Montag, 4. April 2011

SPACESHIP LANDING

(Kyuss)

Prost! Heute also der bereits angekündigte zweite Teil meines Wochenendausflugsberichtes. Vom mordsmäßig interessanten Kulturteil des Tages, kombiniert mit gepflegtem Flanieren oder vielmehr „Lustwandeln“ durch den klaffenbachschen Schlossgarten habe ich euch ja bereits HIER ein gar vergnüglich Liedchen gesummt. Als wir die Ausstellung nun durchwandert und den Stimmungskahvi geschlürft hatten wollten wir die Zeit zum geplanten Essen gehen noch mit etwas seichter Unterhaltung überbrücken. Wir hatten uns bereits ein kleines Event ausgeguckt, welches unweit meiner eigenen vier Wände in der Arena steigen sollte: Den Nachtflohmarkt. Gut, wir besuchten ihn am frühen Abend, aber das sollte bei einer Indoor-Veranstaltung auch kaum einen Unterschied machen. Als ich beim Durchforsten des umfangreichen Eventkataloges meiner Heimatstadt hier auf die Ankündigung stieß, durchfloß mich sofort ein Gefühl von „das klingt witzig“ und so beschlossen wir spontan, daß wir uns dem Ganzen mal mit unserer Anwesenheit eine nicht zu unterschätzende Aufwertung angedeihen lassen. Also fix wieder ins Auto geschwungen und die Arena angesteuert. Dort erstmal einen Wuchereuro in eine Parkgelegenheit investiert und sich über den dann doch recht prall gefüllten Parkplatz gewundert. Es ist ja nicht so, daß ich diesen Nachtflohmarkt sonderlich ernst genommen hätte, vielleicht war ich eben deshalb ein wenig überrascht. Als wir uns in der Gluthitze des zweiten Apriltages dem Eingangstor näherten, merkten wir aber schon, daß das ein wenig… naja… befremdlich werden würde. Es kommt ja weiß Gott nicht vor, daß ich in meinem Freizeitaufzug als „Normalo“ auffalle, aber da zeichnete es sich schon ab, daß ich mit meinem LSD-bunten Bullgod – T-Shirt mit dickem „Superjudge“ – Aufdruck von Monster Magnet ein wenig overdressed sein würde. Gut, vielleicht war es auch meine angeborene Abneigung gegen Gürteltaschen, Vokuhilas und ausgewaschene „Chemiesee-Shirts“ vom Tschechenmarkt, die es mir unmöglich machte mich ins Gesamtbild einzufügen! Wie auch immer, wir waren so etwas wie die letzten Repräsentanten dessen, was man landläufig als „intakten Genpool“ kennt. Wir betraten also die große Halle der Arena und fanden uns in so etwas wie einem Paralleluniversum wieder. Was wir erwartet hatten, das waren die endlosen Reihen von Tapeziertischen, auf denen deren Besitzer mehr oder weniger koordiniert jedweden denkbaren Ramsch ausgebreitet hatten. Womit wir allerdings nicht rechneten, waren eben jene Tapeziertischramschpräsentationsflohmarktstandbesitzer selbst. Das ist keine Verkaufsveranstaltung, das ist so etwas wie ne Freak-Convention; unglaublich. Erstmal hatten da ausnahmslos alle Jogginghosen an! Das ist, so glaube ich mit meinem laienhaften Sachverstand, auch das Alleinstellungsmerkmal der reisenden Händler, welches sie von ihren Kunden unterscheidet. Diese scheinen sich nämlich auf überweite, ausgeleierte Gummizugjeans eingeschossen zu haben, wie sie vor 20 Jahren über die frisch geöffnete Ost-West-Grenze schwappten. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, daß die meisten der dort präsentierten Buchsen sogar aus der ersten Auflage dieses nachwendigen Modefauxpas stammten. Wahrscheinlich haben die so ne Art mentales Echtheitszertifikat für die Dinger; so nach dem Motto:

„Boa, das ist das Modell Bierranzen 43b, oder?!?“
„Joa *zieht sich stolz den Hosenbund unter die Achseln*! Dit is die erste, die vom Lasta runta verkooft wurde, glob mir! Direkt uffm Alex am 5.11.1990, der Verkäufa hieß Uwe und hatte Schuhgröße 43, wa!“

