Mittwoch, 4. April 2012

THAT CROWN DON’T MAKE YOU A PRICE

(Murder by Death)

Habt ihr letztens mal eine Frau gesehen? So richtig in freier Wildbahn und vielleicht sogar noch berufstätig, obwohl sie auf dem Rücksitz den Kindersitz spazieren fuhr? Glück gehabt. Geht es nach den erzkonservativen Weltfremdlingen aus der Union wird sich das bald ändern. Die Sau wurde zwar schon mal durchs Dorf getrieben, momentan wird die Diskussion aber wieder aufgekocht und es scheint, als ob man ernsthaft über diesen vollkommen beschränkten Reisezuschuß in die emanzipatorische Vergangenheit nachdenkt. Daß solcherlei Stumpfsinn im dunkelschwarzen Bayern Anklang findet, verwundert ja nicht, aber wir müssen nun ja nicht jeden Scheiß mitmachen, der aus der Zone der politischen Unzurechnungsfähigkeit über die Landes… oh, sorry “Freistaats”grenze zu uns durchosmotisiert. Das Konzept ist so beknackt, daß es von der FDP stammen könnte. Frauen sollen ihre Blagen in Eigenregie erziehen und ganztagsbekaschpern und werden dafür mit einer staatlichen Prämie bedacht, wenn sie keinen Kita-Platz beanspruchen. Super Idee! Das Praktische daran ist, daß das billiger und bequemer ist, als Betreuungsplätze zu schaffen, auf die ab 2013 ja ein Rechtsanspruch bestehen soll. Für die Kinder geht der Schuß aber nach hinten los. (Früh)kindliche Entwicklung sollte im Idealfall – das wird einem jeder Entwicklungspsychologe sagen – unter Gleichaltrigen statt finden. Wenn die Wänster ihre ersten 3-6 Lebensjahre immer nur von einer beschürzten Hausmuddi verhätschelt werden und man sie dann notgedrungen auf die Schule losläßt… na gute Nacht. Das werden weinerliche, verpampelte Muttersöhnchen, denen die bösen, kita-gestählten Klassenrüpel täglich ungeschoren das Pausenbrot mopsen. Deppenkinder eben, Deppenkinder, die keiner haben will… außer Mutti! Und das in einer Gesellschaft, die feste “Bildung, Bildung!” brüllt und Individualisierung und mentale Flexibilität verlangt. Wer da gleich mit einem derartigen Klumpfuß ins Rennen geht, der macht bestenfalls das Rütli-Abitur; wenigstens wird er aber erhebliche Probleme haben eine vernünftige Sozialkompetenz aufzubauen.

