Samstag, 15. Januar 2011

Pearl Jam - LIVE ON TEN LEGS Review

Heute muß ich mal kurz meine eigenen Inkonsequenz loben; den Makel, mal wieder schwach geworden zu sein, obwohl der erste Impuls eher in die Richtung “wer braucht denn solchen Kokolores” ging. Es war vor ein paar Monaten, als Pearl Jam nebulös einen neuen Live-Sampler ankündigten. Vorher wurde über den arg grenzwertigen Titel “Death on Ten Legs” bereits spekuliert, was dann aber auch recht zeitnah entschieden seitens der Band dementiert wurde. Nachdem kurz darauf das Artwork bekannt gegeben und der Vorbestellmarathon beim Ten Club eröffnet wurde, begann die große Diskussion in Fankreisen; zu recht wie ich meine. Braucht man von einer Band, die seit 2000 jedes ihrer Konzerte als Live-Album veröffentlicht hat (naja, leider nur FAST jedes... ) wirklich eine erneute Zusammenstückelung einzelner Live-Songs von verschiedenen Auftritten? Naturgemäß kam ich auch ins Grübeln, vor allem weil ich vom Zeitraum 2005 -2010, aus welchem die Live-Aufnahmen stammen, ohnehin jedes Bootleg mein Eigen nenne. In der einen oder anderen Form besitze ich also jede einzelne Version bereits. Da ich auch nicht der Einzige bin, dem das in Kreisen der Die-Hard-Fans so geht, ging auch der allgemeine Diskurs in eine eher verhaltene Richtung. “Nett mal wieder was Neues zu  haben, aber brauchen tut das keiner”, auf diese Floskel schien man sich zunächst zu einigen.
Ich für meinen Teil beschloß dann irgendwann, dass ich mir entweder die CD oder die Vinyl-Version zulegen würde. So ganz ohne gings dann doch nicht. Irgendwann wurde dann gemeiner Weise noch die “Limited Deluxe Box” angekündigt, was ich allerdings erst mit einem Schulterzucken abtat, irgendwie schien mir das dann doch schon ein wenig zu dick aufgetragen.
Je näher der Release aber rückte, desto stärke juckte es dann doch in den Fingern, und umso attraktiver erschien mir die Deluxe-Box. Doppelvinyl und Silberling in einer angemessenen Umverpackung, dazu ein paar großformatige Fotos sowie vier schicke Poster-Reprints wurden einem da versprochen. Dazu noch ein “Tour Laminate”, sicherlich nicht mehr als eine nette Spielerei, mit der man zwar nicht wirklich etwas anfangen kann, die aber unter Umständen einen erquicklichen Sammlerwert einsammeln könnte. Wenn nicht, auch egal. Jedenfalls begann ich irgendwann im Dezember mit mir zu kämpfen. Erstmals seit Langem hatte ich auch beim Ten Club keine der Versionen vorbestellt (was mich bislang aber nie davon abhielt mir am Release-Day die reguläre Version im Saturn zu kaufen). Also konnte ich relativ lange mit der Kaufentscheidung warten... und das tat ich dann auch. Ich will gar nicht wissen, wie oft ich bei Amazon die Deluxe-Box aufrief, sie in den Warenkorb verfrachtete und dann doch abbrach. Man hat ja noch Zeit, warum jetzt schon vorbestellen?!? Release-Date ist ja erst der 14.01.2011; zweitausendelf... das ist nächstes Jahr, da kann man sich das nochmal überlegen! Ja, Pustekuchen... “überlegen” am Arsch! Am 13.01.2011 saß ich dann mal wieder vorm Rechner und betrachtete die Box. Diesmal zog ich es aber durch... erwartungsgemäß wenn man es mal realistisch betrachtet. Mal ehrlich: als ob ich die Finger von der Box lassen könnte. Und so hämmerte ich vorsichtshalber die Adresse meiner Mutter als Lieferanschrift ins Bestellformular (denn da würde ich am Wochenende sein) und investierte den knappen Fuffi. Als Rechtfertigung diente mir, neben dem Preisverfall von EINEM EURO im Vergleich zum Vortag, die Tarif-Sonderzahlung, welche im Januar auf meinem Konto eingehen wird (so ziemlich das einzig Sinnvolle, was Verdi diesmal verbrochen hat im Übrigen. Der Rest ist Augenwischerei!). Und so wartete ich dann heute auf die Gebirgspostische, die so gegen 11:30 immer in ihrem VW vorbeigekaschpert kommt. Ja, so wartete ich dann und mußte voller Entsetzen zusehen, wie sie lediglich die Zeitung meiner Mutter und einen Werbebrief dabei hatte. Scheiße! Dann muß ich noch ne Woche warten! Dabei wollte ich das nächste Wochenende eigentlich in meinem Revier bleiben, aber das hätte mir dann keine andere Wahl gelassen als mich am Freitag nach dem Feierabend hinters Lenkrad zu schwingen. Also fuhr ich, was ich eigentlich nicht geplant hatte, geschwind ins Nachbarland tanken und bereicherte im Duty Free Shop meine Whiskeysammlung gleich noch um einen 14jährigen Glengoyne. Als Trost, sozusagen. Außerdem brauchte ich mal wieder eine Alternative zu den ganzen Islays, die meine Schrankwand mittlerweile bestimmen. Irgendwie gewinnen die fast immer wenn ich mich zwischen zwei Flaschen zu entscheiden habe... koooomisch! Jedenfalls kehrte ich dann heim und starrte FASSUNGSLOS auf den Mitteilungszettel des Hermes-Versand. Hätte ich gewußt, dass doch noch eine Chance besteht, die Box HEUTE geliefert zu bekommen, ich wäre weiß Gott nicht auf die Idee gekommen tanken zu fahren. Da die Sendung aber beim Nachbarn abgegeben wurde, schniekte ich schnell nach nebenan... nur um fest zu stellen, dass dieser nicht da war. Das durfte nicht wahr sein! Laut Zettel verpasste ich den Lieferanten außerdem nur um 10 Minuten; meinen Nachbarn wahrscheinlich sogar um einige weniger. Also ging die Warterei los... etwa 16 Uhr startete ich den zweiten Versuch und: TATSÄCHLICH, ich bekam das entsprechende Päckchen überreicht. Weltklasse! Schnell zurück nach Hause, Plattenspieler vorgeheizt und die Versandbox geöffnet! Der erste Eindruck war durchaus positiv. Schick sieht sie aus, die Umverpackung, aber seht selbst:

