Mittwoch, 12. September 2012

DIE SCHEIßE

(J.B.O.)

Hallöchen. Seid gewarnt, heute wird es gegen Ende des Beitrages leicht fäkal… aber dennoch bedeutungsschwer.

Ich war heute mal wieder einkaufen – soweit erfüllt das noch nicht unbedingt den Tatbestand der Sensation. Aber an der Kasse dann, da wurde mir vom vor mir einkaufenden Rentnerduett mal wieder der Irrsinn unserer Zivilgesellschaft präsentiert.

Erst einmal grundsätzlich: Rentner haben doch Zeit, oder sehe ich das falsch. Die beiden Graukappen vor mir an der Kasse hätten doch bevor sie auf mich trafen bereits 7 Stunden Zeit gehabt um den Toom leer zu kaufen. Die hätten ab 9 Uhr in aller Ruhe durch die Regale schlendern können… wenn sie denn gewollt hätten. Sie hätten Muße gehabt, Platz und wohl auch die passendere Supermarktmusik. Aber was machen sie? Pünktlich 16:18 reihen sie sich mit einem halb leeren Einkaufskorb vor mir an der Kasse ein. Um einen herum sieht man entweder Leute die frisch in den Feierabend gestartet sind oder eben diese Shoppingknacker, die schon aus reinem Trotz den Werktätigen im Weg herum zu altern scheinen… zur Prime-Time versteht sich. Wenn ich nach der Arbeit fix noch zum Toom fahre, dann will ich vor allem, daß das schnell vorbei ist – und da ist es kontraproduktiv, wenn man dauernd von den Leuten ausgebremst wird, die gerade ungehemmt und für mich auch noch wahrnehmbar meine Rentenkassenbeiträge in Doppelherz und Granufink anlegen. Ich verstehe das nicht, warum nur machen die das?!? Außerdem sollte man sich wenn man vor ihnen an der Kasse steht mal trauen, so lange das Rollband zu blockieren, wie sie es tun. Die fahren nicht vor, wenn da Platz ist, neeeiiiiin, wo denkt ihr hin?!?! Opi wartet erst einmal ordnungsgemäß, die die Kassiererin den Warenteiler vor seinem Einkauf entfernt hat und auf die Schiene legt. Wenn dieser dann schwungvoll gegen die anderen Stöcke befördert wird, nimmt er sich dann das im entgegen geschwebte Teil und platziert es in einer sauberen Parallellage zur rechtwinklig zum Laufbandrand angeordneten Kukidentpackung hinter seinem Einkauf. Erst dann wird es dem Nachfolgenden gestattet seine Beute aufzulegen (als hätten sie Angst, versehentlich einen Großeinkauf mit zu bezahlen ohne es zu merken). Überhaupt könnte man meinen, das Zeug rollt vom Laufband direkt ins heimische Regal, das ist alles derart ordentlich aufgestapelt – Wahnsinn. Ich warte noch auf den Tag, an dem einer von denen anfängt das Zeug alphabetisch zu ordnen. Während dessen wird vorne schon gescannt und die Frau wühlt in ihrer Handtasche nach … nein, nicht dem “Portemonaie”, bei dieser Generation ist das noch die “Börse”. Dann wird nach der Zahlungsaufforderung noch verwirrt im übergroßen Kleingeldfach herum gerührt und der Verkäuferin ein “Ach, suchen sie es selbst heraus… ich habe die Brille nicht mit *hihihi*” zu gewispert. Das macht diese dann auch, begeht aber den Fehler, sie nach “Treuepunkten” und “unserer Stickeraktion” zu befragen.Während sie das tut hat Knispelgatte so langsam zwei behäbige Schritte nach vorn getan und somit das Band frei gegeben. Ich beschloss ihn ein wenig zu trollen und kippte meinen zum Einkaufskorb umfunktionierten Milchkarton voller Senseo-Kaffee, Wurst, Käse und noch mehr Senseo-Kaffee einfach schwungvoll aufs Band. Habe ich schon öfter gemacht, das gibt immer so herrlich schockierte Blicke, wenn sich mein Einkaufsgut dann so wirr und ungeordnet neben dem “Senior” (wir wollen hier ja auch mal das politisch korrekte Wort für diese Rollatorjockeys verwenden Zwinkerndes Smiley) über das  Warenband ergießt. Man sieht dann immer die Fassungslosigkeit in ihren Augen. “Wie kann man SO nur einkaufen?!? Lümmel!” schwingt dann immer mit. Jedenfalls hatten die vor mir postierten Warteschlangenpensionäre das gleiche Problem wie ich: Einen Rentner vor sich an der KAsse. Und während dieser sich die Prämien der aktuellen “Treuepunkteaktion” erklären ließ und Tiersticker “für die Enkelin” mitnahm – womit er natürlich alles aufhielt, fiel mit bei dem Einkauf der beiden Best-Ager die überdimensionierte Toilettenpapierpackung auf. Da wir ja offensichtlich jede Menge Zeit hatten, zückte ich das Smartphone und dokumentierte:

