Samstag, 8. Juni 2013

I’M DESIGNER – Wahlkampfanalyse zur Oberbürgermeisterwahl Chemnitz 2013

(Queens of the Stone Age)

Wir schreiben das Jahr 2013 und das Raumschiff Deutschland steuert unaufhaltsam auf ein Wurmloch zu… ein Wurmloch, namens Wahlen. Auf allen Decks machen sich vom kleinsten Fähnrich bis hin zur holzbeinigen Kapitänsmutti mit ihrer blaugelben Nullnummer auf der Schulter die Besatzungsmitglieder bereit für einen Kurswechsel. Oder eben auch nicht. Wahrscheinlich eher nicht, mal abgesehen von der FDP natürlich, die haben sich in den letzten Jahren quasi freiwillig in den luftleeren Raum gebeamt.

Ihr wißt ja, was das alles bedeutet: Wahlwerbung! Plakate! Und natürlich jede Menge Lügen, Worthülsen und verbales Arschgekrieche von Leuten, die noch am Wahlabend diesbezüglich einer kompletten Amnesie anheim fallen und sich die nächsten vier Jahre wieder munter vor allem die eigenen Taschen füllen. Nun, wir hier, in Three-O-City, der selbst ernannten “Stadt der Moderne” (ich verweise hier gern auf DIESEN Post), sind wir dem Rest des Landes mal wieder um Meilen voraus. Anders ist es wohl auch nicht zu erklären, daß hier schon einen Tag nach Einsetzen der Flut der hiesige Krisenstab schon vom Ministerpräsidenten UND vom Innenminister gleichzeitig von seiner Arbeit abgehalten wurde. Das gab dann schicke Bilder in der Tagesschau mit einer geschwind durchs Bild huschenden Oberbürgermeisterin (die allerdings irgendwie nicht so wirklich zufrieden wirkte mit der Situation) – wahrscheinlich war sie die Einzige, der bewußt war, daß so ein Krisenstab besseres zu tun hat als als Kulisse für die Selbstdarstellung von Landes- und Bundespolitikern zu dienen. OK, und sie bekam halt auch keine wirkliche Screentime – vielleicht lags auch daran, so kurz vor der Wahl. Denn darum geht es. Nächsten Sonntag wählt Three-O-City sein neues Oberhaupt.

Bereits vor Wochen wurde die Kandidaten von ihren Adjutanten an diversen Laternenpfählen aufgehängt. Ü-ber-all! Es nervt gewaltig, denn man kann nirgends mehr hin, ohne daß einen ein gephotoshopter Provinzpolitiker angrient. Mich nervt das langsam, vor allem, weil auf dieser niederen Eben der Lokalpolitik der Wahlkampf derart uninspiriert und langweilig ist dieses Jahr… es ist zum Einschlafen! Ich meine: Wir sollen hier einen neuen Oberbürgermeister wählen bzw. die alte OBin bestätigen und keiner, aber wirklich niemand gibt hier auch nur andeutungsweise eine klare Aussage ab, für was er denn steht. Daß das auf Bundesebene nicht gemacht wird – geschenkt; das ist man ja gewöhnt und man kriegt wenigstens Kugelschreiber und Luftballons geschenkt – vielen Deutschen reicht das schon für “four more years”. Aber hier in der Stadt könnte man ja mal sagen, was man konkret tun will. Egal was, es kann noch so klein sein, wie zum Beispiel die Parkgebühren in der Innenstadt senken oder den Stadtpark sauber halten – irgendwas, mir würde ja schon reichen, wenn einer verspricht in der Stadtbibo Gratisbonbons auszulegen… ich will nur etwas handfestes, einen Programmpunkt! Sicher wird jetzt der eine oder andere kommen mit “Wir halten doch Wahlkampfreden, geh doch hin und informiere Dich… .” Könnte ich tun, werde ich aber nicht. Ich habe nämlich 1. keine Lust, mich in irgend so eine Spelunke zu begeben, nur um jemanden von der FDP zu sehen, das kann ich auch in der Heute-Show; und 2. müßte man dazu erst einmal wissen, wo die steigen, da sind die Parteien nämlich auch sehr zurückhaltend in ihrer Informationspolitik. Außerdem: von ca 240.000 Einwohnern, wie viele erreicht man wohl mit solchen komischen Reden zu denen 90% des Publikums eh die eigene Stammwählerschaft stellt und wie viele würde man mit einem guten Wahlkampfplakat erreichen, das überall in der Stadt aushängt? Wie viele würde man mit so einem Plakat vll. sogar neugierig machen auf so einen öffentlichen Wahlkampfauftritt?

Der aktuelle Wahlkampf ist einfach nur langweilig und wirkt von allen teilnehmenden Parteien derart gelangweilt geführt, daß ich mich nicht wundern würde, wenn die Wahlbeteiligung noch unterhalb der Umfragewerte der Bundes-FDP rangieren würde… und die tendieren ja bekanntlich schon (vollkommen zu Recht) gegen Null. Ich glaube, ich zeige euch mal, was ich meine.

