Sonntag, 29. Juli 2012

HARD TO EXPLAIN

(The Strokes)

So, der erste Tag Olympia im TV und erstmals auch im Internet-Stream liegt hinter mir. Und wie ich schon anklingen ließ, ist mir die Sportart beim Sport schauen fast egal. Den Berichterstattern darf es nicht so gehen, schließlich müssen sie alles, aber auch wirklich ALLES – und damit meine ich sinngemäß “wirklich jede noch so absurde Randsportart” möglichst hochqualitativ zu uns ins Wohnzimmer transportieren. Wer kennt sich denn schon mit dem Regularium beim Judo aus? Oder wer kennt die Wettkampfregeln des Zielschießens mit der kleinkalibrigen Druckluftpistole in semistehenden Kurzhandanschlag mit oder ohne Pappaugenklappe?!? Ihr etwa? Ich jedenfalls nicht (gut, Judo geht mal noch, hab ich auch schon mal gemacht, aber der Rest?!? Als Faustregel kann gelten: Alles was ohne Ball stattfindet hat bei mir mit einer variierenden Regelunkenntnis zu kämpfen oder stößt im Falle vom Synchronschwimmen sogar komplett auf zur Ablehnung tendierende Skepsis. Das ist bestimmt bei einigen der Reporter und Kommentatoren ähnlich, was sie jedoch nicht davon abhalten darf, glaubhaft Begeisterung zu heucheln. Was noch dazu kommt, ist, daß sie uns verkaufen müssen, daß sie voll den Plan von dem bisweilen absurden Treiben haben, das sich da vor ihnen und uns abspielt.

In diesen Situationen greift dann bei denen eine meiner liebster Lösungsstrategien für Alltagsprobleme: “Mit Inbrunst Kompetenz vorspiegeln bei realer, vollkommener Ahnungslosigkeit!” Im Fall von Béla Réthy und Steffen Simon kommt diese Strategie sogar beim Fußball zur Anwendung. Aber bei diesen Kaschperlesportarten, da hat Otto-Normal-Verbraucher keine andere Wahl. Die Frage ist nur: Wie täuscht man Hintergrundwissen da vor, wo keines vorhanden ist?!? Antwort: Man bedient sich möglichst komplizierter Pseudofachausdrücke, die so ungefähr passen könnten, jedoch vollkommen unverständlich daher kommen und verpackt sie in zunehmend komplizierte Schachtelsätze, welche selbst bei sinnhaftem Inhalt, womit ich Informationen meine, welche durchaus einen verständlichen aber zugleich nicht unmäßig tief greifenden, wenngleich aber die wesentlichen und zu transportierenden Informationen, Kritiken und Lobe beinhalten, zwangsläufig zu Unverständnis beim ebenfalls nicht fachkundigen, aber ungleich interessierten Publikum, womit wiederum der Kreis zu uns geschlossen wäre, führen würden. Alles klar?!? Nee? Dann zeige ich euch mal, was ich meine. Folgende Moderation könnte theoretisch bei fast jeder dieser ulkigen Möchtegernbreitensportarten zur Anwendung kommen. Ich übergebe ans Moderatoren-Dream-Team “Ulla” und “Wolf-Dieter” am Spielfeldrand:

Ulla: Tjaaaa, eine enttäuschende Leistung der mit so hohen Ambitionen ins olympische Turnier gestarteten deutschen Mannschaft. Wie läßt sich das erklären, Wolf – Dieter?

Wolf-Dieter: Ja Ulla, das weiß ich momentan auch noch nicht so genau. Um ehrlich zu sein bin ich auch noch ein wenig geschockt von der Passivität. In den entscheidenden Momenten wirkten sie fast wie gelähmt, sie konnten das, was sie sich vorgenommen hatten offensichtlich nicht umsetzen.

Ulla: Genau diesen Eindruck hatte ich auch. besonders in der Schlußphase hatte ich den Eindruck, daß…

Wolf-Dieter (fällt ihr ins Wort): JA GENAU! Da hast du vollkommen Recht. Ich verstehe nicht, wie das zum Saisonhöhepunkt passieren kann! Es ist kein Wunder, daß sich bei einer derart unkonzentrierten Performance in den entscheidenden Momenten auch zwangsläufig die technischen Fehler einschleichen.

Ulla: Entschuldige, wenn ich Dich unterbreche, aber dazu haben wir eine interessante Bildstudie, die ich unseren Zuschauern nicht vorenthalten will

*interessante Bildstudie startet*

Wolf-Dieter: Ja, sehr gut…. hmmm…. aha. Genau! Da sehen wir auch gleich den Knackpunkt. In dieser Situation müßten sie… können wir das Bild anhalten, Ulla?

Ulla: Ja!

Wolf-Dieter: *wartet* Können wir das Bild anhalten, Ulla???

Ulla: Ja natürlich!

Wolf-Dieter: Warum machen wir das dann nicht?!?

Ulla: Oh, du meinst jetzt… REEEEEGIEEEEE?????

Wolf –Dieter: Gut, jetzt bitte noch ein wenig zurück…. noch ein wenig… noch ein bisschen…. HALT!!! Gut, noch ein wenig vor wieder… STOP!

Ulla: Was siehst Du da, Wolf-Dieter?

Wolf-Dieter: Hier unten, die Armhaltung, siehst du das?

Ulla *nickt und guckt ratlos*: Hmm… !

Wolf-Dieter: Dieser Winkel zwischen Handfläche und Sportgerät, kurz bevor es eingesetzt wird! *schüttelt den Kopf**… Nee, das kann ja nicht gut gehen.

