Mittwoch, 15. August 2012

KNOW YOUR RIGHTS

(The Clash)

Es ist Sommer! Manche mögen sagen “endlich”, oder “wird auch Zeit” und andere wiederum trauen dem Frieden noch nicht und regen sich – wenns tagsüber schon an die 30 Grad ist – einfach über die 12 Grad Morgentemperatur aus. Über irgend etwas muß man sich ja echauffieren, durchgängig heiß ist nämlich auch wieder Scheiße (sorry). Was ist noch? Ach ja, Ferien. Ferien! FERIEN! Und wenn man hierzulande “Ferien” sagt, meint man meist “Urlaub”. Genauer gesagt “Familienurlaub”. Diese so genannte “schönste Zeit des Jahres” kann der “kleine Mann”  wie er sich selber nennt  (ich tue das nicht, denn ich bin einsneunzich und mir dessen ebenso wie meiner allgemeinen Großartigkeit bewußt ) dann auch wieder nicht richtig genießen. Die Frage ist nur: Will er das überhaupt, der kleine Mann mit dem bisweilen noch kleineren Geist?! Meine mutige Hypothese lautet: NEIN, AUF KEINEN FALL!

Kaum haben die Schulglocken in den meisten bedeutenden Bundesländern das Schuljahr final ausgeläutet, schon stürzt sich ein geiferndes Aufgebot von unterschichtmedial geprägten Reportern auf die bevorzugten Bettenburgen der Teutonen. Warum sie das tun, das wird uns daheim gebliebenen dann in “Beiträgen”, “Einspielern” oder so genannten “Reportagen” präsentiert. Schon alleine, daß sich das lohnt, daß die Einschaltquoten immer noch stimmen, bestätigt ja meine These. Entweder man ereifert sich nach dem Motto “bei mir wars genau so, bloß noch viel Schlimmer” oder man giftet vor dem Bildschirm gegen Abzocker, Schweinehunde und glatten Betrug im Reiseprospekt, obwohl es einen selbst gar nicht betrifft. Was da als “Enthüllungsberichte” der sprichwörtlichen “Embedded Journalists” getarnt über die Bildschirme geht, ist unterm Strich doch nichts weiter als das bewußte Drücken der liebsten Funktionstaste unseres Volkes: Des “Jammer- und Aufregmodus”. Wenn der Deutsche nicht ningeln kann, geht es ihm nicht gut. Da werden dann so genannte “Dreckecken” fotografiert, der Weg zum Strand mit der Stoppuhr handvermessen und am Frühstücksbuffet die halbwarmen Semmeln reklamiert. Ich möchte nicht Reiseleiter sein, wenn in meinem Resort ne Gruppe Deutscher einfällt, da braucht man ein dickes Fell und muß sehr gut darin sein Verständnis vorzuheucheln. Was erwarten die Leute denn von “3 Wochen Malle in zentraler Lage inkl. Begrüßungscocktail zum Hammerpreis von 259,-€”?? Fünf Sterne und einen eigenen Insulaner als Buttler, der ihnen tagein tagaus den Arsch hinterher trägt, dazu üppige Buffets mit Lachsröllchen früh und Hummerplatte am Abend? Etwa gar himmlische Ruhe zur bundesdeutsch festgelegten Ruhezeit; also daß in der spanischen Deppenschubse vor dem Fenster punkt 22 Uhr Mickey Grausig der Saft abgedreht wird, wenn er gerade irgend ein Lied über den Bummsbomber in seiner Hose “singt”?? Wer so was bucht, der sollte sich der Komposition aus Analogkäse und Formfleischschinken zum Frühstück doch bitte ebenso bewußt sein wie der nächtlich nicht abebbenden Idiotenmucke und der reihernden Mitreisenden vorm eigenen Fenster. Aber nein, das sind dann gleich “unhaltbare Zustände” von denen “im Reiseprospekt kein Wort” gestanden habe. Freunde, Hirn einschalten! Und wenn unser Mecker-Michl dann Entspannung sucht, dann ist auch noch Salzwasser im Pool und die dicken, weißbäuchigen Engländer haben die besten Liegen belegt… SKANDAL! Da muß man ja ausrasten. Gut, man könnte auch die eigenen Fehler analysieren, aber das geht dann auch zu weit. Am Ende wäre man vielleicht noch selbst Schuld. Statt dessen geht man dem Reiseveranstalter auf den Sack, weil man einige Prozente des Reisepreises zurückknausern will. Dieser ganze Kokolores macht es denen, die wirklich beschissen wurden im Urlaub dann um so schwerer sich beim Veranstalter durchzusetzen, weil der gleich wieder denkt, daß er es mit einem dieser bierbäuchigen Socken-zu-Sandalen-Kombinierer mit angeborener Mitdenkhemmung zu tun hat.

