Sonntag, 20. März 2011

HELLS BELLS

(AC/DC)

Ring frei, liebes Fußvolk! Na, wer hat sich gestern diesen epischen Faustkampf des Dr. Eisenfaust gegeben? War das nicht ein denkwürdiger Abend, den uns Klitschko und Solis da in der Domstadt lieferten? Weltklasse! Ich muss dazu sagen, dass es bei uns zwei familiäre Pflichtveranstaltungen im TV gibt, welche wir uns alle zusammen reinpfeifen, sofern sie denn mal stattfinden. Das eine ist “Wetten dass...?!?”, gut, damit ist dann wohl bald aber auch Sense wenn der Tommy aufhört. Noch weiß man zwar nicht, wer übernimmt, aber um die Bude interessant zu halten, muß er schon sehr gut sein. Eventtyp Nr.2 sind Klitschko - Kämpfe. Welcher der Brüder dabei in den Ring steigt ist dabei unrelevant. Optisch kann man die zwei ohnehin kaum unterscheiden und so kommt es dann auch ein paar Stunden vor jedem Kampf zum ewig gleichen Ritual. Mutter fragt “welcher Klitschko kämpft denn heute abend eigentlich?” Nicht, dass es irgendwie von Bedeutung wäre, welcher der beiden da seinen bemitleidenswerten Gegner vertrimmen wird, aber man will es dann doch wissen. Also schmeiße ich, der ich auch in Unkenntnis schwelge, fix den Videotext an und sage “Vitali!” oder eben “Vladimir!”. Damit wäre das geklärt. Von jedem dieser zwei Events erwartet man einiges, beide an einem Abend, da erwartet man schon ne Menge!

Jedenfalls war gestern so ein Tag, wo TV-technisch für uns Ostern, Weihnachten und das WM-Finale auf einen Tag fielen: Erst Gottschalks laue Samstag Abend Unterhaltung und direkt danach die groß angekündigte Ringschlacht. Wir freuten uns auf spektakuläre Wetten und danach eine Drescherei epischen Ausmaßes; auf mitreißende Wetten und fliegende Fäuste! Am Ende, so weiß man heute, gabs von beidem nichts. Zunächst quälte sich Thomas Gottschalk mehr schlecht als recht durch eine an Höhepunkten kaum zu unterbietende Show. Das “Lowlight” dabei war diese unglaublich nervtötende Göre, dieser hoffnungslos überbewertete kanadische Trällerwanst namens Justin Bieber. Nicht nur, dass diese akustische Heimsuchung den stereotypen Unterschichtenvornamen trägt, er ist auch noch potthässlich. Eine bis zum Erbrechen überinszenierte Mischung aus Michael Jackson, Backstreet Boys und U2 (was die Showelemente angeht). Dazu diese elende Gequietsche und Gepfiepe der pubertierenden, leider Gottes pfeiffähigen Gören im Saal, nur weil Kollege Milchbubi man eingeblendet oder vom Moderator namentlich erwähnt wurde... lächerlich! Einziges Highlight, neben dem einen oder anderen blöden Spruch von Thomas Gottschalk, war mal wieder Udo Jürgens. Allerdings muß man selbst diesen für die Kartenpreise seiner anstehenden Tour massiv tadeln. 130€ ist schlicht und ergreifend eine Frechheit! Sich und seinen Fans tut der Meister damit wohl keinen Gefallen. Sogar meine Mutter verzichtet da auf den Konzertbesuch. Aber wie dem auch sei, im Vergleich zum Bieber war Udo Jürgens eine Wohltat. Kanada ist doch das Land der Holzfäller, Trapper und Jäger; ein El Dorado für Fischer, Axtwerfer und Naturburschen, dessen Imagemonument der muskulöse Mountie ist, der mit strengem Blick die Touristen zu ökologischer Verträglichkeit gemahnt; und dann kommt von da so eine KRAMPE wie dieser Bieber! Ekelhaft! Aber gut, nach Brian Adams hätte man es wissen müssen.
Egal, direkt von Udo wurde per Senderwechsel zum Faustkampf gewechselt. Wir gaben uns die Vorberichterstattung und die Experteneinschätzungen. Schon interessant, die sagen vor jedem Kampf das Gleiche “Klitschkos schwerster Kampf”, der Gegner sei “kein Fallobst”, man erwarte “einen harten Fight” oder auch, dass man “ein knappes Ergebnis” erwarte. Meistens tritt davon zwar nichts ein, die Sprüche werden aber recyclet, fein säuberlich abgespeichert um sie beim nächsten Kampf (oder dem des Bruders) wieder möglichst fachkundig in die Kamera hauchen zu können. Als die ganze Seierei im Vorfeld überstanden und unsere Kommentare zu den anwesenden Unterweltgrößen und ihrem mafiösen Phänotyp gegeben waren, ging die Show dann auch endlich los. Inszenierte sich dieser Solis noch wie eine Art kubanisches Snoop-Dogg-Derivat in glänzender Bling-Bling-Weihnachtsmannkutte und schleppte seine ganze, finster drein blickende “Posse” mit zum Ring, hatte sich der Vitali mal wieder was einfallen lassen. Die Treppen zu den Domglocken empor tänzelnd wies er seinen Gegner dezent auf dessen Chancenlosigkeit in bevor er abschließend gegen die Glocke drosch. Geschickt leitete das in seine Einmarschmusik über, das grandiose “Hells Bells” von den australischen Bluesrock-Göttern AC/DC. Großer Song! Klitschko marschierte in den Ring, sein Stab sah gegen die, mit Verlaub, Knastvisagen, welche Solis umschwirrten, regelrecht harmlos aus und die Halle rockte. Als sich beide ihre Umhänge entledigt hatten, kam es zum Handshake mit dem lindgrün gewandeten Ringrichter. Als der Kampf endlich los ging, waren auf diese Weise schon ca. 60 Minuten sinnlos versendet. Aber wurscht, RTL stand ja mutmaßlich vor 11 Runden- und somit auch Werbepausen, bei denen man den Sender mal wieder grundsanieren konnte. Die ersten 2 Minuten waren das übliche Abtasten mit ein paar ganz netten Treffern des Kubaners, welche Klitschko aber nicht sonderlich zu beeindrucken vermochten. Der Rest ist eigentlich schnell erzählt: Bums! - Torkel! - Hinfall! - Aua! - Vorbei! Nebenbei knickte noch das Kniegelenk den Kubaners weg, was ich naturgemäß noch um einiges ekeliger fand als diesen Bieber! Ich kann solche Szenen nicht sehen, wenn man es selber mal an den Bändern hatte, ist das ein absolutes No-Go.
Jedenfalls brach Mr. Lindgrün die noch nicht einmal ansatzweise ausufernde Schlägerei nach drei Minuten ab, nachdem klar war, dass die verzweifelten Versuche von Soli sich wieder aufzurichten hoffnungslos scheitern würden. Nüchtern betrachtet hieß das: “K.O. in der ersten Runde”. Das Publikum war hörbar begeistert. *lol* Klar, die wollten natürlich über mehrere Runden dabei zusehen, wie der Vitali seinen im Vorfeld wieder einmal recht überkommunikativen Gegner nach allen Regeln der Faustkampfkunst vertrimmt und ihn irgendwann, so um Runde 10, mit einem ordnungsgemäßen rechten Haken auf die Bretter schickt. Aber Pustekuchen! Stolper-KO in Runde 1. Typisch deutsch dann das Gejammer der Zuschauer, man wolle sein Geld zurück, man habe ja kaum was geboten bekommen für sein Geld, nicht mal sein Bier habe man austrinken können, etc.. Tut mir leid, aber wenn ich zum Schwergewichtsboxkampf gehe, dann muß ich mit so etwas rechnen. Und wer für ein Ticket in Ringnähe 600 Tacken hinblättert, der hat für mich sowieso massiv einen an der Klatsche. So werden wir die nächsten Tage dieses Geseier weiter ertragen müssen, Klitschko bleibt Weltmeister und RTL guckt finanziell fleißig in die Röhre. Letzteres ist für mich die positivste Konsequenz dieses Abends, denn wer uns mit “Verdachtsfälle”, “Betrugsfälle” oder “Mitten im Leben” kollektiv zu verdummen sucht, der gehört irgendwann auch mal abgestraft! Schlechtes Karma...!