Auch sehe ich das für die Mütter durchaus kritisch. Das geht schon mal damit los, daß dieses längst überholte “Berufsbild” der Hausfrau wieder gepusht wird. Wer sich das leisten kann, weil Papa die dicke Kohle heim schleppt und Frau selbst mit ihre Rolle als familieninterne Küchenhilfskraft und Reinigungshilfe “with benefits” zufrieden ist… der soll das tun; der soll diesen Blödsinn dann aber auch selber finanzieren. Aber normal ist das nicht, schon gar nicht, wenn das Haushaltseinkommen, na, sagen wir mal euphemistisch “eine suboptimale Größenordnung” hat. Nach 3 oder gar mehr Jahren staatlich gesponserter Aufzuchtpause für den kleinen Kävyn-Jöhremyah (daß sich diese Schreibweise durchsetzt ist nur eine Frage der Zeit), hat man aktiv seine Berufserfahrung vernichtet und fängt quasi wieder bei Null an. Nebenher wird durch derlei finanzielle Reize für die staatliche/kommunale Entlastung was Kinderbetreuungsangebote angeht auch ein riesiges Potential an Fachkräften und Qualifikationen gefährdet, welche wir gut brauchen können. Jetzt nicht falsch verstehen, Erziehungszeit ist wichtig, aber irgendwann ist es auch mal gut und man muß den Sproß auch auf Gleichaltrige los lassen, wenn er sich entwickeln soll. Bloß weil es in irgend einem selbst ernannten Gottes(frei)staat einem Ü50jährigen “Expertengremium” mit Gamsbarthut und Jesuskreuz über dem Trachtenbett mal einfällt, daß man die Maderln so auf recht charmante Weise wieder in die heimische Küche holen und vor allem da halten könnte, anstatt sich z.B. von ihnen regieren zu lassen, muß das noch lange keine gute Idee sein. Ich möchte mal wissen, wo geschrieben steht, daß erwerbstätige Eltern schlecht sind für ihre Kinder. Die tun ja gerade so, als wären Mütter mit Jobs so eine Art keifende, liebloses Höllenbrut, die den Nachwuchs in die Kita abschiebt um Ich-bezogen Karriere zu machen und ihre Ruhe zu haben vor dem kreischenden Balg. Da lobt man sich doch die verantwortungsbewußten Heimchen am Herd, die Junior ganztags den Arsch hinterher tragen und nebenher RTL laufen haben und sich die "People-News” der Unterschichten Peer-Group 24/7 ins mentale Gebälk ballern. Die muß man natürlich für ihren hochgradig nützlichen Beitrag zum gesellschaftlichen Gemeinwohl prämieren, und nicht diese Rabenmütter, die neben Kind und Erziehung sich noch beruflich einbringen und sich vielleicht auch noch erdreisten Hobbies zu haben. Denen kann man doch die Kita-Beiträge oder Mittagsessenspreise für den Junior erhöhen, um sie für ihr Verantwortungsbewußtsein auch mal angemessen abzustrafen. Früher, da hätte man solches Ketzertum noch dem Feuer übergeben, südlich der Isar. Geht aber mittlerweile nicht mehr, also denkt man sich neue Schikanen aus. Irgendwie muß man ja schließlich das Geld, was man den Glucken in den Rachen wirft ja auch wieder rein bekommen – warum dann nicht auf diese Weise?!

Das Schlimme ist nur, daß die Mittel, die für diesen Schwachsinn ausgegeben werden sollen, den Kitas fehlen. Da wären sie sinnvoller angelegt als in diesem Blödsinnsprojekt. Kann mir mal einer erklären, was an dieser Herdprämie sinnvoller ist als ein dichtes, gut ausgestattetes Kita-Netz? Niemand? Na dann ist ja gut. “Herdprämie”, das ist schon ein recht guter Name für diesen Kokolores, aber um ihn anständig zu diskreditieren, sollte man noch heftigere Schlagworte finden. Irgend einen Slogan, der die Nutzlosigkeit und Widersinnigkeit der ganzen Sache ebenso auf den Punkt bringt wie die Verachtung, die jeder aufgeklärte, moderne Mensch dieser “Prämie” zollen sollte. Wie wäre es denn mit

“AbmahnanwaltsfinanzamtspolitessenhedgefondbankervogelgrippenkettensägenmassakerFDP – Zuschuß”?!

5 Kommentare:

  1. Uiuiui.... So viele Vorurteile in so einem knappen Text. Wo fange ich an? Nun - Bayern, das ist sogar für uns Freistaatler (Thüringen ist übrigens auch einer) eher Oberbayern und Niederbayern. Wir Franken zählen uns da eher nicht dazu. Was sich schon an der Tracht zeigt. Gamshüte müssen "sich verdient" werden, einfach so ist nicht. Der Franke z. B. hat als Tracht einen Gehrock und einen Dreispitz. Nur mal so nebenbei, weil das die wenigsten Menschen wissen. Und wahrscheinlich auch nicht interessiert. Interessant wäre wahrscheinlich, dass sowohl die bayerische Hauptstadt als auch unser schönes Coburg seit Jahrzehnten von den "Roten" regiert wird.