Eines der Lieblingsthemen klang schon an, der Pool! Entweder ist er (was auch gerne mal nachgemessen wird) nen halben Kubikmeter kleiner als im Prospekt, mit Meerwasser gefüllt oder – Klassiker – es gibt nicht genügend Sonnenschirme. Von Liegen ganz zu schweigen. Das ist so ein bissel wie früher im Schulbus, wo auch die Coolen immer hinten saßen und die Streberdeppen vorne beim Busfahrer. Damals mußte man auch immer darum kämpfen hinten auf die Bank zu kommen um sich nicht der Schmach der Busfahrernähe aussetzen zu müssen. Bei den Liegen werden so auch gefühlte 20% zum raren, erstrebenswerten Gut erklärt, die restlichen Pritschen mag keiner so recht haben – Arschlochliegen quasi. Was macht der Deutsche also im Urlaub – wohl gemerkt: im Urlaub – er stellt sich den Wecker! IM URLAUB!!! Das alleine ist schon verachtenswert, aber er stellt ihn auch noch auf halb 6 Uhr früh, was meiner Meinung nach dem Wahnsinn gleich kommt. Solche Leute gehören doch eingewiesen und nicht noch mit Schirmchendrinks belohnt. Dann streift er sich die Sporthose und das fleckige Unterhemd vom Vortag über, schlüpft in die Adiletten und verläßt das Hotelzimmer. Draußen geht die Sonne auf und im eben hinter sich gelassenen Ehebett erhebt sich bereits langsam der Ehedrachen aus seiner REM-Schlafhöhle und bereitet sich schon mal darauf vor seinen Gemahl nach allen Regeln der Kunst zusammen zu falten, sollte er ihr nicht den ersehnten Thron reservieren können. Während sie sich die Falten aus dem Gesicht spachtelt schiebt sich der Angetraute, das Handtuch hinter sich her schleifend, auf den Pool zu. Aus allen Ein- und Ausgängen sieht er den Feind heraus treten, optisch kaum von ihm zu unterscheiden und auch im Kopf herrschen vergleichbare, Tundra artige Zustände. Wie auf ein lautloses Startsignal, das nur Menschen mit Luft im Hirn hören können (“Resonanzraum und so” vermutet die Wissenschaft)  rammeln sie alle wie die Besessenen in Richtung Pool und werfen ihre mitgebrachten Handtücher auf die begehrten Liegen. Der Glückliche, der das Prachtexemplar direkt zwischen Beckenrand und Bar ergattert hat, wirft im Gehen noch einen verächtlichen Blick auf das Fußvolk, das sich mit den niederen Schemeln begnügen muß. Der eine oder andere nimmt noch kurz alibimäßig auf der Liege Platz und verschwindet dann wie seine Artgenossen auch wieder aufs Zimmer um noch vor 6 Uhr den Jagderfolg entweder stolz zu berichten oder ihn zu beichten und sich pflichtbewußt seine Predigt anzuhören. Dann gehts schnurstracks BILD-Zeitung kaufen und frühstücken. Denn wenn das Frühstück von 7 – 11 Uhr theoretisch möglich wäre, dann heißt das für diese Figuren: Ab dreiviertel 7 wird der Speiseraum belagert und mißmutig über jede Sekunde geknurrt, die der Kellner drüber ist mit der Öffnung der Fresskammer. Die anderen könnten einem ja die dickste Scheibe Analogkäse wegfuttern, das will man nun wirklich nicht riskieren… hmmmm, lecker, der gute Analogkäse! Danach wird der breite Arsch bis zum Abendbrot auf dem Jagdgut noch ein bisschen breiter gelegen, während sich die Epidermis farblich zunehmend in Richtung Feuerwehrauto bewegt.

