Montag, 13. Februar 2012

SON OF A BITCH

(Kyuss)

Hier, in “Three – O – City” wird seit Kurzem ein Groll gehegt. Ein Groll, wie er grolliger kaum sein kann. Besonders auf Funktionärsebene kann man seit gut einem Monat keinem mehr mit der “TAZ” unterm Arm entgegen kommen, ohne daß es gleich ‘nen saftigen Vermerk in der Personalakte gibt. Ich habe das zwar mitbekommen, aber es hat mich nicht sonderlich interessiert ehrlich gesagt. Es sickerte durch, daß in oben erwähntem Blättchen kürzlich ein Artikel zu lesen war, welcher ein sagen wir mal “suboptimales Bild” meiner Wohnstadt vermittelt. Ich hab das so hin genommen, ist ja irgendwie auch nix Neues mehr. Dann, eher zufällig, wurde ich auf “Die Antwort” aufmerksam gemacht. “Die Antwort”, das klingt zunächst mal nach Rapperkrieg und fiesem Diss der gegnerischen Posse; ist aber in diesem Fall eine Stellungnahme unserer Oberbürgermeisterin zu einem Zeitungsartikel (“MC Major” sozusagen). “Naja”, dachte ich mir, “sollte den Artikel dann doch mal lesen, scheint ja ein übles Ding zu sein, wenn Mutti persönlich die verbale Keule auspackt”. Heute, in der Mittagsrunde, wurde das “Machwerk” zufälliger Weise herum gereicht und am Ende von einer Kollegin sogar laut verlesen.

Kennt ihr das, wenn ihr mit mehreren Leuten im gleichen Raum seid und die Blicke immer ungläubiger werden seht? Wenn ihr Kinnladen im Stakkatotakt eines über Kopfsteinpflaster holpernden Rollkoffers herunterklappen hört und nach Ende des “Beitrages” erst einmal Ruhe herrscht und jeder tief durchprustet, weil ihm dazu einfach nichts einfällt? Nun, ich hab so eine Situation heute selber erlebt. Hier ist mal dieser “Artikel”:

LESEN AUF EIGENE GEFAHR

Pffffftttt…! Übel, oder? Man kann von Chemnitz ja so einiges halten, aber DAS?! Es ist nicht die schönste Stadt, sicher; auch nicht die mit dem höchsten Wohlfühlfaktor und im Wettstreit mit Dresden und Leipzig (die Regionalkonkurrenz) wirkt man mitunter auch ein wenig… na, nennen wir es mal “niedlich”, was die Imagebildung angeht. Ein bissel hausbacken und grau wirkt die Stadt sicherlich auch, an manchen Ecken würde ich sogar so weit gehen, sie als “abgewrackt” zu bezeichnen. Aber diese Ecken hat jede Stadt und ich persönlich finde, daß das auch seinen eigenen Charme hat. Das mag ich auch an Berlin, diesen leicht dreckigen Touch, dieses bisweilen leicht Ruinenhafte, was irgendwo zwischen den rußgeschwärzten Ziegelsteinen einer Industrieruine und modrigen Altbauten zu Hause ist. Das hat was, nur hat Chemnitz davon mittlerweile auch nicht mehr soooo viel wie man nach dieser Lektüre da meinen könnte. Das fängt schon bei den “Plattenautobahnen” an, alles was hier in der Gegend mehrspurig ist halte ich mittlerweile für beispielhaft in Schuß. Der Herr Autor hat wohl noch nie die brandenburgischen oder mecklenburgvorpommerischen Buckelpisten genossen oder ist mit 80 Sachen durch die Baustellenorgien zwischen NRW und Hannover “geschossen”. Wenn man keine Ahnung hat… naja, kennt ihr ja. Außerdem trifft das alles ja auch auf mehr als genug andere Städte zu, aber so, wie der Artikel geschrieben ist, könnte man meinen, es handle sich um ein postzombieapokalyptisches Flüchtlingslager und nicht um eine real existierende Stadt im Hoheitsgebiet des europäischen Wirtschaftskrösus.

