Mittwoch, 19. September 2012

GUIDO KNOPP

(Rainald Grebe)

Habt ihr denn alle gestern auch so schockiert wie ich die Nachricht vernommen, daß sich die moralhistorische Instanz unseres Landes in den Ruhestand verabschiedet? Habt ihr auch kurz inne gehalten und euch kurz nach dem “WARUM NUR, WAAARUUUUUM?!?!” gleich hinterher gefragt “Na und?”… also mir ging das so. Na gut, vielleicht habe ich mich intrinsisch auf die zweite Frage beschränkt, ich gebe es ja zu.

Irgendwie sind wir ja mit seinen Dokus aufgewachsen, das stimmt. Und wer schon älter ist, der hat bestimmt auch mal eine gesehen… so aus Versehen. Ich gebe ja gerne zu, daß ich das alles nicht unbedingt schlimm fand, früher, damals, im letzten Jahrtausend. Man lernte noch bissel was dazu und wußte auf der anderen Seite auch, daß ein gewisser Bildungseffekt so auch bei den denkbefreiteren Mitgliedern unserer Gesellschaft ankam, denn seine Dokus liefen ja im TV und der ist bei den meisten immer an. Interessant waren sie ja anfangs auch, die Dokus… damals, früher, im letzten Jahrtausend. Aber irgendwann stieß der Herr Guido an seine Grenzen. Nicht unbedingt physisch, nein, eher thematisch. Seine Grenze hieß und heißt schlicht und ergreifend “Hitler”. Aber Grenze nicht in der Bedeutung von “über diese Demarkationslinie setze ich keinen thematischen Fuß”, nein, sondern eher so im Sinne von der großen Chinesischen Mauer gegen die er permanent anrannte und an der er (wiederum theamtisch) nie vorbei kam. Keiner verkörpert den Monotheismus der deutschen Geschichs- und Selbstwahrnehmung so deutlich wie unser To-Be-Pensionär. Was soll man sich auch an Karl dem Großen, Schiller, den 70ern oder dem Mauerfall aufhalten, wenn man statt dessen Stalingrad oder die Überwindung der Maginot-Linie, den Schlieffen – plan oder den D-Day  zum zweihundertachtundfünfzigsten Mal wieder aufbereiten kann?! Kurzum: Es wurde schnell langweilig, was der Herr Knopp da präsentierte. Darüber konnte auch der von mir sehr hoch geschätzte Christian Brückner als Kommentator nicht wirklich hinweg täuschen. Die ganzen Drittreichssendungen verkochten langsam zu einem Einheitsbrei, in welchem die immer gleichen Zeitzeugen die exakt identischen Videosequenzen in einem (immerhin) neuen Zusammenschnitt kommentieren mußten. Aber damit noch nicht genug. Aus Dokumentation wurde mehr und mehr Dokutainment, was geschichtlichen Sendungen meiner Meinung nach nicht gut tut. Wenn ich so etwas will, dann schaue ich DMAX, aber nicht ZDF. Selbst mir als Doku – Fan hat sich der Guido quasi selbst abgewöhnt. Es gibt bessere, informativere und auch hintergründigere Geschichtsdokus auf Phoenix, VOX, N-TV oder N24 – man muss nur wissen, wann man einschalten muss. Vor allem kommen die auch mal ohne diesen ekelhaften Hetzer mit seinem Idiotenscheitel und dem Stummelbärtchen aus. Da lernt man einfach mehr.

Aber gut, jetzt ist eh erstmal Essig mit Guido. Irgendwie wird er mir dann doch fehlen, das muss ich auch wieder zugeben. Vielleicht ergreift das öffentlich restliche Fernsehen ja die Chance und richtet seine Geschichtssparte neu aus. Wahrscheinlich werden die Programmanteile derartiger Formate erst einmal absacken, aber weniger ist eben auch manchmal mehr – wenn es dafür gut gemacht ist. Das wünsche ich mir. Die Wiederholungen von “Hitlers Helfer” und “Hitlers Hauslieferant-für-rechtsdrehende Milchsäurekulturdarmaktivitätssteigerungsjoghurts” werden ohnehin in den dritten Programmen (*höhö-Wortspiel*) noch in der 234. Wiederholung unsere Ururenkel verstören.