Mit sowas beschäftigen sich manche Leute… ernsthaft. Dabei sehen sie vom Kleidungsstil her aus wie ne Mischung aus Sonderschulabbrecher und einem bestenfalls durchschnittlich attraktiven Platzwart aus Gelsenkirchen Buer. Und wehe es wagt sich jemand diesen auf die Liege geworfenen Lumpen zu entfernen, jemand der… sagen wir es offen: ausgeschlafen hat. Dann bricht aber die Hölle los. Und genau DA setzen die Fernsehsendungen an. Da werden jedes Jahr auf allen Sendern so wichtige Dinge hinterfragt wie “habe ich ein Recht auf meine mit dem Handtuch besetzte Liege?”. Ob das sonderlich clever ist, was die da machen, das steht nicht zur Debatte, sondern nur, ob man denn ein Recht hat. Natürlich gibt es dafür auch eine Antwort, und auch einen schmucken Winkeladvokaten, der auf einem strahlend weißen Paragraphen daher geritten kommt und diesen dem Publikum ins Notizhelft diktiert. Immer! Den gibt es IMMER! Wie so oft im Recht, stellt sich da nicht die Sinnfrage. Es will nämlich keiner wissen, ob es eine sonderlich gute Idee ist, im Urlaub früher aufzustehen als an normalen Werktagen. Auch fragt keiner genauer nach, ob diese handtuchwerfenden Figuren nicht vielleicht doch fundamental einen an der Klatsche haben, wie man als objektiver Beobachter anzunehmen geneigt ist. Noch nicht einmal die Sinnhaftigkeit des täglichen Bratens am Hotelpool in einem fremden Land wird hinterfragt. Nö, warum auch. Da wird nur nach einer juristischen Legitimation für blanke Dummheit gesucht. Das Unterschichtenfernsehen, das verpackt diese Begründung dann nur noch in möglichst idiotensichere Hauptsätze und präsentiert sie den Zurückgebliebenen und den zurück Gebliebenen.

Was bin ich froh, daß ich diese Probleme nicht habe und auch im Urlaub eher den Drang habe was zu erleben oder zu sehen – bei dem Programm, was die sich selber auferlegen, da kommt man doch kaum zum Erholen. (Sich drüber lustig machen ist ohnehin tausend Mal unterhaltsamer als sich über jeden Scheiß zu echauffieren. Zwinkerndes Smiley )

2 Kommentare:

  1. Am Anfang des Textes kam ich nicht umhin mich zu wundern, ob hier im Blog schon einmal Parallelen zu Kurt Tucholsky bemerkt wurden. Kommt gut an.

    Der letzte Satz ist prima, nicht nur, wenn's um Urlaub geht. Leider leider nich immer so leicht zu beherzigen, für mich - trotzdem seh ich es in etwa als eins meiner "Leitmotive" (ala "Schwarzer Humor, Sarkasmus und Zynismus bringen mich durch den Tag"). Manchmal übermannt einen halt die Verständnislosigkeit. =/

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  2. Und hab ich denn nun ein Recht auf meinen Liegenplatz, wenn ich das Handtuch werfe? Wobei zu bemerken wäre, dass die Liege mir gehört und auf meinem Balkon steht - es macht sie mir auch nicht wirklich jemand streitig. (Aber das ist ja egal, auf Sinn kommt es auch hier nicht an, nur auf Recht.)

    Grüße! N.

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