1. Die Grünen:

Grüne

“Einmischen”. Viele kennen das nur vom gepflegten Skatabend, die Grünen bauen darauf einen schwer zu verstehenden Imperativ in Wahlplakatform. Hat man auf Bundes- oder Landesebene noch mit bestechender Regelmäßigkeit die knackigsten, cleversten Wahlplakate abgeliefert, so bekommt der örtliche Ökohippie-Besserverdiener-Bund nichts Besseres hin. Enttäuschend! Überhaupt, als Kandidat soll man sich nicht “einmischen”, man soll ändern wollen, gewinnen wollen. Etwas besser machen (am besten vieles). Auch die Aufzählung darunter wirkt vollkommen zusammenhandlos.

Volkmar Zschcoke – Oberbürgermeisterwahl – 16. Juni 2013

Das wirkt derartig lieblos hin geklatscht, daß man sich damit ganz bestimmt nicht von der Konkurrenz abhebt. Ein Plakat, fader als jedes vegane Biogemüseschnitzel! Setzen, Hippies!

2. Die Linken:

Lefties

Er wirkt ja wenigstens optisch sympathisch, der Marxisten – D’artagnan. Ansonsten ist “Für ein starkes Chemnitz” aber auch nicht gerade der größtmögliche Brüller als Slogan. Wie “stark”? So im übertragenen Sinne, oder verteilen die Linken jetzt Hanteln an die Einwohner wenn sie gewinnen? Vielleicht aber auch mehr so im Sinne von “der Unglaubliche Hulk”, würde zumindest zum Erscheinungsbild der Plakate nach 2 Wochen Dauerregen passen. Denn das hier rettet nur Photoscape, durchgeweichte Plakate lassen den Herrn Runkel in einem zombiehaften Grün daher schimmern… man sollte vielleicht beim nächsten Wahlkampf aufhören die alten Klebstoffe aus DDR-Beständen aufzutragen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß die Linken noch Plakate mit etwas haben, das sie selbst wohl als “Slogans” bezeichnen. Aber bitte, wenn ich als Wähler konkrete Aussagen zur Zukunft der Stadt will, was soll mir dann so was hier sagen:

LEfties 2

“Raus aus dem Wasser” hätte wohl besser gezündet.

3. CDU:

Holland

Rein optisch haben die sicherlich das Meiste investiert. Das Design wirkt noch am Ansprechendsten und irgendwie “wärmer” als die der anderen. Aber sonst??? Grinseonkel vor Fenster mit komischer Bubbelblume unten links… da könnte man jetzt auch nen Eimer Schrauben hin stellen, der währe ähnlich charismatisch. Alles, was an Infos rüber kommt ist “Ihr Kandidat” (ich will den aber nicht haben) und “CDU”. Na und? Wofür steht denn “mein” Kandidat der CDU? Hmmm, kann er mir auch nicht sagen. Dieser Slogan “Chemnitz kann mehr” ist genau so eine leere Worthülse. Er müßte sagen “Ich kann für Chemnitz mehr als…  weil…“ das wäre zumindest mal ne Ansage. Aber so: leeres Geschwurbel. Was noch bemerkenswert ist an diesem Plakat ist, daß hier die Partei relativ zum Kandidaten in den Hintergrund tritt. Wenn ich tippen müßte, würde ich mal vermuten, daß sich der Ortsverband hier mal richtig nen Kopf gemacht hat, wie sie ihren Kandidaten in den Vordergrund stellen können. Die anderen haben einfach nur das 0815-Konzept ihrer jeweiligen Partei optisch 1:1 abgekupfert. Ansonsten sollte noch erwähnt werden, daß der Kerl noch ein großes Wahlplakat hat, wo er mit zwei Kindern abgebildet ist… vom Kreativitätslevel auch eher so medium. UND: Kein QR-Code bei dem.

4. SPD

SPD

Die Titelverteidigerin quasi. Bei ihr weiß ich nicht, ob das Plakat langweilig und uninspiriert ist, oder ob es einfach nur selbstbewusst daher kommt. Ähnlich wie damals “Willy wählen” wird hier nur darauf abgezielt, ein Gemeinschaftsgefühl zu formen. Nicht irgendeine Oberbürgermeisterin – nein unsere Oberbürgermeisterin. Sie hat natürlich auch den Vorteil, daß sie das “weiter wie bisher” mitschwingen lassen kann, sie muß keine großen Versprechungen machen, denn dann würde sie ja zugeben, etwas falsch gemacht zu haben in den letzten Jahren. Vor daher sehen wir es mal als Zeichen für angestrebte Konstanz, daß die Kampagne so altbacken daher kommt. Interessant finde ich auch die Internetadresse links oben. “Chemnitz 2020”? Ich dachte, wir wählen schon dieses Jahr? Oder soll das etwa ein gewisses Maß an “Visionärstum” andeuten? Ein größeres, höheres Gesamtziel? Übrigens auch hier kein QR-Code.

