Montag, 24. Juni 2013

QUEENS OF THE STONE AGE–ZITADELLE BERLIN SPANDAU, 22.06.2013

 

Habt ihr eigentlich auf die Frage, wie denn die Musik einer Band so sei, die Antwort erhalten, sie sei “verdammt sexy”? Vermeintlich gibt es das ja nur im pubertären Schrottmusikbereich, wo man streng genommen jeden auch nur halbwegs singfähigen Schönling auf die Bühne stellen kann, der dann auf die geloopten akustischen Auswürfe eines Aktenvernichters der Teenies einen vom “Herzschmerz” und der “ewigen Liebe” vorträllert. Fragt man diese Zielgruppe dann, wie die Musik von z.B. Justin Bieber so ist, dann sagen die auch, daß er ja soooooo süß sei, sooooo sexy. Dabei hat der nicht einmal mehr nen eigenen Affen! Aber genau das war ja nicht die Frage, es ging ja um die Musik – und die ist beim jodelnden Laubbaumtod ganz bestimmt nicht “sexy”; wäre Bieber ein 294 Kilogramm schwerer, beidseitig ohramputierter Karnickelzüchtertransvestit aus Alaska und würde genau das gleiche singen, was er heute singt, keine Sau würde sich für ihn interessieren – genau darum geht es aber. Wenns rockt, dann ist mir egal wer es singt, dann ist es einfach mal gute Musik. (BTW: “Sexy” würde das vermutlich trotzdem keiner nennen… aber egal).

Verzeiht mir diesen kleinen Exkurs, er war nötig. Warum? Na, weil das hier ein Konzertbericht wird – mal wieder; nach langer Zeit. Zur theoretischen Untermauerung war diese Einleitung nötig, denn wenn mich jemand fragen würde, wie die Musik der Queens of the Stone Age denn so sei, dann wäre “verdammt sexy” eine der ersten Assoziationen die mir einfielen. Zugegeben, mit etwas Zeit zum Nachdenken würde ich andere, passendere Beschreibungen finden (komplex, vielschichtig, schnell, laut, abwechslungsreich, groooooovy) oder auch auf die Schwermut des neuen Albums kommen und “tiefgründig” hinzu fügen, aber für den ersten Eindruck finde ich “verdammt sexy” schon passend. 2005. als ich Josh Homme und die Seinen das erste Mal sah, da waren sie noch diese staubige Rockmaschine, die mit ihrem dritten Album die ganze Indierockszene überrollt hatte – und zwar rücksichtslos. Damals prügelten sie uns gleich zu Beginn mit “Go with the Flow” einen Opener direkt aus der Palm Dessert Mittagssonne ins Gesicht und ließen das Füßchen über das ganze Konzert immer fein auf dem Gaspedal. “Urgewalt” trifft es ganz gut, aber eben nicht “rohe" Urgewalt. Im Gegensatz zu z.B. Kyuss haftet ihren Songs – insbesondere live – ein eigenartiger, einmaliger Groove an, der sie irgendwie… naja, “sexy” macht. Es ist schwer zu beschreiben, aber ein besseres Wort fällt einem nicht ein. Dazu noch der Gesang und die Ausstrahlung dieses rothaarigen zwei Meter Riesen am Mikro – unschlagbar.