    Einig ist man sich allerdings in Bayern, dass die Familie traditionell einen viel höheren Stellenwert hat, als dies vor der Grenzöffnung in Neufünfland übelich war. Die Frau wurde nicht unbedingt wieder aus "sozialistischen Planerfüllungsgründen" wieder in die Betriebe geschickt, in denen es manchmal nichts zu tun gab. Woher ich das weiß? Verwandtschaft aus der ehemaligen Zone. Wenn eine Frau in Bayern wollte/will, dann kann und konnte sie durchaus auch in den Beruf zurück, hat dann eben das Kind in den Kindergarten gegeben. KiTa ist auch so ein Scheißwort. Gibt es in Bayern nicht. Ist ja auch ein Biergarten und keine Biertagesstätte. ;-)

    Und in Bayern ist es durchaus noch üblich - gerade in den ländlichen Gegenden - dass Kinder im Rudel aufwachsen. Und das dann auch durchaus in verschiedenen Altersstufen. So war es auch bei mir. Und keiner meiner Freunde, die mit mir bis zum sechsten Lebensjahr aufgewachsen sind und erst dann in die Zwänge des Staates getrieben wurden, hat einen Kevin oder eine Jaqueline. Soll ich mal was verraten? Wir nennen das hier "Ostnamen". Wie Mario und die ganzen anderen Namen auch, die Freiheit verheißen sollen. OK, die Namen in Bayern sind dafür vielleicht eher aus der christlichen Geschichte. Aber Kevin? Schakeline? Nun, wir mussten im IKEA Erfurt laut lachen, als uns die fünfte Schakeline (in der fünften Schreibweise) über den Weg lief. Natürlich - Achtung, Klischee! - in der typischen "Osttracht": zweifarbige Haarpracht und greller Lippenstift. Nun, auch die "Wessis" haben Vorurteile, die nicht auf jeden "Ossi" zutreffen, wie eben auf das dunkelbayerische. Was übrigens nich ganz so verkehrt sein kann, wenn ich dabei auf den Länderfinanzausgleich verweisen darf. Aber, es sei gegönnt. Ganz falsch scheint das Verhalten der Bayern aber nicht zu sein, mir hat es einen Vorruhestand mit 38 Jahren gebracht, ohne dass ich staatliche Hilfen annehme.

    Allerdings stimme ich zu, dass die Zahlung des Ausgleiches ein Anreiz sein kann, das staatlich bezogen ALG II mit diesen Geldern aufzustocken. Und das wäre wirklich nicht im Sinne der Erfinder.

    Ach ja, ist mit dem Rütli-Abitur ein Hauptschulabschluss gemeint? Nun, der hat mir den Start in ein recht bewegtes und erfolgreiches Leben verschafft. Kommt immer darauf an, ob man stur für ein Abitur lernt und eigentlich nicht den Inhalt versteht sonder nur Buchstaben rezitieren kann. Oder ob ich aus der einfachen Bildung etwas mache und im Leben lerne und adaptiere.

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  2. @DerSilberneLöffel: Immer mit der Ruhe, das da oben ist alles nicht so ernst gemeint und mit Klischees überziehe ich sehr gerne, wenns schnittig klingt (das wird Dir hier öfter begegnen fürchte ich). Mit Rütli-Abitur meine ich eher gar keinen Abschluß und aufs ALGII habe ich auch nicht abgezielt (jedenfalls nicht direkt). Mir gings eher darum, daß man als Staat meiner Meinung nach unverantwortlich handelt, wenn man sowas fördert, andererseits aber Quotenregelungen für Frauen etc. fordert und viele Frauen so aus dem Erwerbsleben heraus ködert und ihre Familien dann (indirekt) mittelfristig in die Sozialsysteme drückt, was nicht nötig gewesen wäre. Was die Kitas und die Hintergründe in der DDR angeht... Ansichtssache, ich fand es besser (allerdings in einer Gesellschaft, die für jede(n) auch was zu tun hatte (oder zumindest so tat). Es hat schon seinen Grund, daß auch für arbeitslose Mütter die Kita vom Jugendamt gezahlt wird (halt nicht Vollzeit) finde ich. Und zur Krönung sei erwähnt: Ich wohne selber in einem "Freistaat" ;-).