(Anm.: Das mit den “fehlenden” QR-Codes finde ich nicht schlimm. MsPittili machte mich darauf aufmerksam, daß einige der Plakate in 3 Metern Höhe hängen oder die Codes nur halb drauf gedruckt sind… da fühlt man sich dann aber auch schon eher verarscht. Dann lieber gleich lassen, statt sich nur als Zeichen für Modernität “so ein schwarz-weißes Krisselding” aufs Plakat zu dübeln, was dann keinem was nutzt.)

5. Die ewigen Lowlights:

Hier seien jetzt ein paar Worte voran geschickt. Es geht – ihr ahnt es sicherlich – um die asozialstmögliche Arbeiterpartei, den libertären Mövenpickkommunismus, die Lobbylutscher vom Dienst… kurz: Die FDP! Auf Bundesebene schon mit ihren Kampagnen ein Quell der ewigen Freude, werden die immer schlechter, je tiefer man in der politischen Hierarchie hinab steigt. In Chemnitz, haben sie sich nun so etwas wie den Fips Asmussen der Deregulierung an Land gezogen. DAS, was hier so rumhängt an Plakaten der Liberalen, das hat keine Werbeagentur verbrochen – da bin ich mir sicher. Und wenn doch, dann würde ich die verklagen! Ich bin der festen Überzeugung, daß diese Auswüchse, die man da auf das gelb-blaue Papier gebracht hat nur von einem kommen können: Dem Kandidaten! Wie eine Kalauerkanone auf LSD ballert er scheinbar die peinlichsten Wortspiele heraus, die sich kein Mensch vorstellen kann. Das Schlimme ist, daß die FDP als erste Partei plakatiert hatte und außerdem etwa genau so viele Plakate hängen hat wie alle anderen Politclubs zusammen. Man wird quasi überschwemmt von solchem Kokolores wie dem hier:

Treppenwitzpartei 1

Zugegeben, noch das erträglichste Plakat… aber schaut mal hier – ein ganzer Laternenbast in gelb-blau:

Treppenwitzpartei 2

Muharhar, wie witzig er doch ist – der Gelbe. Außerdem fehlen da Kommata oder Bindestriche oder sonst irgend eine Interpunktion. Darüber hinaus sagt usn das Plakat “die anderen sind voll Moppelkotze”, warum die FDP und ihr vorderster Kandidatendelinquent besser sind, das sagt es uns nicht. Das ist wie damals im Kindergarten, wenn man als Einziger bei irgend einem Blödsinn erwischt wurde und als Rechtfertigung sagte, wer noch mitgemacht hat. Wie nannte man das doch gleich… ach ja: PETZEN! Aber der größte Brüller ist folgendes Plakat:

Treppenwitzpartei 3

Ja, da steckt ein Wortspiel drin… man erkennt es nicht sofort, weil es derart dämlich ist, daß sich der gebildete Geist unterbewußt dagegen wehrt, daß jemand so was ernsthaft zu Papier bringt. Und selbst wenn der gute Jenselmann schon weis(s) was Three-O-City braucht, warum sagt er es dann nicht? Naja… . Außerdem bezweifle ich hiermit öffentlich, daß sich der Typ ausreichend mit Three-O-City identifiziert! Warum? Na, schaut euch mal unten die “Skyline” an, in welche alle Wahrzeichen der Stadt eingearbeitet sind. Vom Hotel Mercure (ein Schelm, wer Böses dabei denkt… doch nicht bei der FDP) über das Rathaus, die St. Petri Kirche bis hin zum Opernhaus meine ich alle zu erkennen. Alle? Nein, das wohl bekannteste hat mal wohl “vergessen”. Wahrscheinlich hat man in der FDP einfach Angst davor, daß man schon beim bloßen Anblick des Nischels plötzlich anfängt über Sozialausgaben nachzudenken… igittigittigitt.

Jedenfalls finde ich es schlimm, daß den Kandidaten hier nix Richtiges einfällt um zur Abwechslung mal wieder einen Themenwahlkampf auf die Beine zu stellen. Ein Visagenwahlkampf ist kein Wahlkampf, das ist Volksverdummung. Von Wahlplakaten, die man in 5 Minuten im MS Paint zusammen schustern kann fühle ich mich außerdem persönlich verarscht. Ich habe daher weder Kosten noch Mühen gescheut um mir unter Zuhilfenahme von PhotoScape (High-Tech-Software, liebe “Think Tanks” der Parteien… sowas kennt ihr offenbar nicht) und ca. zehn Minuten harter, unerbittlicher Bildschirmarbeit mal mein eigenes Wahlplakat erstellt. Es ist jetzt auch nicht wirklich programmatisch geprägt, zugegeben, aber ich finde, es hat doch so eine gewisse, innewohnende Message an die “Konkurrenz”:

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Plakat

2 Kommentare:

  1. Beim nächsten mal sammel ich die unterschriften, um dich auch als Kandidaten zu haben.

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  2. Wusstest du, dass Geheimagenten neuerdings über öffentliche Quellcodes miteinander kommunizieren, weil die außer ihnen eh keiner anklickt?

    Viel Spaß am nächsten Sonntag bei der Qual der Wahl.
    Grüße! N.

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