Im Jahr 2013 haben sie von dieser geradlinigen Energie und Ausstrahlung vielleicht ein wenig eingebüßt, oder besser “eingetauscht”. Eingetauscht gegen eine Extraportion erwachsener Coolness und Tiefe in den Songs. Das hängt viel mit dem neuen Album “…like Clockwork” und dem, was zu ihm führte zusammen. Ich will das nicht ausbreiten hier, aber den Queens ist ne Menge passiert seit ihrem letzten Album (2007) – und vieles war eher unerfreulich. Jedenfalls wurde mitten in der Festivalsaison einer der üblichen “wir haben noch freie Spitzen” – Gigs in der Zitadelle zu Berlin anberaumt. Es hat durchaus so seine Vorteile, wenn man Bands in ihren Lieblingsvenues besucht – und bei QOTSA ist die Zitadelle scheinbar eine davon. Wir, das heißt die kleine Schwester und ich, setzten uns am Freitag also in den Igor und fuhren in die alte Heimat. In Spandau nisteten wir uns bei einer ehemaligen Studienkollegin von ihr ein und machten Sonnabend die Stadt ein wenig unsicher. Gegen Abend strebten wir dann schließlich bei bestem Konzertwetter der Zitadelle entgegen. Wenn man bedenkt, wie durchnässt wir letztes Jahr von Soundgarden zurück kehrten, war das schon einmal die erste positive Nachricht. Vom leicht nervigen und umständlichen Einlass ließen wir uns zunächst nicht entmutigen, kannten wir ja auch schon vom letzten Jahr. Auf dem Gelände der Zitadelle angekommen (btw: schon sehr schick im Innenhof einer alten Festungsanlage samt Burggraben etc. ein Konzi zu besuchen) folgte der erste Moment der Verwirrung: Kein Poster am Merch-Stand! Oder zumindest nicht das Meisterwerk von Lars P. Krause, das ich erwartet hatte, da man seine Entstehung bei Twitter live mitverfolgen konnte. Das erwies sich dann aber auch als halb so schlimm. Erstens gab es keine Posterrollen zum Schutz und Transport – was auf Rockkonzerten relativ besch… ist – und zweitens orderte die MsPittili das einfach auf meinen Wunsch hin beim Künstler direkt und ich ersparte mir an dem Tag einfach den Merchandisestand komplett. Dann schnell das erste Bierchen geholt während mit “The Virginmarys” die erste Vorband keinen schlechten Eindruck hinterließ und dann ab ins Getümmel. Durch den Zeitverlust am Einlaß hatten wir die ersten Songs der Virginmarys verpasst und kamen also erst bei den Masters of Reality an einem festen Standort zum Mitrocken. QOTSA nimmt sich ja gerne Bands aus dem eigenen, kreativen Dunstkreis mit auf Tour – und die Masters sind in dieser Hinsicht so etwas wie eine der in Europa einfach viel zu wenig gewürdigten Legenden des US Rocks der 80er und vor allem 90er Jahre, die sich bis ins Heute gerettet haben – Gott sei Dank. Als ich davon erfuhr, daß Josh und Co. die Herren mitbringen, freue ich mich gleich nochmal einen Ticken mehr auf das Konzert. Wer sich mal einen kleinen Eindruck von MOR machen will, der klicke bitte HIER auf eine Version des Setlist-Highlights des Sonnabends (mein persönlicher Favorit  “John Brown” wurde leider nicht gespielt). Chris Goss sah rein optisch jedenfalls aus wie eine Mischung aus Barschläger und serbokroatischer Mafiagröße – was sich sobald er zum Mikro griff aber schnell relativierte – ist scheinbar in so ner Art “dunkler Phase”, der Gute. Zwinkerndes Smiley

