(Brant Bjork & the Bros)
Servus! Mann, Mann, Mann… wird mal wieder Zeit, hier der Chronistenpflicht nachzukommen und meinen Konzertbericht vom 15.04. zum Besten zu geben… bevor ich das noch vergesse. Nun gut, so rein vom Erlebnischarakter her besteht die Gefahr eher nicht, war mal wieder ein schicker Abend, durchaus.
Also lautet ein Beschluß, dass die Wüste rocken muß! Seit den frühen 90er Jahren, macht, fei nach diesem Leitsatz, eine Hand voll müßiggängerischen Genies die Musikszene unsicher. Neben Muscle-Cars, nackten Tatsachen an allen Ecken und Enden ihrer Videoclips (aber immer noch mit dem gewissen Stil versehen, der sie vom Chick-Gehustle der üblichen Rap-Ikonen wohltuend unterscheidet) wird ihr Schaffen vor allem von semilegalen Halluzinogenen bestimmt. Angeheizt mit dieser bisweilen recht explosiven Mischung, wurde vor reichlich anderthalb Dekaden der „Desert Rock“ konkurrenzfähig. Da es dabei mitunter ziemlich bekifft zuging, war man bald auch unter dem Pseudonym „Stoner Rock“ bekannt und die großen, mächtigen Kyuss brachten der Welt bei, dass Gitarren gleichzeitig knurren und furzen können! Seit dem ist, zugegeben, eine Menge Zeit ins Wüstenland rund ums Palm Desert geschlichen. Aus Kyuss gingen QOTSA hervor, ebenso wie eine Hand voll anderer Folgeprojekte. Einer, der bereits kurz vor der Auflösung von Kyuss den Absprung wagte um Fu Manchu ins Bewusstsein der Menschen zu hieven, schaute nun mit seiner eigenen Dröhnikombo im beschaulichen Jena vorbei. Er tat dies, im sogar noch beschaulicheren Rosenkeller. Nachdem meine Schwester mich mit dieser Info versorgte, wurden die Karten sofort in Auftrag gegeben und die virtuelle Mütze der Vorfreude aus dem Schrank geholt. Mit Brant Bjork and the Bros. Würden wir also die nächste Untergrund-Legende erleben!
So begab es sich also, dass ich am 15.04.2010 nach Jena schipperte und meine Schwester von der Uni abholte. Jemand von meiner gesamtgesellschaftlichen Relevanz bleibt aber nicht lange unentdeckt, was dazu führte, dass ich bereits kurz nach meiner Ankunft von der Lokalpresse belagert wurde. Flink diktierte ich einem Schreiberling ein knappes Statement in die spitze Feder und empfahl mich. Am Folgetag lachte ich sodann nahezu jedem alphabetisierten Thüringer von einem Farbfoto entgegen und verkündete ihm meine aufrührerischen Thesen zum Thema „Autobahnvignette“. (Ohne Selbstlob muß ich hier mal festhalten, dass ich mich wohltuend von „Find ich super, angesichts des Umweltschutzes; Hmmmkaaay!“ der Generation „Ökohippi“ aber auch vom „Die da oben machen sich die Taschen voll!“ des Altkaders abhob.