Scheißpapier

20 Rollen Scheißpapier – die haben sich ja ganz schön was vorgenommen. Aber viel interessanter fand ich den Werbeaufdruck. “Bess” ist ja noch ein recht neutraler Name, es gibt ja Klopapier das heißt “Danke” oder die Aldi-Marke “Vitesse” – dem Namen nach wohl ein Spezialpräparat für Dünpfiff. Dagegen ist “Bess” nun wirklich ein veritabler Name, der nicht viel Angriffsfläche liefert. Aber warum nennt man sowas “Deluxe”?! Hat es mit der revolutionären “Softprägung” zu tun, die im Vergleich zu herkömmlichen Toilettenpapieren einen gleichzeitig gesäßschonenden und reinigungsoptimierten Wischvorgang ermöglicht? Oder ist es wegen der fluffigen 4-Lagigkeit, von der man damals nach dem Krieg nicht einmal träumen konnte? “Wir hatten ja nüscht!” hört man den von seinem Kauf begeisterten Nachkriegskunden da mit glänzenden Augen schwärmen. Wahrscheinlich ist es von allem etwas. Jedoch das Highlight an diesem Produkt ist wohl der Spruch

“Am richtigen Ende sparen!”

Göttlich! Alleine, daß man den im Imperativ gehalten hat. Das ist kein Vorschlag, nein, das ist ein Befehl! Und Befehlen gehorcht man doch, das steckt bei dieser Generation noch tief drin. Vom Marketingaspekt her ein Geniestreich – wenngleich wenig subtil. Inhaltlich ist der Slogan natürlich auch ein Brüller. Das “richtige Ende” für Haushaltsdisziplin ist offensichtlich der eigene Arsch. Wenn sich das erst mal in Berlin herum spricht… . Zwinkerndes Smiley 

9 Kommentare:

  1. Oh, da sollte sich der Silberlöffel angesprochen fühlen. Nicht wegen der Werbung oder dem Sparaufruf - sondern wegen dem Deluxepapier. Mit Papieren kennt der sich aus.
    Also gebe ich die Frage mal weiter: Wieso ist das denn nun deluxe?

    Grüße! N.

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  2. Liebe Frau Nelja, der Herr Dr. Sommer der TPs antwortet natürlich gerne auf Ihre Frage.

    Zuerst bitte ich zu unterscheiden in Tissue- und Krepp-Qualitäten. Krepp ist dieses graue, meist einlagige "gekreppte" oder oft auch glatte zu 100 % aus Altpapier bestehende Toilettenpapier. Da ist kein "Komfort" vorhanden, das ist einfach nur eine Art Schmirgelpapier ohne Schmirgel. Früher mal das Billigste am Markt, heutzutage teurer als Tissue und nur für unverbesserliche und Amtseinkäufer am Markt. Und manchmal auch für Menschen mit künstlichen Ausgängen; mir wurde erzählt (mir ist keine Verdauungsart des Menschen fremd nach 22 Jahren in dieser Branche...), dass dies besonders gut für die speziellen Anforderungen geeignet ist. Mitte/Ende der 80er-Jahre wurde uns mitgeteilt, dass dieses Papier nur von 2 - 3 Jahre am Markt ist. Klar... Solange es Beamte gibt, gibt es Krepppapier. Zur Berechnung später mal, damit man sieht, wie der Kunde über den Tisch gezogen wird ;-)

    Tissue ist also eine Qualität, die uns als 2-lagig aufwärts bekannt ist, die "weiche" Sorte. 2-lagig ist Standard in Betrieben, dreilagig meistverkauft in Deutschlands Privathaushalten. Vierlagig ist ein Witz, weil das Papier hier schon fast wieder so fest wird wie Krepp. Mal ehrlich, 2 Lagen 2-lagig übereinander ist auch 4-lagig und kostet weit weniger ;-) Ab 4-lagig wird das Deluxe genannt. 5-lagig ist dann "Premium". Viel Spaß beim nächsten Warsteiner :-)

    Toilettenpapier kommt fast in jeder Werbung der Märkte vor und ist ein Artikel, der oft ohne Marge oder gar unter dem EK verkauft wird. Warum? Weil es dafür in Deutschland über 80 Millionen Kunden gibt. Siehste... Und auf was achtet der Kunde? Die Lagenzahl, die Rollenzahl und den Preis. Der Rest? Egal. Und da wird abgezockt.