Ulla: Ja, jetzt sehe ich es auch. Der so genannte Kreuzgriff, der ist hier definitiv die falsche Wahl.

Wolf-Dieter: Eben! Von einem Mann seiner Klasse kann man mehr erwarten. In dieser Situation wäre die Vorhand die bessere Wahl gewesen, weil man dann einen viel besseren Bezug zum Sportgerät hat in der folgenden Situation. Wenn wir mal kurz weiter laufen lassen können…

Ulla: REEEGIEEEE!!!

Wolf-Dieter: Uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuund…. STOP!! Genau hier! Da sehen wir es ganz deutlich. Jetzt ist er einfach in der schlechteren Position zum Gegner, was der Usbeke, die ja die amtierende Nummer 4 der Weltrangliste sind, auch eiskalt ausnutzt. Einem Mann seiner Klasse MUß so ein grober Schnitzer ja auffallen.

Ulla: Hmmmhmmm…

Wolf-Dieter: Ja, man hat es vorher auch bei der afghanischen Mannschaft gesehen. Gegen den Mitfavoriten aus Moldawien gab es eine ähnliche Situation, da nutzten sie aber den Offskip an der rückwärtigen Wall deutlich besser. Genau der Mann, der jetzt bei den Deutschen – wie man hier sieht - zwischen den zwei so genannten Backpitches im Cover der bifokalen Dreifachdeckung der Backline des Gegners steht und somit praktisch – du wirst mir da Recht geben Ulla – aus dem Spiel ist, den konnten die Afghanen durch diese kleine Verschiebung hier *tippt den Touchscreen an und ein roter Krakel erscheint* sowie den Wechsel vom Reversegrip eben zur Vorhand satt des international schon fast verpönten Kreuzgriffs *macht ‘nen roten Kringel um den Kreuzgriff* hier im so genannten Score freistehend platzieren. Das Ergebnis kann bei so einem Spielzug und so einem Klassemann eigentlich nur ein erfolgreicher Abschluß sein.

Ulla: Ja, wie wir gesehen haben.

Wolf-Dieter: Genau… solche Fehler dürfen einfach nicht passieren.

*interessante Bildstudie wird ausgeblendet*

Ulla: Da gebe ich dir Recht, Wolf Dieter. Zumal sie ja nach den erfolgreichen Europameisterschaften in Brno im März mit dem sensationellen zweiten Platz in der Doppelverfolgung in der Königsklasse über 124 Zentimeter Fußumfang zu den Mitfavoriten zählten. Man wähnte sich wieder in der Weltspitze angekommen.

Wolf-Dieter: So sieht es aus!

Ulla: Gut, man kann es leider nicht mehr ändern. Aber, Wolf Dieter, was bedeutet das für den Rest des Turniers?

Wolf-Dieter: Das läßt sich schwer sagen. Wenn sie aber die Gruppenphase überstehen wollen, dann müssen sie sich steigern. Von einer Medaille möchte ich noch gar nicht reden momentan, bei DEN technischen Defiziten, die heute aufgedeckt wurden… .

Ulla: Ja, ich auch nicht. Aber, Wolf-Dieter, kann es denn auch am Druck liegen? An der Psyche? Daß man einfach nicht ins Turnier findet??

Wolf-Dieter: Ich wiederhole mich, aber ich wiederhole mich da gerne: Auf diesem internationalen Niveau, gerade bei den Olympischen Spielen – das kommt ja noch dazu, Ulla – darf das einer derart erfahrenen Equipe nicht passieren.

Ulla: Ja, Wolf-Dieter, aber lass uns noch einmal auf die Psyche zurück kommen.

Wolf-Dieter: Worauf willst du hinaus?

Ulla: Worauf ich hinaus will, lieber Wolf-Dieter, ist, daß es ja sein kann, daß das enttäuschende, unerwartete, ja…. ich scheue mich mittlerweile nicht mehr zu sagen “ dieses desaströse” Ausscheiden von Paul Biedermann im Schwimmen die Moral der gesamten deutschen Olympioniken derart zerstört, ja, ich möchte gar sagen “pulverisiert” hat, daß heute einfach keine bessere Leistung möglich war. Moralisch sind die am Ende, Wolf Dieter.

Wolf-Dieter *nickend*: Ja, Ulla, das befürchte ich fast auch.

Ulla: Gut, daß wir das besprochen haben. Tja, leibe Zuschauer! Wir bedauern, daß wir ihnen keinen erfolgreicheren Wettkampf liefern konnten. Wir geben zurück nach Mainz zu Klaus Kleber und seinem Heute – Journal. Heute mir Berichten über Unruhen in Duisburg, eine unschöne, aber gerechtfertigte Antwort der Zivilbevölkerung auf das, was wir hier in London nur noch als “den Biedermann – Vorfall” bezeichnen. Gute Nacht!

4 Kommentare:

  1. Ich glaube, mein Gekicher hat dich jetzt geweckt.... Großartig!

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  2. Wir fahren heute so im Auto durch den schwarzen Wald zurück nach Hause und der Mann im Radio erklärt, dass die Deutschen immer noch keine Medaille geholt haben. Da sagt der Ehemann: Na, dann wird das in diesem Winter auch nichts mehr.
    Und alles nur wegen dem Biedermann.

    Grüße! N., die jetzt erst mal eine Runde schmunzeln geht.

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  3. Das ist großartig und kursiert bereits in meinem Kollegenkreis :-)

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  4. @GVH: Danke, auch für die "Propaganda". ;-)

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