Generell halte ich mich ja persönlich für humormäßig recht robust. Hier und da darf schon mal ein derber Herrenwitz fallen oder weit jenseits der allseits beliebten “Political Correctness” gefrotzelt werden. Satire und Zynismus? Klar, her damit! Aber der Punkt ist immer, daß es intelligent gemacht sein muß – finsteres Schmunzeln, die richtige Portion Fremdschämen und ein kleiner Denkanstoß – das sollte immer zusammen kommen. Das Ding da, das geht gar nicht! Ich finde diesen “Artikel” einfach nur geschmacklos. Vor allem das Leitmotiv der Verkehrstoten ist doch wohl unter aller Sau! Was dieser Vogel gegen unseren “Nischel” hat, das verstehe ich auch nicht so recht. Zumal ich dieses Meteoriten-Bild einfach nur stümperhaft hergeleitet und daher auch besonders langweilig und mies finde. Wenn man sich im Bereich der Endzeit-B-Movies nicht auskennt, sollte man es einfach lassen! Das wirkt auch mich alles so, als hätte sich da einer mit einem gewaltigen Minderwertigkeitskomplex an die Tastatur gehockt, sich aus dem großen Almanach der Vorurteile das ausgesucht, welches seinem eigenen Selbstwertfühl noch am nächsten kommt und dann mit der Holzhammermethode drauf gehauen bis er seine Urangst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit ausgelebt zu haben glaubte. Dabei gingen dann gesunder Menschenverstand und die grundlegende Ethik, welche ich doch wohl von jedem Journalisten erwarten kann, komplett verlustig – sofern der Typ sie jemals sein Eigen nennen konnte. Ich hab da so meine Zweifel wenn ich das Ding lese. Schlimmer noch finde ich, daß er dieses Ding veröffentlichen konnte, ohne daß sich da ein Chefredakteur schützend vor das Image des Blattes geworfen hat. Wie gesagt, ein Ruhmesblatt für die schreibende Zunft ist das nicht. Ich bin mal gespannt, ob der Herr Gückel den Arsch in der Hose hat die Einladung unserer OB anzunehmen und sich der Realität zu stellen, glauben kann ich das nicht. Ich für meinen Teil habe auch mit mir gerungen, mich hier zu äußern dazu und dem ganzen Schwachfug dann auch noch eine Plattform zu bieten, die er definitiv nicht verdient hat. Aber irgendwie mußte das mal raus. Zwinkerndes Smiley

Übrigens: Die Rechtfertigungsversuche dieses von Dummheit durchzogenen Geschreibsels der Marke “das ist Satire – und Satire darf das” wirken arg ungelenk. Satire darf sicherlich einiges, aber vor allen anderen Dingen darf Satire intelligent sein; ja, sie sollte es sogar.

PS: Hier mal ein löbliches Gegenbeispiel, wie man sich auf hohem Niveau über seine/meine Umwelt lustig macht:

4 Kommentare:

  1. Ich habe immer gesagt, ich will nicht nach Chemnitz. Das sag ich auch immer noch. Weil in mir dann doch die Großstadtblume schimmert, die zwar gerne auffallt, aber nicht an Tagen, an semen Sie denkt, Sie sei unauffällig gekleidet. Aber, ich sage es nicht mehr so wehement. Ich habe gelernt, dass ein Stadtpark in Schlauchform seine Vorteile hat, es auch nette Gegenden gibt und eine gute Bibliothek, viele VHS-Kurse und ein modernisiertes Schwimmbad auch ihre Vorteile haben. Mir fehlt der Biosupermarkt und der ein oder andere Laden - aber das fehlt den meisten Städten. Und ich beobachte diese Stadt seit 4 Jahren. Klar, bemühen reicht nicht immer. Aber immerhin versuchen sie es. Auch das fehlt vielen anderen Städten.
    Und ich gebe dir wirklich Recht. Satire geht anders. Soll er sich mal ein paar Ideen hier klauen. Wäre zwar gemein, aber dann immerhin lesbar.

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  2. Eben, das ist es ja was mich daran aufregt. Wenn man hier lebt, macht man sich ohnehin gelegentlich über die Stadt ein wenig lustig. Aber der Vogel geht ja komplett an der Realität vorbei.

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  3. Oha, da hat die TAZ mal wieder einen Griff ins Klo getan. Gerade wo sie den Schand- ähm neee, Schundartikel gegen die Prenzelbergmütter halbwegs überstanden hat, reitet sie eine neue nicht recherchierte Hetzkampagne und disqualifiziert sich als ernst zu nehmende Zeitung. War sie das eigentlich jemals? Ich erinnere mich, dass ich sie schon vor zwanzig Jahren als nicht lesbar weil ausgesprochen schlecht gemacht und nicht annähernd journalistisch aus der Liste der lesbaren Blätter gestrichen hatte. So was hat nichts mit polemischem Schreiben und Denkanstößen zu tun. Das ist einfach nur schlecht.

    Wenn sie wenigstens noch über irgendwo im "Sag ich nicht - Land" hergezogen hätten, wo sie vielleicht im Ansatz ein Fünkchen Wahrheit gefunden hätten. Aber sich ausgerechnet Chemnitz raus zu picken, das war glatt daneben gefasst. So schmunzelig "Stadt der Moderne" klingt, ganz unrecht hat der Slogan nicht. Die Stadt bewegt sich nämlich gerade sehr in eine moderne Richtung.

    Es scheint Methode der TAZ zu werden, mit solchen Machwerken überhaupt noch Auflage zu kriegen. Wahrscheinlich wären ohne solch Geschreibsel schon längst alle ihre Blätter im Bächlein versunken.

    Grüße! N.

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  4. Da kann ich in meiner Heimatstadt auch ein Lied von singen. Als ehemalige Mitarbeiterin im Stadtmarketing ist das schlechte Image nach wie vor ein Schlag in die Fre**e - vor allem, wenn es von Leuten verbreitet wird, die sich immer noch auf ihren letzten Besuch im Jahre 1990 berufen -.- Ich war noch nie in Chemnitz, aber was du über Berlin sagst entspricht vollkommen meiner Wahrnehmung.

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