BEARD

(Blur)

Habt ihr eigentlich schon die neue, bekloppote Kampagne für die größtmögliche optische Unterstützung der Bundesballpropheten bei der anstehenden Europameisterschaft in Polen und der Ukraine gesehen? Nein? Dann aber hurtig!

Und, was haltet ihr davon, MÄNNER?! Mal abgesehen davon, daß die Kollegen Hipster ihrem gegelten Feldwebelhaarschnitt, dem Karohemd und der unverdienten Nerdbrille nun wohl ein weiteres Accessiore hinzu fügen werden, ist das unter optischen Gesichtspunkten ein höchst löblicher Ansatz. Und bis dem durchschnittlichen Hipster ein erkennbarer Flaum die feisten Backen bedeckt, ist ohnehin Oktober… Oktober 2014 – vor denen braucht man also nicht wirklich Angst zu haben. Klar, es ist irgendwie abgedroschen, seit Kollege Metzelder damit vor 6 Jahren anfing, aber im Grunde genommen sagt es doch genau das aus, was mit uns Männern während eines solchen Turnieres passiert.

Frauen, seid euch einer grundlegenden, unabänderlichen Tatsache bewußt: Euer Angebeteter wird sich zwischen dem 08.06. und dem 01.07. im Jahre des Herrn zweitausendundzwölf grundlegend verändern. Aus dem beim Fernsehabend verschämt ins weibliche Ohr gehauchten “Schatz, wer ist denn nun hier genau mit wem zusammen während er in wiederum wen heillos verliebt ist und sind die nicht eigentlich Geschwister?! Ich verstehe diese Pilcher und ihre perversen Filme einfach nicht!” wird in den anstehenden drei Wochen ein bierselig gegröhltes “AAAAAAABSEITS!!!! DREI METER! MINNNNNNDESTENS! Das sehe ich doch von hier!” werden. Ein Verbalauswurf, den Mann bei schlechtem Spielverlauf noch um ein saftiges “Ach, leck mich doch am Arsch!” erweitern kann – ja, wir sind da flexibel. Und multitaskingfähig obendrein. Mit den Kumpels angemalt auf dem Sofa rumlümmeln, Chips in sich hinein stopfen, Bier trinken, sich aufregen UND Fussi gucken… das geht uns spielend von der Hand, oder besser noch: vom Fuß. Ich glaube ja, daß Frauen dieser wundervolle Sport vor allem deshalb suspekt ist, weil wir sie dann plötzlich auf ihrem ureigenen, gebetsmühlenartig hervor gehobenen Terrain leichtfüßig ausspielen und das argumentative Geschlechterkampfleder dann auch noch vermeintlich souverän in den rhetorischen Winkel jagen. Wer kennt ihn denn nicht, den Spruch mit dem die Menschinnen für gewöhnlich die Ultima Ration in Geschlechter- und Rollendiskussionen gefunden zu haben glauben: “Wir Frauen können aber Multitasking!” Das “Ätsch!” schwingt immer im Subtext mit. Alice Schwarzer liebt den Satz möchte ich wetten, vielleicht steht der sogar auf ihrer Bürokaffeetasse! Aber wenns um Fussi geht, wachsen wir Menscheriche (Genugtuung für alle, denen “Menschinnen” sauer aufstößt – der Onkel kann alles verhohnepipeln wenn er will und er hat da auch kaum Hemmungen) über uns hinaus. Und wenn der Kloppo uns dann noch zu einer Blödsinnsaktion aufruft, dann finden wir das dufte und machen auch das noch mit.

Jetzt werden die Mahner, die Empörten und die Dauerskeptiker wieder reflexartig die Nationalismuskeule kreisen lassen. Es wird wieder von “finsteren Zeiten” geredet werden und von der “Demut” mit der wir “mit unserer Geschichte” doch unsere Begeisterung für die Länderauswahl ausüben sollen. Am Besten, man ist ohnehin für irgend ein anderes Land, Portugal oder San Marino, das ist nämlich politisch korrekt…bla-bla-bla! Wenn mir mal jemand erklären kann, was das mit Bärten zu tun hat (wohlgemerkt: Bärte, nicht “Bärtchen”), wäre ich zutiefst beeindruckt.

Aber egal, die sind doch eh nur neidisch, weil ihr Gesichtsrasen zumeist nicht erblühen will oder dies selbst mangels Y – Chromosom fröhlich tut. Sowas kann dann schon frustrieren. Ich will hier jetzt aber auch nicht die Werbetrommel rühren für diese Aktion oder großfressig herumtönen, daß ich da NATÜRLICH mitmache. Mache ich nämlich nicht! Ich bin Verfechter des Ganzjahresbartes, Repräsentant einer haarigen Elite, ja, ein vorzeitig Erleuchteter. Von der Einsicht in die Ästhetik des visagalen Bewuchses getrieben habe ich schon mehrere Jahre Vorsprung auf die armen Fehlgeleiteten, die sich jetzt erst entschließen ihren Wilkinson in Urlaub zu schicken. Auch das Finale mit Kloppo reizt mich nicht, ich will das Spiel mit meiner Schwester schauen und am nächsten Tag auf ein Pearl Jam Konzert in Prag besuchen, da passt der Kloppo leider nicht rein. Aber vielleicht kommen dadurch ein paar mehr Geschlechtsgenossen auf den Trichter, daß man das auch ohne EM als Vorwand durchziehen kann. Also Leute, laßt es sprießen; und wenn die EM vorbei ist, schaut in den Spiegel und entscheidet selbst! Ich glaube, viele werden da positiv überrascht sein. Wer es ist, sollte seinen Rasierer daraufhin eintüten und an den Hersteller zurück schicken mit dem Absender “Männlichkeit”. Wer sich danach wieder rasiert, naja, der hats wenigstens versucht. Als männliche Grundgesamtheit können wir uns nach dem Turnier aber, ganz unabhängig vom Ausgang der EM, gegenseitig auf die Schultern klopfen (und wenns nur metaphorisch ist) und den Frauen und ihrem Multitasking - Totschlagargument entgegen halten:

Nun können wir sogar noch mehr simultan: Mit den Kumpels angemalt auf dem Sofa rumlümmeln, Chips in uns hinein stopfen, Bier trinken, uns aufregen, Fussi gucken UND uns dabei noch diszipliniert einen hochwertigen Vollbart wachsen lassen. Mulititasking, Schmultitasking… was WIR können, das grenzt ja schon an Akrobatik.

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ÄTSCH!