Als die Masters die Bühne verließen begann die Dämmerung sich so laaaaangsam anzukündigen. Ich nutzte die Zeit um den Biernachschub nicht versiegen zu lassen – wenn man mal wieder nicht selber fahren muß sollte man das nutzen – und noch in der warmen Abendsonne ein wenig zu relaxen. Es dauerte einen Tick länger als erwartet, bis die Boxen das Intro erschallen ließen und die Queens of the Stone Age die Bühne betraten. Bis auf Troy und eben Mastermind Josh hat sich das Lineup im Vergleich zu 2005 komplett verändert, was man von den Queens aber auch gewohnt ist – neue kreative Impulse durch neue Leute. Das führt dann schon mal dazu, daß man sich Elton John ins Studio holt für ein wenig Piano-Action auf dem neuen Album. Josh sah wieder richtig gut erholt aus und es dauerte nicht lange, bis er sich in seine beste Rampensaustimmung gespielt hatte. Der Opener war dann wie erwartet das düster daher rumpelnde “Keep Your Eyes Peeled”, das erste Stück vom neuen Album. Alles in allem ein ungewöhnlicher Einstieg in ein Konzert. Kein Brett wie “Go with the Flow”, aber auch keine Ballade zum langsamen hineingleiten in den musikalischen Abend. Statt dessen ein Song, der irgendwo dazwischen dahinfließt – zäh wie Honig und eine Stimmung verbreitet wie dereinst Godzilla in Tokio. Gut fünf Minuten Finsternis bei Tageslicht – da war von “sexy” freilich noch nicht viel zu merken. Die Queens wären aber nicht die Queens, wenn sie danach nicht ein wenig die Zügel anziehen würden. Nachdem man den schweren, musikalischen Motor des 66er Ford Mustang GT erst einmal warmrumpeln ließ, entfesselte man nun mit “You think I ain’t Worth a Dollar, but I feel like a Millionaire” dessen Pferdchen und preschte laut dröhnend in den Abend. Ansatzlos ging man zum nächsten Songs for the Deaf – Hammer “No one Knows” über – diesmal ohne diese wahnsinnige, ausufernde Impro-Jamsession wie vor acht Jahren… werde ich nie vergessen was da abging. Erwartungsgemäß hatte man spätestens jetzt das Publikum auf seiner Seite und es war einfach ein Genuß, Josh dabei zuzusehen und zuzuhören, wie er mit seinen Pranken die gewohnt trockenen Riffs aus seiner Klampfe quetschte. Ich habe über sein Spiel mal gelesen, er sei “der einzige Gitarrist, bei dem sein Instrument gleichzeitig rülpsen und furzen kann”. Ein sehr… naja, “bildlicher” Vergleich, aber er bringt es so ziemlich auf den Punkt – die drei Effektboards, die der Roadie eingangs für ihn rein schleppte waren da natürlich auch hilfreich. Eine kleine Ansprache später ließ man die erste Auskopplung aus “… like Clockwork” auf uns los: Der knochentrockene Wüstentrip “My God is the Sun” passte perfekt an diese Stelle. Die nächsten drei Songs waren dann eine kleine Überraschung und die Bestätigung, daß bei den Queens “Promo-Tour” nicht heißt, daß man nur den neuen Kram spielt. Das wunderbare “Burn the Witch”

wurde ähnlich wie im Video oben langsam und unter frenetischem Begleitchor eingezählt und stampfte dann durchs Berliner Zwielicht. Man merkte den Herren nun den Spaß sichtlich an und sie schossen mit dem eigenwillig knarzenden “Sick Sick Sick” gleich den nächsten Gassenhauer hinterher. Um uns herum sprangen fast alle oder hatten zumindest den Anstand die Arme in die Luft zu reißen. Das großartige “First it Giveth” war dann für mich erst einmal der perfekte Abschluß der Eingangssequenz des Konzertes. Was nun folgte war ein weiterer neuer Song und ein Ruhepol im Abend. Begleitet von den kleinen Rocker-Gesten schritt Josh zum Piano und intonierte das zerbrechliche und über seine Länge geradezu bezaubernd in der Luft hängende “The Vampyre of Time and Memory”.

Ein Song, wie man ihn von den Queens nicht kannte bisher, den man ihnen andererseits aber jederzeit, das aber auch nur im Stillen, zugetraut hatte. Eine grandiose Nummer. War einer der schönsten Momente des Abends, wie das Publikum das Springen einstellte und sich der Song wie eine schwerer, roter Vorhang über der Zitadelle herab senkte. Mit “Turning on the Screw” ging es dann wieder kontrastät weiter und Josh erging sich mittlerweile in seiner Rolle als Rampensau. Eine Geste hier, ein blöder Spruch da… die reinste Freude. Mit “If I had a Tail” kam dann auch mein Lieblingssong von der “… like Clockwork”. Bei dem war der “sexy” – Index schon recht hoch, daher hier mal nur eine schriftliche Hörempfehlung. Für mich auch der Song, mit der absolut großartigsten Lyrics des ganzen Albums:

“buy flash cars

Diamond rings

Expensive holes to bury things”

