und ölte sein Stimmchen bei Bedarf mit dem bereit stehenden Jacky nach... HELL YEAHR!!!! Genau DAS, was wir erleben wollten. Der Hallenboden um mich herum schien sich binnen der ersten 5 Songs nur so mit Plastikbechern gefüllt zu haben. Außerdem roch es überall nach Bier und das Parkett klebte elendig. Das Ambiente hatte sich der Band sukzessive angeglichen und nach wenigen Songs konnte man nur zufrieden lächelnd fest stellen, dass das alles noch klischeehafter war als man es sich vorzustellen wagte; und dass das auch verdammt gut so war! Um einen herum verschwammen die langhaarigen, Bierbecher haltenden und moshenden Gestalten in einem Brei aus Zigarettenqualm und Bühnenrauch, man watete fast knöcheltief im Gerstensaft und vor einem prügelte einem die “hässlichste Band der Welt” (Kommentar Lemmy auf die Frage hin, ob ihm diese Wahl weh`tut: “No, it`s obvious!” *am Whiskey nipp*) “Born to Raise Hell” entgegen. Nebenbei bemerkt eines der Highlights für mich, da dieses Teil auf meiner Wunschliste ganz oben rangierte. Ich möchte hier jetzt nicht die ganze Setlist wieder herbeten, ehrlich gesagt bekomme ich das sowieso nicht hin, dazu fehlt mir auch ein Stück weit die Kenntnis aller gut 20 Studioalben... außerdem sollte das dann doch den Pearl Jam Konzerten vorbehalten bleiben. :-) Ein paar Perlen seien aber doch erwähnt. Zumal mich, wie eben bei “Born to Raise Hell”, mein Setlistglück mal wieder nicht im Stich ließ. Abgesehen von Düsseldorf (“Betterman”) bekam ich irgendwie immer meinen Nr. 1 Song vorgedudelt am entsprechenden Abend. (In Düsseldorf war eh alles anders, da kamen Sachen, an die man nicht mal gewagt hat zu denken... von daher zählt das eigentlich nicht wirklich).
Man kann Lemmy und Co nicht vorwerfen, Zeit mit Gelaber zu verschwenden, hin und wieder wurde etwas Semiverständliches vom großen Meister ins Mikro genuschelt (vorzugsweise um genug Zeit zu haben ausgiebig am Jacky zu nippen) bevor uns das nächste Brett um die Ohren geschossen wurde. Besonders bei “Killers” gings dann zur Sache, schön druckvoll vorgetragen, und Schrankwand Lemmy stand nahezu regungslos am Mikro während er die Vocals heiser ins Mikro röhrte. Sehr niedlich war im Übrigen die Lightshow, OK, die Lampen bewegten sich ein wenig, aber selbst das taten sie vollkommen asynchron zu Musik. Doch das stört nicht, erstens weil es eben ins Bild dieser rohen, dreckigen, aufs nötigste reduzierten und das dann aber auch exzessiv auslebenden Rock `n Roll Band passt; und zweitens weil Motörhead das auch gar nicht nötig haben mit irgendwelchem technischen Gepose zu hantieren. Irgendwann nach “Iron Fist”, wahrscheinlich in der Pause vor dem Zugabenblock, kam man dann dazu ein erstes Resümee zu ziehen, seine Ohren zu suchen (wider erwarten waren beide noch da) und sich mental auf einen brachialen Einstieg ins Encore vorzubereiten. Erwähnenswert wäre vielleicht noch Mikkey Dee, der Drummer. Bei seinem ausgiebigen, bestimmt 7 minütigen Drumsolo, blieb einem schlicht und ergreifend die Spucke weg. Gut, wer Dave Grohl schon mal live an der Schießbude erlebt hat (STRIKE!!! :-) ), der hat schon einen schier unüberbietbaren Referenzpunkt im Schädel...; aber was dieser Schwede da veranstaltete, das war auch ganz großes Tennis. Nachdem er während seines Solos ein gutes Dutzend Drumsticks verschliss (kein Scherz... die Dinger flogen von seinem Hochsitz wie Raketen aus ner Stalinorgel), kochte die Halle. Aber wir waren beim Zugabenblock, dieser begann allerdings nicht wie erwartet mit noch mehr Haue für das Trommelfell, sondern (man mags ja kaum glauben), damit, dass Lemmy und seine zwei Schergen mit Akustikgitarren die Bühne betraten und gesittet Platz nahmen. Wir schauten uns nur irritiert an, damit hatten wir schlichtweg nicht gerechnet. Was nun kam, war einfach nur köstlich: Mr. Kilmister raspelte uns beschwingt den “Whorehouse Blues” in die Gehörgänge und griff dabei auch noch zur Mundharmonika. Sehr geil!!!
