Mittwoch, 9. Februar 2011

TAUBENVERGIFTEN


 (Georg Kreisler)

Mahlzeit! Heute wird’s mal kulinarisch. Mir ist nämlich letztens etwas Besorgnis erregendes aufgefallen, als ich abends zufällig (mal wieder) auf Vox landete und fünf wildfremden Möchtegernyuppies bei der Nahrungszubereitung zuschaute. „Das perfekte Dinner“ nennt sich diese doch recht angenehme Vorabendunterhaltung. Auch wenns vom pädagogischen Gehalt eher arm ist, so ist es dennoch unterhaltsam und man kann es im Gegensatz zu den großen Privatsendern einfach mal angenehm nebenher dudeln lassen ohne alle 20 Sekunden über extrem dumme Menschen zu stolpern. Da wird fröhlich um die wette gebrutzelt und die Weinkorken knallen im Minutentakt. Außerdem bekommt man mal einen vertieften Einblick in das, was sich so „Menschheit“ nennt. Vom Gas-Wasser-Scheiße – Installateur in bester „Werner“ – Tradition bis hin zum selbstständigen Schutzgelderpresser Dragan darf da jeder sein Gänge Menu an die Konkurrenten verfüttern. Dabei gibt es dann immer die eine oder andere spontan auftauchende Klippe zu umschiffen (bitte nicht verwechseln mit „umzuschiffen“). Diese Klippen manifestieren sich meist in Form der anderen Teilnehmer. Da tauchen Laktoseintolleranzen aus dem Nichts auf und hin und wieder haben die gehässigen Programmchefs einen Veganer untergemischt. Gerade die arme Sau, die den ersten Abend ausrichten muß sieht man dann immer verzweifelt auf sein Kalbsfilet starren… man sieht förmlich, wie sich vor seinem inneren Auge ein imaginärer Bluescreen auftut („Kritischer Fehler! Code 2JKHZUGU55845656-5498LKJ-5145-VEGAN00/35F; System Hauptgang versagt; komplettes Menü bitte neu starten“). Als Notlösung wird dann meistens  eine Möhre tranchiert und mit grüner Pampe übergossen um sie dem Delinquenten zu kredenzen. Puh… die „ganz lieb gemeinten 5 Punkte“ vom Kostverächter grad noch mal gerettet. Ganz ehrlich: Meiner Meinung nach haben diese Spaßbremsen bei einer Kochshow diesen Inhalts nichts zu suchen. Das ist doch nur der Drang sich selbst und ihre fragwürdige Lebenseinstellung öffentlich zu präsentieren, der die dahin treibt. Der Gipfel der Unverschämtheit ist dann ja auch noch, daß die dann auch noch an ihrem Abend nur Tierfutter servieren… in einer Kochshow. Tut mir leid, aber da wären meine 2 Punkte (wir setzen mal voraus, daß der Wein gut ist) ganz bestimmt nicht mehr lieb gemeint. Na egal… von solchen unschönen Aussetzern mal abgesehen, ist das eigentlich immer ganz unterhaltsam. Nebenbei wird noch die Privatsphäre des Gastgebers missachtet und auch noch der letzte Winkel des Schlafzimmers nach pikanten Details durchforstet. Sehr geil übrigens, wenn da „zufällig“ irgendwelche „künstlerischen“ Aktbilder des Bewirters rum liegen, welche dann ebenso „zufällig“ gefunden werden. Tja, jeder versucht sich da irgendwie interessant zu machen und heuchelt fleißig Überraschung wenn er auf seine Jugendsünden angesprochen wird. Ach ja, bevor ich es vergesse: Es wird natürlich auch dekoriert. „Die Tischdeko“ nennt sich das dann. Jedweder Depp aus der runde spekuliert vorab darüber, wie der Gastgeber des Tages seine Speisetafel denn wohl verkitschen wird. Kerzen sind da noch Standard, manchmal werden halbe Biotope abgeholzt und ihre Einzelteile auf dem Tisch verteilt, oder irgendwelcher Ramsch wird in die Tischmitte gewuchtet, nur weil er ins so genannte „Farbkonzept“ passt. Beängstigend. Jedenfalls scheinen sich die Leute über solchen Mist echt Gedanken zu machen. Vielleicht sollten sie diese Ressourcen mal lieber dafür einsetzen, sich sinnvolle Speisekarten zu überlegen. Denn das ist es, was mir auffiel: Was da drauf steht klingt weniger nach Speisen, sonder viel mehr nach einer Wegbeschreibung. Eine kulinarische Schnitzeljagd sozusagen. Wer heute etwas auf sich hält, kocht keinen Gulasch mit Rotkraut und Knödeln mehr, nein… der nimmt den Duden zur Hand und sucht sich ein paar schicke Präpositionen aus, welche er zwischen die Einzelbestandteile seines Machwerks klatscht. Dann noch ein gewisses Talent zum Rumlappen und schon wird aus besagtem Gulaschgericht „feinste Rindsstücke auf Kartoffelscheibchen an einer Komposition aus Apfelrotkohl“. Gerne genommen auch ein frankophiler Einschlag. Ofenkartoffel mit Hähnchenragout in Rotweinsoße und Erbsen klingt im Vergleich zu „Erdapfeldampfling an Coq au Vin in feinem Grünkullerbett“ schon sehr proletenhaft. Warum macht man so was? Essen gehört auf einen Teller, wenigstens das dürfte ja Konsens sein. Klar, ich will auch auseinander halten können, was mit da vorgesetzt wird, aber die Bestandteile dürfen sich dabei ruhig berühren und sich nicht in respektvollem Abstand zueinander aus der Ferne beäugen. Das höchste der Gefühle ist ja dieses „an“. Kalbsbraten „an“ Zucchinirisotto; das klingt so, als würde sich das tote Vieh zärtlich an seine Beilage kuscheln. Das macht doch keinen Sinn! Nennt mich altmodisch, aber wenn ich eine Speisekarte lese, soll da stehen Steak mit irgendwas, nicht „daran“ oder am Ende gar noch „auf“ irgendeinem dämlichen Bett. Wer hat denn das erfunden? Vor allem schmeckt der Kram dadurch ja nicht zwangsläufig besser, eher im Gegenteil. Wenn ich die Soße zum Fleisch erst mittels einer Rohrleitung vom gegenüber liegenden Tellerende zum Bestimmungsort leiten muß, wobei sie ja nicht in Kontakt mit dem unmotiviert im Weg rum liegenden Salathaufen kommen darf (ist ja nur "bei" dem Rest), dann ist das für mich so sinnvoll wie ne Kamelfarm in Lappland. Das sind keine Gerichte, das sind Bausätze… zumindest vom Namen her. Vollkommen gaga wenn ihr mich fragt. Aber gut, das ist wohl der Zeitgeist. Demnächst bestellt man an der Bratwurstbude im Stadion wahrscheinlich ein „gedärmte Variation vom Schwein an Tomatenwürzsoße“ oder „Filetstreifen vom Erdapfel – rouge-blac“! In so einer Welt will ich aber nicht mehr… naja, leben schon, aber eben nix mehr bestellen. Aber jetzt, da ich mich gerade so ausnehmend darüber ausgelassen habe, fällt mir auf, woran mich das ganze erinnert. Das perfekte Plastikgeschirr für diese unheiligen „an“ „bei“ „neben“ und „auf“ Gerichte gabs in ostdeutschen Schulspeisungen schon in den 80ern:

Der perfekte Teller für Adrian Monk...

7 Kommentare:

  1. Wie? Ich dachte heute gehts um Whiskey? Okay, also an auf unter essen...
    Vielleicht sollten wir auch mal mit machen? "Das ist meine Jule und die hilft mir ein bisschen beim Schnibbeln"

    AntwortenLöschen
  2. Nee, der Whiskyblog ist noch nciht fertig...

    AntwortenLöschen
  3. Das ganze Gesülze drum herum kommt auch aus der Gott hab sie seelig DDR: Sättigungs-BEI-lage. Dabei waren das meist einfach nur gekochte Kartoffeln.

    Grüße! N.

    AntwortenLöschen
  4. Die kleine Schwester16. Februar 2011 um 22:42

    Hast Du diesen Veganertypen am Di oder Mi letzte Woche gesehen, der seinen Gästen irgendeinen Fleischersatz aufgetisch hat, der Quorn oder so hieß? Er schien selber nicht zu wissen, was das ist. Der nette Perfekte-Dinner-Mann hat dann ein Voice-over gemacht und die Nation auf gewohnt lakonisch-erhellende Art aufgeklärt.

    Quorn wird aus fermentierten Schimmelpilzen gewonnen.

    JAAAAAAAAAAAAA. Mir läuft auch gleich das Wasser im Munde zusammen!

    AntwortenLöschen
  5. "Quorn" das klingt wie etwas, was es sonst nur auf Klingonenkreuzern gibt. Aber wie du es schilderst, wird es wohl das ganze Gegenteil sein! Fermentierte Schimmelpilze... *kotzwürg*

    AntwortenLöschen
  6. Die kleine Schwester17. Februar 2011 um 21:03

    Ich wage ja die Frage zu stellen, ob fermentierte Schimmelpilze vegan sind...

    AntwortenLöschen
  7. OK, definieren wir mal "Pilz"! Soweit ich mich erinnere, ist das KEINE PFLANZE, sondern ein riesiges Mützel äh... Myzel, welches unterirdisch lebt. Diese Blender!

    AntwortenLöschen