Gut, aber wenigstens machte es uns das einfacher, Verkäufer und Käufer zu unterscheiden. Das war schon einmal so etwas wie die Grundlage. Ansonsten wurden dort Polohemden und T-Shirts aufgetragen, die aussahen, als würde sie selbst das Rote Kreuz noch spenden. Da gab es Muster und Motive, für die sich selbst Kik schämen würde, wenn sie sie denn im Sortiment haben würden! Krass. Grün-blaue Querstreifen mit ehemals weißen Umrandungen (jetzt in ein gesundes Mittelstrahlgelb übergehend) bei Polohemden wurden über imposante 180 Kilogramm (gleichmäßig unvorteilhaft über geschätzte 1,72 Meter Körpergröße verteilt) gezerrt; kombiniert mit einer aus neongrüngelbblauer Ballonseide gewebter Trainingshose wurde das Gesamtbild dann von Badeschlappen und einer Camouflage-Gürteltasche abgerundet. Selbige dient dann dazu, die unschätzbaren Reichtümer zu horten, welche man durch das Verschachern seines angestaubten Vorkriegstandes so anhäuft. Dem entsprechend klappert der Koloß dann auch mit zunehmender Flohmarktdauer mehr und mehr aus dem Schritt, wenn er sich hinter seinem Gabentisch von Kunde zu Kunde schiebt.
Was die Waren angeht… es gibt nichts, was es da nicht gibt! Allerdings auch nichts, was man braucht. Geht schon mal damit los, daß die Standbetreiber ihren eigenen Dresscode unters Volk bringen wollen; geht weiter mit uralten komplett uninteressanten Büchern; solcherlei Schwarten, bei denen Analphabetismus die letzte Zuflucht der Intelligenz ist. Dann natürlich Küchengeräte, Blechschilder, Porzellanfiguren, Blechschilder mit Porzellanfiguren, Hocker, Schemel, Gläser, ranzige Kelche, Karaffen, Nachttöpfe, Werbekugelschreiber, schöne aber verkeimte Bilderrahmen mit hässlichen Bildern, hässliche Bilderrahmen mit noch hässlicheren Bildern, Schuhen und die unvermeidlichen DDR-Fahnen. Es gibt keinen anerkannten Flohmarkt im Bundesgebiet, auf dem nicht mindestens eine DDR-Fahne feilgeboten wird glaube ich. Das ist so ne Art Zertifizierungsvoraussetzung. Hin und wieder hat einer dieser Trödeldetlefs dann noch heimlich die eine oder andere Weltkriegsmemorabilia verstohlen unter seinen Plunder gemischt… vielleicht siehts ja keiner! Klar, fällt ja auch nicht weiter auf, wenn da ein Wehrmachtsstahlhelm auf dem Wäschetrockner hängt oder gleich im Dutzend Ortsausgangsschilder diverser „Schutzgebiete“ ausliegen. Besonders in Kombination mit der DDR-Fahne ein Brüller! Jedenfalls genoss ich die Freakshow dann doch irgendwie, war schon verdammt strange sich in dieser Freakshow frei bewegen zu können. Ich kann euch allen nur empfehlen euch das auch mal zu geben, wenn dieses lebende Kuriositätenkabinett in eure Nähe zieht, ihr seht Menschen, die mutmaßlich seit den frühen 80ern optisch und modisch durch beängstigende Konstanz bestechen. Richtig krass!!!

Achso, ja, etwas gekauft habe ich natürlich auch. Beim Preis von 50 Cent für die Sechserpackung warn es mir dann auch zu blöd noch zu handeln und ich  reichte dem fahrenden Handelsmann den Fuftscher quasi ungefeilscht. Ich erstand etwas für meinen Balkon, was ich allerdings unter Zuhilfenahme meiner Acrylfarben und einer ordentlichen Portion Klarlack noch optisch anpassen muß. Aber bereits unverschönert, so finde ich, geben die sechs Gesellen bereits ein ordentlich skurriles Bild ab! Insbesondere, da es sich um den Inbegriff bundesdeutscher Spießigkeit handelt. Da ich nicht weiß, wie ich euch das Ganze politisch korrekt beschreiben kann ohne anzuecken, werde ich einfach nur ein wertneutrales Foto posten. Was ihr und eure Wahrnehmung daraus machen, dafür müsst ihr euch dann selber schämen:
Multi-Kulti-Zwerge
 

4 Kommentare:

  1. Passen die dann auf dein Basilikum auf? Boah eh, die sind so scheußlich, aber leider noch nicht scheußlich genug, um schon wieder schön zu sein. Ich hoffe ja auf deine Acrylfarbe. (Die Kunstwerke von dir, die ich kenne, sind nämlich in echt schön.)

    Grüße! N.

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  2. Wie gut, dass meine heutigen Schokogelüste doch Grenzen hatte und du diesen Vergleich noch ziehen konntest.

    Ob Nelja die Zwerge danach schön findet, wage ich allerdings noch zu betzweifeln.

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  3. Solcherlei Zweifel sind unangebracht! Sonst bloge ich jeden Tag ein anderes Fußballmännchen... zur Strafe!

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  4. WIR!MÜSSEN!DA!AUCH!MAL!ZUSAMMEN!HIN!

    Das klingt sooo gut. Und Du als Experte könntest mir da nun eine tolle Führung geben.

    Und dann hätten wir noch ein Tagebuch dabei... Köstlich. Die vielen Skizzen, Wertungen und Sprüche...

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