    PS: "Neufünfland" finde ich als Begriff übrigens super.

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  3. Na, meinste, meines war ernst gemeint? Les mal im Blog, da nehme ich oft genug die Vorurteile hoch. Und ich hatte zwei "Ossis" als Angestellte, über die lasse ich noch heute nichts kommen. Ossi und Wessi - blödes Gelaber. Aber das "Kastendenken", das nervt mich schon. Allerdings unterscheiden sich die Bayern schon manchmal krass von anderen Menschen. Aber das ist dann wirklich eher weit unten im Süden zu finden.

    Gerade die Franken stehen doch auf dem Kriegsfuß mit den Bayern. Und die Coburger sind "Residenzler".

    Und ich bin auch gegen diese Pauschale, mit der sich der Staat aus seiner Verantwortung stehlen will. Wie war das mit 2013 und dem rechtlichen Anspruch auf einen Platz für die Kinder? Für mich werfen die da eine Nebelbombe, die von den wirklichen Problemen ablenken soll. Bei uns z. B. ist mir kein Neubau, Umbau oder auch nur eine Erweiterung eines Kindergartens bekannt. Wie die das noch schaffen wollen? Tja.... Da ist sicher noch was im Zauberkoffer der Ablenkung, was uns dummen Bürgern wieder um die Ohren gehauen wird.

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  4. Ein sehr schwieriges Thema.... ich befürchte auch die ALGII-Aufstockung auf Kosten genau der Kinder für die die Frühförderung abseits des heimischen TV Geräts neben kettenrauchenden Eltern (das war ein Klischee) ganz besonders wichtig wäre. Das bereitet mir sogar mehr Sorgen als Rockzipfel-Weichlinge übervorsichtiger Vollblut-Mamis... mein Bruder gehört zu der Kategorie. Sollte in den KiGa, hat so lange geplärrt, bis unsere studierte stay-at-home Mama nach ner Woche aufgegeben hat - was geworden ist er aber trotzdem so weit ;)

    Aber ich bin mal gespannt: meine Brut soll definitiv in Hort und KiGa, aber ob ich in 3-4 Jahren dann den Platz meiner Träume bekomme ist fraglich....

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  5. Eigentlich ist es ja Sache der Eltern, wie sie ihr Kind groß erziehen wollen (bis zur Schulpflicht jedenfalls alleinig). Dass ein Staat da lenkend eingreift, kann ich verstehen und befürworte das auch. Aber doch bitte - wenn schon nicht im Sinne der Kinder, dann zum Vorteil des Staates. Und der hätte nun mal mehr von
    - effizienten Kindertagesbetreuungsangeboten mit qualifiziertem Personal (sagen wir mal KiTa dazu),
    - Nutzung gut ausgebildeter Frauen in ihren Berufen,
    - die Steuern zahlen und ihre Rente/Altersvorsorge selber bezahlen,
    - von Fachkräften gut ausgebildete Kinder
    - mit Sozialkompetenz.
    Also bitte Leute: baut die KiTas aus, qualifiziert die Erzieher und bildet mehr davon aus - bitte endlich auch mal Männer - und kümmert euch um die Zukunftsbürger dieses Staates. dann klappt es demnächst nicht nur mit Pisa sondern vielleicht auch noch mit einer angemessenen Menge dringend benötigter Fachkräfte. (Der Abschluss ist ja schon fast egal, Hauptsache überhaupt irgend einer.) Schon dieses Programm alleine hätte Konjunkturpotential.
    Wir müssen schon sehr reich oder sehr arrogant sein, wenn so ein Potential verschleudern und verschenken.

    Grüße! N.

    PS an den SilbernenLöffel: Du musst dich als Franke doch gar nicht angesprochen fühlen, wenn der Tarnfinne über die Bayern herzieht. Solange du kein Veganer oder in der FDP bist, ist alles gut. ;)

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