Zum Ausklang des Abends gabs dann aber noch zwei Mal musikalische Roh-kost, unter anderem “Ace of Spades”, was die Halle selbstredend wieder zum sieden brachte. Am Schluß erging noch, neben der Bandvorstellung, der Aufruf: “Don`t forget us! We are Motörhead... and we play Rock and fucking Roll!!!” mit der obligatorischen “You`ve been the best audience of the tour!”-Lobhudelei (Natürlich, meine Schwester und ich waren ja da, das adelt per se schon mal JEDE audience! ;-) ). Den Ausklang bildete dann infernalisches Motorengekreisch und Gequietsche (ebenfalls traditionell versteht sich). Wir verließen nach der Show die Halle und wunderten uns zu allererst, dass es auch Luft gibt, die man nicht kauen kann. Die Heimfahrt war dann mit einem leiden Nachpfeifen im Ohr und einer umfangreichen Auswertung dieses Abends, nein, nennen wir es ruhig ABENTEUERS verbunden. Vergeßt doch den Everest oder das sinnfreie Durchwaten von irgend welchen Wüsten, ohne Ohrstöpsel bei Motörhead... DAS sind die wahrhaft Harten! ;-)
Auch wenn ich mich hier wiederhole, aber die Entscheidung sich diese Urgesteine mal persönlich anzuschauen, die kann gar nicht falsch gewesen sein! Sowas muß man eigentlich mal erlebt haben, anders kann man es nicht sagen. Der ganze Text da oben ist unterm Strich nicht annähernd dazu geeignet ein Motörhead-Konzert auch nur halbwegs treffend zu beschreiben. Lange keinen so herrlich dreckigen Konzertabend mehr erlebt, Schweinerock at ist Best! Außerdem wurde mal wieder deutlich, was der heutigen Jugend fehlt: ein angemessenes Bild von Männlichkeit! Wenn man bedenkt, dass da vorne drei 60jährige, angeführt von einem langhaarigen Engländer mit aufgeknöpftem Hemd, Cowboystiefeln und nem Brummbass in der Hand, die Thüringenhalle ohne große Gesten in einen Testosteronspringbrunnen verwandeln... dann wirkt doch das, was heute als “Vorbild” fungiert dagegen lächerlich. Dieser Sido und die ganze Hip-Hopper-Brut, welche sich Masken aufsetzt, pseudofinster ins Mikro schaut und irgendwelche Proletentexte zur Schau trägt in ihren Baggypants und all den brilliantenbesetzten Goldketten, das sind doch im besten Fall noch massenmediale Drag Queens gegen Motörhead! Der Lächerlichkeit preis gegeben durch selbst verschuldete Kasprigkeit! Während ein beliebiger, weil austauschbarer, Möchtegerngangster aus der Aggro-Welt in seinem kunterbunten Kitschvideo davon schwärmt wie er drei “Bitches” im “Club mit Fuffies” bewirft, bis diese ihm in seiner Limo zu Diensten sind, nimmt der Lemmy doch stillschweigend die ganze erste Groupiereihe backstage mit unter die Dusche. Der Unterschied ist nur, dass er seine Energie nicht auf dieses zwangsneurotische Gepose verschwendet, der konzentriert sich noch aufs Wesentliche *fg*... Lemmy ist so, Lemmy bleibt so! Man nimmt den Kerls das halt alles ab, im Gegensatz zu den rappenden Wohlstandsghettoisten aus der Hauptstadt... affektierte Heinis!
Na wie dem auch sei, wenn Motörhead in eure Nähe kommen: schaut`s euch an, hört`s euch an, dann wißt ihr was ich meine! Mein letztes Motörhead-Konzert wird es hoffentlich nicht gewesen sein, meine Schwester sieht`s ähnlich. Also dann Leute... Rock`n Roll!!!!!! ;-)