In gewisser Weise war der Boxkampf genau so wie “Wetten Dass...?!?”: Man erwartete sich viel mehr davon, als schließlich gehalten wurde und bei beidem hagelte es Pfiffe (wenngleich aus verschiedenen Gründen). Wir für unseren Teil diskutierten das Gesehene kurz, rissen jeder mindestens einen blöden Spruch (ich gebe zu, dass ich mich in diesem Zusammenhang mal wieder besonders hervor tat) und hakten den Abend dann doch als gelungenes, familiäres Gemeinschaftserlebnis ab. Meiner Schwester und mir langte das aber noch nicht, hatten wir uns doch auf Gewalt, Blut und ausgelebte Aggressionen bis weit nach Mitternacht eingestellt und ehrlich gesagt ein wenig gefreut. Was nun?!? “Na,...” dachte ich, “dann wollen wir mal nicht so sein!” und zauberte aus den Untiefen meiner DVD-Sammlung das kürzlich entstandene Meisterwerk von Sylvester Stallone hervor. Eine gefühlsbetontes Schwarzpulverdrama mit hohem Adrenalinanteil. So endete der Abend mit “The Expandables”, einem Film, der im Prinzip genau das konnte, was “Wetten Dass...?!?” und der Boxkampf gestern nicht vermochten: Er hielt genau das, was man sich von ihm erwartete. Dass man sich nicht sonderlich viel davon erwartete, sei dabei verschwiegen.

4 Kommentare:

  1. ich dachte bei Les expandiblés geht es um große Gefühle und einem ganz tollen Liebesfilm???

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  2. *räusper*... Ähm ja genau! Habe ich hier wohl etwas unglücklich formuliert! ;-)

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  3. Bloß gut, DER Meister bleibt trotzdem auf dem Thron. First round, first minute ... Es kann nur einen Ali geben.

    Grüße! N.

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  4. schon sehr beachtlich, wenn aus solch berufenem und persönlich sehr geschätztem Kritikermunde zu vernehmen ist, dass Udo Jürgens eine "Wohltat" gewesen sie. Nur gut, dass bei uns gestern die "Röhre" kalt blieb. Der Krimi im Bett vorm Wegnicken war ja offensichtlich auch gruseliger als Teil 2 der Volksunterhaltung. Vermutlich war die Neuerwerbung von Islay nicht in Reichweite, sdonst wär's wohl übel ausgegangen?

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