    Papier wird nach Gewicht verkauft. Und auch eingekauft. Was also heißt: je schwerer eine Rolle, desto mehr Qualität (und Saugmaterial!) bekomme ich für mein Geld. Gerne wird mit folgenden Tricks gearbeitet:
    - größerer Rollenkern (56 mm ist Standard)
    - schmaleres Blatt
    - kürzeres Blatt
    - weniger Blattzahlen
    - besonders hohe Prägung.
    Der Kern ist größer, somit ist die Rolle bei weniger Materialeinsatz gleich groß für den Kunden.
    Schmaleres und kürzeres Blatt: hier wird auch am Material gespart, der Kunde vertraut aber auf das Handgefühl, nimmt intuitiv mehr, bis es sich "sicher" anfühlt.
    Weniger Blattzahl: auch hier wird wieder gespart, gerne im Zusammenspiel mit größerem Kern.
    Die hohe Prägung fühlt sich dicker, saugfähiger an als "flachgekreppte" Papiere. Auch hier wird wieder an Gramm Material je Quadratmeter Ware gespart.

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    1. Teil 2:
      Krepp sollte 400 Blatt per Rolle aufweisen, Tissue 250 Blatt.

      Macht Euch doch mal die Arbeit und nehmt die Küchenwaage her. Kauft ein TP; wiegt die Rolle im Ganzen, notiert Euch Blattzahl, Blattbreite und -länge und Kerndurchmesser und -gewicht. Dazu den Preis. Dies alles ist jeweils 100 %, also die Referenzwerte. Und ab da kann lustig verglichen werden. Ich wette, dass sich die teureren Produkte von namhaften Herstellern in der Regel als die schwereren und Formatgrößten herausstellen werden. Finger weg von slowenischen oder russischen Produkten (nicht alle sind übel, aber einige besondere Ausreißer...).

      Wir sind in den langen Jahren immer mit festen Lieferanten am besten gefahren. Ganz vorne dabei:
      - Fripa aus Miltenberg
      - Artex (PWA Waldhof)

      Und für Krepp:
      - Werrakrepp aus Schwallungen.

      auch hier eben: deutsche Ingenieurskunst :-)

      Und wer nun denkt, dass Recyclingpapier besonders gut zum Hintern und der Umwelt ist, der solle einfach mal überlegen, was er so in die Papiertonne wirft. Das geht zwar durch den Kollergang, aber die "Zusätze" bleiben trotzdem im Papier. Gemessen werden allerdings Gifte wie Cadmium etc. Sicher ist das Papier in jedem Fall, zumindest Westeuropäische Ware.

      Wenn noch Fragen bestehen, gerne her damit. Auf meiner Blogseite ist auch die Herstellung genauer beschrieben, das ist ein Milliardengeschäft, den Linke gebe ich gerne.

      Viel Spaß beim nächsten Klogang und dem Nachsinnen, was alles hinter den Blatt Papier steck ;-)

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    2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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    3. Ah ja... Werte von 95 - 105 % bei den Toilettenpapiervergleichen sind noch tolerabel. Alles was dann darüber abweicht ist entweder zu dünn (weniger als 95 % von der Referenz) oder zu dick und somit zu starr (mehr als 105 %).

      Und achtet mal bei 4-lagigem TP darauf, wie die inneren zwei Lagen aufgebaut sind. Tipp: Qualität des Papieres ansehen ;-)

      Wir hatten Kunden, die wollten "Tussi-Toilettenpapier", gemeint war "Tissue". Oder auch eine vornehme Dame, die im Laden immer "Pattex dreilagig, bitte" verlangt hatte. Gemeint war Artex.

      Und unser 4-lagiges hieß "Servus". Da habe ich vorher nie drüber nachgedacht, aber die Branche hat scheinbar doch mehr Humor als gedacht :-)

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    4. Nein, ich habe keine Fragen mehr.

      Im Gegenteil. Ich habe jetzt sogar Antworten auf Fragen, die sich mir nie stellten.

      Bin sprachlos.

      Danke.

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  3. Boa, hier lernt man ja noch richtig was! Hätte ich nicht gedacht, dass das solche krassen Unterschiede gibt. :-) Das Schmirgelpapier kenne ich noch von früher, finde es befremdlich, dass diese Pappe am Markt bestand hat (und das mit nur einer Lage). ;-) Dank für die Aufklärung

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  4. Wie heißt es in der Branche: "Das Ergebnis liegt manchmal auf der Hand..." :-)
    Toilettenpapier ist das Lockmittel Nr. 1 in allen Märkten. Gern geschehen, Details auf Anfrage ;-)

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