Danach war wieder einer der größeren Hits der Band dran und mit “Little Sister” wurde es wieder deutlich lebhafter im Zuschauerbereich. Das änderte sich auch beim sehr schön gitarrenlastigen “I sat by the Ocean” nicht anders. Der Abend war in vollem Gange und die Stimmung kaum noch zu verbessern. Es war einer jener Abende, an denen man merkt, wie großartig so etwas Einfaches wie ein Rockkonzert doch sein kann. Wie viel Spaß es doch machen kann sich unter tausenden unrasierten, nach Bier und Tabak müffelnden Langhaarigen (oder auch ehemals (lang)Haarigen) vor einer Bühne zu befinden und sich die Trommelfelle mal anständig durchmassieren zu lassen von einer Band, deren Musik einen über ein Jahrzehnt begleitet hat – deren Musiker das z.T. sogar noch länger schafften. “Perfekt”… das war es in diesem Moment, “perfekt”! Eine gute Liveband würde da jetzt ansetzen und das Niveau halten, eine sehr gute Liveband pfeift auf die Setlist und beschließt, daß es nun “time” sei etwas “for the ladies” zu tun. Will heißen, man nimmt mal eben das mit Abstand groovigste, Stück ins Programm, was man zum Thema zwischenmenschliche Interaktion im Repertoire hat. Nicht nur, daß das ziemlich genau das eingangs illustrierte “sexy” beschreibt, es glänzte nicht zuletzt durch das Spiel mit dem Publikum mit einem schon fast unverschämt lässigen Charme. Gott sei Dank gibt es dazu auch ein gutes Video aus Berlin, also seht und hört selbst:

Die kleine Schwester belauschte übrigens nach dem Konzert unfreiwillig eine Gruppe von Kerlen, die sich “ein Kind von Josh” wünschten. Das war dann wirklich nur noch schwer zu toppen, was für ein genialer Song! Es folgten mit “I Think I lost My Headache” und “A Song for the Deaf” zwei meiner Lieblingsstücke. Ich weiß nicht, was ich an der Setlist des Abends bis hier hin herummäkeln soll und das blieb auch so bis zum Schluß. Klar fielen mir spontan 20 Songs ein, die ich mir auch noch gewünscht hätte, aber das was dann gespielt wurde, das war im Grunde genommen… das war eigentlich… eigentlich… Angela, hilf mal…. ach ja, “alternativlos” habe ich gesucht. War alles gut so, wie es war, meckern verboten. Das Mainset wurde dann wieder von einem “…like Clockwork” Song beschlossen. “I Appear Missing” ist auch so ein grandioses Stück Songwriting und war live nochmals eine weitere Perle. Mittlerweile war auch die Dunkelheit in der Zitadelle angekommen und Scheinwerfer sowie Videowand entfalteten ihre ganze Wirkung. Der Song gipfelte dann in einer wilden Jamsession und unter Rückkopplungen verließ die Band die Bühne. Es waren keine zwei Minuten Pause verstrichen, als die Kerle retournierten. Josh hatte sich nur fix eine Fluppe organisiert und man legte mit dem Titelstück des neuen Albums den zweiten besinnlichen Moment des Abends aufs Parkett. Schon beeindruckend, wie spielerisch und teilweise ansatzlos die Queens mittlerweile den Schalter umlegen können – teilweise sogar mitten in Songs, die zum Teil von wahnwitzigen Breaks gekennzeichnet sind. Nachdem “…like Clockwork” verklungen war schien man es eilig zu haben. Aus dem Off wurde Josh scheinbar nahe gelegt, das Konzert damit zu beenden… Lärmschutz ab 23:00Uhr. Da wird wieder irgend so ein verbiesterter Rentner den Herrn Advokaten bemüht haben um seine kleingeistigen Ordnungsparadigmen durchzuboxen… kenne das zur Genüge schon von der Wuhlheide (und da wohnt nicht einmal jemand direkt in der Nähe). Jedenfalls brachte Josh den Abend, in seinem ganzen Verlauf und der Stimmung die dieses Konzert erzeugte, verbal wirklich perfekt auf den Punkt (was er mit einem…. na nennen wir es mal einem “deutlichen Fingerzeig” in Richtung der Verantwortlichen noch gestenreich untermalte). Ich nehme das gleich mal als Schlußwort, denn besser wird es einfach nicht mehr. Er beendete einen rundum gelungenen Konzertabend im guten, alten Berlin damit, daß er den daraufhin nochmal amtlich zur Wüterichversion eskalierenden “A Song for the Dead” mit folgenden Worten einleitete

“This is all between you and us! So fuck everybody else!”

PS: Setlist:

1 Kommentar:

  1. Die kleine Schwester1. Juli 2013 um 11:29

    Nicht einfach nur sexy, sondern verdammt sexy.

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