Sonntag, 13. Februar 2011

HYPNOTIZE

(System of a Down)

Kennt ihr das eigentlich auch: Man kommt sonntags heim, nachdem man das Wochenende auswärts verschlafen hat und öffnet unbedacht seinen Briefkasten. Prompt ergießt sich aus diesem eine wahre Flut an sinnlosem Werbematerial. Bevor jetzt irgend ein Klugscheißer mit dem „keine Werbung“ – Aufkleber wedelt (die ganz Verbissenen nehmen dann sogar den, mit aufgedrucktem Paragraphen – kann ja eh keiner kontrollieren), möchte ich mal festhalten, daß ich zumindest einige dieser Werbezettel bekommen will. Ich sage nur: Media Markt-Prospekt! Aber einige dieser Werbebotschaften sind einfach nur lächerlich. Ich erinnere mich da z.B. an den Oktober, wo ich einen extrem pornösen Flyer einer dieser lokalen Proletenwertstätten im Postwurfsendungsaufbewahrer hatte. Irgend so ne idiotische Tuning-Klitsche hatte da eine gephotoshopte Silikonische im knappen Bikini auf der Motorhaube eines bis zur Alltagsuntauglichkeit gepimpten VW Golf platziert. Was uns die Alte mit ihrer ostdeutschen Unterschichtfrisur (ihr wisst schon: lange blonde Haare mit schwarzen Strähnchen, Name entweder „Schantalle“ oder „Monikwe“) auf dem PS-starken Präkariatstraum andrehen wollte? Na klar: Winterreifen! Da gingen Botschaft und Produkt mal wieder ganz weit aneinander vorbei. Ganz schlimm! Ich für meinen Teil suchte da lieber meine gewohnte Dorfwerkstatt auf und ließ mir die angebotenen Winterschuhe zum halben Preis auf den Seat dübeln, fand das vernünftiger.
Das „Sex sells“ Motto ist dabei sicherlich nicht sonderlich originell, aber wirksam vermute ich. Mal abgesehen vom Phänotyp dieser „Schantalle“ / „Monikwe“ ist es zudem universell verwertbar; es gibt aber auch regional typische Dinge. Zum Beispiel heute: Da hatte ich nen Brief im dazugehörigen Kasten, welcher profan an „die Sparfüchse des Hauses“ adressiert war. Da wird’s dann wieder typischer, denn hier, diesseits des ehemaligen antifaschistischen Schutzwalls, trifft man damit bei erstaunlich vielen Mitmenschen den dazu gehörigen Identifikationsnerv. Da denkt der Karsten spontan „Nu, die meinen mich!“. Spektakulär ist dabei vor allem, wie man sparen soll: Man soll in irgendeinen Blödsinn investieren. Nennt mich kleinlich, aber wenn ich „investieren“ soll, heißt das doch, daß ich (in diesem Moment) das Geld erstmal ausgebe, nicht, daß ich es behalte! Klar, wenn ich gut investiere, dann bekomme ich es irgendwann zurück… plus Gewinn versteht sich aber darauf würde ich bei diesem amateurhaft verfassten Wisch erstmal nicht unbedingt wetten. Dennoch ist es ja so, daß man so Aufmerksamkeit schafft, denn „Sparfuchs“ will hierzulande ja jeder sein; und dann wundert man sich, wenn das zum Spottpreis vom tadschikischen Drittanbieter reimportierte Schweineschnitzel auf der Titelseite der BILD auftaucht (bisher war man selbstredend von Gourmetqualität ausgegangen)! Ich will nicht wissen, wie viele auf den Kokolores wieder reinfallen werden. Da wird dann aus dem „cleveren Sparfuchs“ ganz schnell ne „arme Sau“!
Sollte man aber speziell in Ostdeutschland ein Produkt zu vermarkten haben, was man weder mit nackter Haut noch mit preisbewusster Fauna angemessen promoten kann, bleibt dem werbetreibenden Wurfblattfutzi nur noch ein letzter Ausweg, quasi die Königsdisziplin der Verramschung hierzulande: DER EIMER!!!! Auch davon war heute wieder ein Beispiel in meiner Postbox! Ganzjährig stößt man hier auf jene „Eimerangebote“ und zwar in den verschiedensten Geschäften. Legendär sind die Orangen-Eimer (ein Eimer Orangen (bitte selbst befüllen) für 5 Euro! Und das Beste: den Eimer darf man auch noch behalten. Gleiches habe ich schon mit Mischobst, „Ja“-Produkten, Putzmitteln, Autopflege und Nutella gesehen. Die Liste ließe sich aber noch ins unendliche verlängern. Praktisch ists ja schon irgendwie… also die Eimer, aber billiger muß so ne Zusammenstellung nicht immer sein. Aber wenn man den Run auf die Eimerangebote so beobachtet, scheint das vielen reichlich egal zu sein. Da wird mit beängstigendem Eifer eine Orange nach der anderen eingeeimert, daß ja kein Kubikzentimeter ungenutzt bleibt und oben drauf baut man noch ein ansehnliches Orangentürmchen, das man dann kunstvoll zur Kasse balanciert, denn herunterpurzelndes Obst käme einer Anklage der eigenen Gier gleich. Das Interessante daran ist, daß man das nur in den neuen Bundesländern zu finden scheint. Ich weiß noch, wie meine Freundin vor ihrem ersten „Eimerangebot“ stand und mit einer Mischung aus Interesse, Überraschung und schierer Fassungslosigkeit auf die wilde Horde blickte, die da Südfrüchte in ihre Eimer stopfte. Ich war damals auch ein wenig überrascht, denn ich war stillschweigend davon ausgegangen, daß der „Eimer“ ein bundesweites Marketingtool ist. Scheinbar nicht.

Jedenfalls finde ich das ganze recht amüsant, mit welchen Mitteln einem hier das Geld aus der Tasche gezogen werden soll. Bei mir wirkt das jedenfalls nicht, vielleicht mal abgesehen vom Eimer, aber selbst der nur dann, wenn das Ganze dann wirklich Schnäppchencharakter hat. Tut mir leid, liebe Werbeindustrie, aber da müsst ihr euch schon was wesentlich Schrägeres einfallen lassen. Das heißt dann zwar noch lange nicht, daß ich den Kram den ihr mir andrehen wollt dann auch kaufe, aber Lob und Anerkennung bekommt ihr von mir dann doch. Mein aktueller Lieblingsspot sei hier mal stellvertretend für „gute Werbung“ angeführt. Der hat 2 Vorteile: 1. Er ist unterhaltsam und 2. Das Produkt wird’s nie in Eimern geben:




PS: Lobend möchte ich noch erwähnen, daß VW weltweit mit "Das Auto" wirbt, während hierzulande ja jeder Schrotthändler zum hirnlosen Anglizismus tendiert!

3 Kommentare:

  1. Jaja mein Lieber, hier noch einmal die schriftlich verfasste Faszination der Eimerstrategie: http://pitti.bloggospace.de/87123/Die-mysteriosen-Verkaufstrategien-der-Ostdeutschen/
    Damit auch mal die andere Blickrichtung deutlich wird. :)

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  2. Hehe, fanke! Das rundet das Ganze nochmal ab! :-D

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  3. Ha, ich werfe 10,00€-Gutscheine (bei einem Umsatz von 60€ einzulösen!) immer mit den Worten in den Müll: Wieder 50€ gespart. DAS nenn' ich Sparfuchs.

    Grüße! N.

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