Jedenfalls chillten meine Schwester und ich so gegen 19 Uhr gen Rosenkeller und betraten diesen recht relaxt. Der Rosenkeller an sich ist ne ziemlich feine Sache, zumal er seinem Namen alle Ehre macht. Da sitzt man dann auf massiven Holzbänken, gefühlte 10 Meter unter der Erde und genießt den vorkonzertlichen Gerstensaft. Langsam aber stetig füllte sich dann auch das Gewölbe und wir betraten kurz vor 20 Uhr den eigentlichen Konzertraum. Bislang dürfte das so ziemlich die kleinste Location gewesen sein, in der ich bislang ein Konzert genoss. Schönes, altes Rundgewölbe mit Platz für vielleicht 200 – 300 Leute. Kaum hatten wir den Saal betreten, machte sich mit Iguana auch schon die Vorband frisch ans Werk. Nachdem zunächst die relativ bekannten „My Sleeping Karma“ angekündigt wurden, tauschte man diese kurzfristig gegen eben diese „Iguana“ aus, weiß der Teufel, warum. Aber als schlechter Deal sollte es sich nicht erweisen, im Gegenteil. Persönlich erwartete ich nicht viel von denen. Halt eine Nachwuchsband, die bestenfalls soliden Rock anbietet und einen leidlich für den Hauptact warm rockt. Aber bereits nach den ersten zwei Songs wurde klar, dass das schon eine ordentliche Einstimmung auf den Herrn Bjork und seine Mannen werden würde. Nicht nur, dass sie ihre Stoner-Rock Einflüsse nicht leugnen konnten, nein, sie lieferten auch ne tolle Klangkulisse ab und waren ein Würdiger Einstieg in den Abend. Umso größer war die Überraschung, als die Kerls dann in perfektem Deutsch einige Worte ans Publikum richteten bevor sie ihren Auftritt mit einem ordnungsgemäßen Jam-Session-Auftritt beendeten. Der Hammer war dann aber die Verabschiedung: „Viel Spaß mit Brant Bjork, er ist es wert, dass ihr alle hier seid! Wir sind Iguana aus Chemnitz!“ Holla! Es besteht also noch Hoffnung für mein Heimatstädtchen, man mag es kaum glauben. Auch wenn man, um das mitzubekommen, erst nach Jena in den Keller muß. Feine Sache. Mangels eines Aufenthaltsraumes hinter der Bühne wurden die Kerle dann mitten durchs Publikum von der Bühne geleitet. Wir nutzten die Pause um die ersten Gerstensäfte zu entsorgen, wozu man den so genannten „Promilleweg“ eine mit einer geradezu bösartigen Steigung versehene Steintreppe gen Eingang bezwingen mussten. Danach schnell Nachschub an der Bar geordert und für den Hauptact platzierten wir uns nahe an der Eingangstür zum Saal mit bester Sicht auf die Bühne. Bevor es losgeht, muß ich mich nochmals lobend über die Nerd-Dichte des Konzertes äußern. Während die üblichen Bandshirts von Hermano bis hin zum Pearl Jam – Backspacer Limited Edition Shirt spazieren getragen wurden, sah man auch „Star Trek“ Klamotten und hinter uns erklärte jemand seiner Freundin das Prinzip der Protonenstrahler bei den Ghost Busters. Köstlich!
Mitten in diese angenehme Freakshow hinein platzte dann ohne Vorankündigung Brant Bjork mit seinen Bros. Freilich, wir sahen sie erst lange, nachdem wir sie gerochen hatten. Auch der Hauptact wurde wieder direkt durchs Publikum zur Bühne geführt. Ihnen voran schwappte aber eine Wolke von Grasgeruch ins Gewölbe. Jetzt mal ohne pathetisch zu werden, aber gefühlt haben die Kerls die Jenaer Dealer an diesem Abend grundsaniert. Auf der Bühne angekommen, ließ man sofort die Saiten glühen und das Publikum sprang mehr oder weniger sofort an. Ähnlich getragen und fett, wie der Sound zähflüssig durch das Gewölbe waberte, pflanzten sich auch die Reaktionen der Zuschauer allmählich fort. Zum Einstieg wurde gleich mal eine gehörige Mischung aus Klassikern und Material vom neuen Album „Gods & Goddesses“ gewählt. Der Einstieg mit „Freaks of Nature“ leitete dann gleich zu neuen Schmankerln der Marke „Dr. Special“ oder dem großen „The Future Rock (we got it) über. Überhaupt passten sich die neuen Songs gleich 100%ig ins bisherige Schaffen des ehemaligen Trommlers der Urväter themselves, der übermächtigen Kyuss ein. Auch wenn die streckenweise vorherrschende Aggressivität von Kyuss nicht wirklich erkennbar ist. Aber wer will das auch, wenn er dafür den klareren, entspannenden Soundbrei von Brant Bjork und seinen Bros genießen kann. Erstes Highlight aus meiner Sicht war dann auch das geradezu episch vorgetragene und ausnahmsweise auch mal anmoderierte „Radio Mecca“. Musikalisch eine reine Ohrenwaide, die Herren an den Instrumenten beherrschten selbige ausnahmslos, ohne aber in übertriebenes Gepose zu verfallen. Die nicht gerade sehr sparsam eingestreuten Jam-Parts und Akustikausflüge passten immer perfekt in den Fluß der Songs und des Konzerts an sich. Hinzu kam, dass die Klangkulisse im Keller überraschend gut war. Ich hatte schon störende Echos und ähnlichen Kokolores befürchtet, aber kaum eine Spur davon.