 
Draufsicht

 
Rückseite mit Tracklist (man achte auf das rot unterlegte Worträtsel ;-) )

Dann also flink die Klarsichtfolie entfernt und die Schatulle behutsam geöffnet. Klar, ich kannte ja den Inhalt, habe bereits erste Bilder im TC Forum gesehen und sämtlicher Previews gelesen, ich  wußte also was mich erwartet. Dennoch war der erste Eindruck ziemlich groß; und er wuchs noch, während ich die Vinyls auflegte und mich beim Hören mit dem Inhalt beschäftigte.

Monochrome Freude






Sehr schöne Fotos, die Miniposter - Reprints ebenfalls von hoher Qualität. Auch wenn man sich  über die Auswahl der Poster sicherlich streiten kann, aber wenn man sich etwas Zeit nimmt, macht sogar San Diego 2010 Spaß; man entdeckt einfach unglaublich viele Details.

Die Tonträger (Vinyl 1 rotierte gerade)

Bildgewalt
Ansonsten kann ich nur sagen, dass sich da jemand richtig Mühe gegeben hat mit der Box. Die Vinyls und die CD sind ganz im “The Who” Logo gestaltet, was wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Eddie zu verdanken haben. Das Artwork ist zwar eine Fortsetzung der “Live on Two Legs”, allerdings auch eigenständig genug um nicht als billiger Abklatsch rüber zu kommen. Logischer Weise wirkt das auf der Doppelvinyl viel intensiver und besser als bei der CD, aber auch die braucht sich nicht zu verstecken. Vom Klang der neuen Abmischungen bin ich vollkommen geflasht! Einfach unglaublich, was die Kerls aus den Songs raus geholt haben. Hat bestimmt ne Stange Geld gekostet das Ganze und jede Menge Zeit. Klar würde man sich das auch für die Bootlegs wünschen, was aber wohl bei der Kosten - Nutzen - Relation übel in die Buchse ginge befürchte ich. Jedenfalls ist der Ersteindruck einfach nur göttlich. Jedem “Gelegenheits-Hörer” wird hier auch von der Songauswahl her ein guter Einstieg ins Pearl Jam Universum gegeben. Dazu ein kleiner Einblick in das unglaubliche Live-Potential der Band. Denn auch wenn die Übergänge zwischen den Songs klasse versteckt sind, die Magie eines ganzen Konzerts wird naturgemäß nicht erreicht. Wer sich neben der “Live on Two Legs” auch noch ihren “großen Bruder” hier zulegt, dürfte auf jeden Fall angefixt sein.
Unterm Strich bin ich heilfroh, dass ich vorgestern schwach wurde und mir die Box geordert habe. Die ist mal wieder jeden Cent wert. Selbst wenn ich jeden Song in jeder Version bereits kannte, die neue Abmischung überzeugt und die Ausstattung der Box ist meiner Meinung nach Die-Hard-Fan-kompatibel! Die Scheibe an sich macht durchaus Sinn, wenn auch vorrangig für die Gelegenheitshörer. Wenn man genauer darüber nachdenkt sollten die ganzen Bekloppten (wie ich) das auch so akzeptieren, was ist denn schlimm daran? Für die Freaks hat man schließlich diese Box geschaffen; das Ding macht sich hervorragend in der Sammlung und wertet durch die ganzen Extras dieses (auch objektiv betrachtet hervorragende) Livealbum für die Fanbase ordentlich auf.

Eines sollte aber noch erwähnt werden, nämlich die Songauswahl. Man mag sie eigenwillig nennen, ich tue es zumindest. Warum mal zum Beispiel “Public Image” darauf findet, aber keinen Song der großartigen “No Code”, ist mir schleierhaft. Was ausgewählt wurde, passt aber zusammen und die jeweilige Liveversion ist obendrein noch in jedem Fall eine der besten die es in den letzten Jahren gab. Mit “Unthought Known” und dem Closer “Yellow Ledbetter” sind außerdem gleich zwei Songs vom 2010er Auftritt in der Wuhlheide dabei; dazu noch das Poster Reprint dieses Abends. Man kann es als Bon Bon für die europäischen Fans verstehen; als Ausdruck der seit 2006 recht offensichtlichen, engen Bindung der Band an diese Venue. Man kann es aber auch als kleines Dankeschön für den 30.06.2010 vestehen , als wir da alle mit der Band den 10. Jahrestag von Roskilde verbrachten. Ich weiß jetzt nicht, ob der Tourplan extra so gewählt wurde, dass man genau an diesem Tag in Berlin gastierte oder ob das schlicht Zufall war. Mein Gefühl sagt mir aber, das war beabsichtigt und dass diese Box hier daher auch nicht umsonst leicht Berlin-lastig ist. Dieser Abend scheint der Band ziemlich wichtig zu sein, das Schöne dabei ist, dass sie es uns mit dieser Box auch zeigen.

Komplettpaket

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