Jetzt wäre der Guido aber nicht der Guido, wenn er nicht zum Abschluß noch einmal so richtig auf die Kacke hauen würde. Als Good Bye spendiert er uns ein wahrhaft episches Häppchen (meint er zumindest): Einen Vierteiler namens “Weltenbrand”. Dieser wurschtelt ersten und zweiten Weltkrieg gleich mal zusammen. Historisch und vom Reiz-Reaktionsschema her sicherlich nicht ganz so abwegig, aber man wird bei der Penetranz mit der Knopp es betreibt dann doch den Verdacht nicht los, daß das irgendwie nur deshalb gemacht wurde um auch schon ab 1914 ausgiebig über Hitler reden zu können. Ich habe gestern versucht mir das mal anzuschauen, rein Interesse halber. Das war alles schön bunt, weil eben aufwändig nachkoloriert. Mehr aber auch nicht! Das ist ja das Dilemma, mit viel Schnickschnack und Pomp aufgehübscht sieht es vielleicht gut aus, weil so noch nie gesehen (oder habt ihr schonmal Militärparaden von 1914 in bunt gesehen?!? Alle unter 120 Jahren Lebensalter dürfen sich angesprochen fühlen), aber es ist halt auch arschlangweilig, weil der ganze Aufbau und das pathetische Grundgerüst der ganzen Sendung schon x Mal vorher da war. Das ist teilweise so überstreckt… naja. Ich schlief nach nicht einmal 10 Minuten tief und fest… KURZ NACH ACHT UHR!!!!!! Ein Totalausfall war das wenn ihr mich fragt. Doch selbst in diesen 10 Minuten wurde mehr über den “Böhmischen Gefreiten” berichtet als über Kaiser Willhelm, da verschieben sich doch irgendwie die Prioritäten eines guten Sendekonzeptes finde ich. Der erste Weltkrieg hat mit Hitler ursächlich nix zu tun, der war nur zu dumm sich in selbigem erschießen zu lassen. Basta! Naja, ihr seht was ich meine, oder?!?

Aber wir wollen hier mal nicht nur meckern. Irgendwie hat es der Guido ja auch geschafft, das Interesse an geschichtlichen Themen wieder in die Mitte unserer Gesellschaft zu tragen. Damit es auch wirklich der letzte Plebs versteht, war er halt dazu gezwungen den Historiendrink einmal kräftig umzurühren und ihn auf Eis und mit ‘nem Schirmchen drin zu servieren, kann man ihm das wirklich vorwerfen? (-> Hier bitte persönliche Antwort einsetzen)

Also Guido, alter Piratensender, mach et joot min Jung und hier nochmal ein kleines Ständchen für Deinen Abmarsch:

4 Kommentare:

  1. Ehrlich gesagt.... ich weiß nicht gut genug für welche Teile der einzelnen Sendungen jetzt wirklich verantwortlich ist/war, aber seine An- und Abmoderation brauche ich persönlich nun wahrhaftig nicht. True story. Darüber hinaus bin ich allerdings großer Fan von ZDF History und wenn mit ihm jetzt Themen, Sprecher, Aufbau, Regie & Co. gehen... und die Titelmusik!, dann bin ich traurig.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ist das die Sendung, wo er immer mit seinen "Detektiven der Geschichte" anfängt? Finde schon diesen Begriff ganz schlimm.

      Löschen
  2. Oha und ich hoffe doch sehr, dass er NICHT wie befürchtet aus dem Fernsehn nach Südamerika zieht. Dann werden wir den nämlich nie los. (Man merkt kaum, dass ich ihn nicht mag).

    AntwortenLöschen
  3. Erste Reaktion: "Knoppers wird eingestellt!" Schock. Genau hingehört: "Knopp wird kaltgestellt!". Besser.
    In den Fernseher geschaut: Ach, der ist das - leichtes Egalgefühl stellt sich ein.

    Irgendwann zwischendrin war ich auch mal fester Überzeugung, er ist einer der Helfer Hitlers. Die Namen haben irgendwie zusammengehört. Beim zappen durch die Kultur (man will ja vielfältig gebildet werden, hat aber keine Zeit dafür) habe ich dann immer drauf gewartet, dass der Mann mit der negativen Gebisslinie und den unsympathischen Gesichtszügen (in Verbindung mit einer Art Frisur) in ein Haunebu einsteigt und winkend und flaggeschwingend in die Arktis fliegt. Zum Chef. Für immer. Nie tat er mir den Gefallen. Nicht mal für Recherche. Ach man...

    Jetzt geht er in Rente. Halt! Nur zum Teil. Irgendwie will er dem Fernsehen erhalten bleiben. Hat er im MoMa gesagt. Da wurde auch gezeigt, wie die Filme von 1914 - 1918 nachträglich coloriert wurden. Finde ich Farbverschwendung. Ist aber sein Erbe. Und das Gute: ab dem nächsten Jahr dürfen auch die Menschen für so einen Mist mitbezahlen, die keinen Fernseher haben. Vielleicht ist dann sogar so viel Geld übrig, dass Guido wieder zurück darf. Mit Gottschalk wird ja angeblich auch geredet. Schöne Gerontenwelt, schöne.

    AntwortenLöschen