Viel zu schnell schien sich dann das Ende des Konzertes anzukündigen. Getrieben von der breiten Klangwand schien die Zeit in diesem kleinen, abgeschotteten Stückchen Jena viel zu schnell zu verfliegen. Hätte sie sich mal ein Beispiel an den Musikern genommen, welche nicht nur eine innere Ruhe apokalyptischen Ausmaßes, sondern auch ein ganz eigenes Zeitverständnis der Marke „Ham`wa genuch!“ ausstrahlten. So ab dem oben erwähnten „Radio Mecca“ wähnte man sich ohnehin zurück in den goldenen 90ern, irgendwo auf einer schnurgeraden Wüstenstraße auf der man in einem 69er Pontiac GTO mit offenen Fenstern der Sonne entgegen brettert. Neben dem Motorenlärm nur noch begleitet vom hereinwehenden Wüstensand und jener prototypischen Road-Movie-Musik, welche Bjork und Co gerade unters Volk jubelten. „Porto“ mit seinem tarantionohaften Swing und dem leicht bekifften Dröhnen des Brummbasses und der kaum gealterte Altmeister persönlich trieben den Eindruck dann noch mal auf die Spitze. Bjork schüttelte die Lockenmähne über dem olivgrünen Army-Parka und zupfte die Saiten zum einen oder anderen Solo. Traumhaft!
Als dann die Pause nach dem Mainset anstand, traute sich keiner so recht den Raum zu verlassen, was dann auch mit einem geradezu großartigen ersten und gar zweiten Encore belohnt wurde. Persönliche Freude stellte sich ein, zumal man so was ja sonst nur vom musikalischen Nonplusultra aus Seattle gewohnt ist.
Das gediegene „somewhere some woman“ brachte dann noch mal den Keller zum Kollektiven Dösen, während „Too many chiefs… not enough Indians“ die Jam-Session-Qualitäten der Jungs aufs Feinste demonstrierte und für mich das zweite große Highlight darstellte. Als dann schließlich der letzte Ton verklungen war, verschwanden Bjork und Co. Wiederum schnurstracks durch den Zuschauerraum, bevor sich dieser langsam leerte. Ganz großer Abend, wenn ihr mich fragt. Das ganze Konzert wirkte wie aus einem Guss, kaum Brüche oder nennenswerte Stilbrüche zwischen den einzelnen Liedern. Vielmehr ging ein Song sanft in den anderen über, floß ein Low-Tempo-Stück allmählich in eine schnellere Nummer ein; gingen textlose Jams der Marke „Lazy Bones“ in sechs Minuten Burner wie „Low Desert Punk“ über. Großartiges Konzert, besser und länger als erwartet. Unterm Strich standen am Ende über zwei Stunden feinste Live-Musik im Jenaer Untergrund, mit einer lebenden Legende. Durch die kleine, gedrungene Location wirkte alles nur noch intensiver und intimer. Keine großen Gesten, keine gigantomaische Bühnenshow á la Bono, vielmehr 120 Minuten feinster Rock! Die eingedenk der Verdienste des Herrn Bjork lächerlichen 15 Euro, welche man investieren musste, erwiesen sich als goldwerte Anlage. Sollten die Herren in eure Nähe kommen, ergeht hiermit ein Ausgehbefehl des Onkels!
So, nachdem 2009 das Jahr der großen Nummern wie Metallica, Nick Cave, Rammstein, Motörhead und natürlich den unvergleichlichen Pearl Jam war, scheint 2010 bislang unter dem Motto „klein, aber fein“ zu laufen. Am Freitag steht dann mit den schwedischen „Hellsongs“ gleich mal das nächste Highlight an. Bedenkt man, was die so aus den Hard-Rock und Metal-Krachern der Genre-Größen so alles machen, wird das sogar noch relaxter als Brant Bjork. In diesem Sinne, liebe Lesergemeinde: Keep on Rocking!
(02.05.2010)
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