Mittwoch, 15. Dezember 2010

THE WATCHER

(Motörhead)

„Kriegsähnliche Zustände“ in Afghanistan waren gestern, denn heute ist mal wieder Terrorzeit vor der Haustür. Mittlerweile hat man sich ja schon daran gewöhnt, daß alle paar Monate „erhöhte Aufmerksamkeit“ eingefordert wird, weil eine „neue Gefährdungslage“ festgestellt und schwammig formuliert wird. Das kann natürlich auch eine Gefahr sein, denn irgendwann nimmt das keiner mehr so richtig ernst. Aktuell wurden wir vom Innenminister auf Grund einer „grundlegend verschärften“ Gefährdungslage wieder einmal wachgerüttelt. Nur, was sollen wir tun? Insbesondere, wenn man sich die möglichen Terrorziele anschaut, die da benannt werden?!?! Ich wage mal die Behauptung, daß wir ohnehin machtlos sind. Zumindest so lange, wie wir uns nicht in verstohlen nach unseren Mitmenschen schielende Denunzianten verwandeln wollen. Der Aufruf, man solle Verdächtiges doch bitte mitteilen, mag zwar im ersten Moment Sinn machen, aber mittelfristig ist das Dingen mindestens ebenso gefährlich.

Nun, wir in der so genannten „westlichen Welt“ wedeln uns ununterbrochen einen auf unsere „freiheitlich demokratische Grundordnung“ von der Palme, die dem Individuum (theoretisch) größtmögliche Freiheits- und Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Daß damit seit 2001 ohnehin Essig ist, hat dem vernunftbegabten Wesen schon seit einer Weile gedämmert. „Anti-Terror-Gesetze“ ergänzen sich mit der medialen Verballhornung der Gefahrenlage zu einem Unsicherheitsgefühl, das man so herrlich benutzen kann um die eine oder andere „unliebsame“ Maßnahme der Vergangenheit politisch nun doch durch zu drücken.
Die neueste Gefährdungslage zeigt dies mal wieder. Kaum hatte de Maizière die gewohnt unkonkrete Warnung in die Mikrophone diktiert, schon überschlugen sich die üblichen verdächtigen Publikationen mit reißerischen schlagzeilen. Aktuell steht da folgendes: „TERROR-ALARM! Mit Hunden und MPs: Polizisten sichern unsere Züge“. Dabei wird selbstverständlich das Wort „Terror“ immer in Verbindung mit negativ besetzten Begriffen wie „Panik“, „Angst“, „Horror“ oder eben „Alarm“ verknüpft. Interessant ist daran insbesondere, daß genau diese… nennen wir sie mal „Zustände“… politisch vermieden werden sollen. Aber wenn sich der Herr Innenminister hinstellt und erklärt, daß Panik vollkommen unangebracht und Angst nicht nötig sei, ist das doch nur das Pfeifen im Walde. Mir kann niemand erzählen, daß die Politik die Reaktionen der Presse nicht antizipieren kann. Egal, was er sagt, das Ergebnis ist doch determiniert. Man kann wirklich nur hoffen, daß sich das Ganze schnell wieder legt und eben nix passiert. Klar, das wird dann auch den Sicherheitsmaßnahmen zugeschrieben werden. Vielleicht sogar zu Recht, aber momentan erinnert mich die mediale Terrorsau, die vom Boulevardirrwisch durchs Dorf getrieben wird, schon ein wenig an „1984“. Während ich die politische Reaktion noch als durchaus angemessen empfinde (Nationalstaaten haben nun mal eine Schutzfunktion für ihre Einwohner), übertreiben die Medien maßlos. Das Problem haben wir dann, wenn das zum selbstläufer wird und sich politisch umstrittene Entscheidungen der geschürten Angst bedienen.

Der größte Beschiß ist meiner Meinung nach, wie sich die Verantwortlichen selber in die Tasche lügen. Man kann sich doch nicht allen Ernsten vor die Mikros stellen du gebetsmühlenartig herunter leiern, daß wir uns unseren Lebensstil nicht einschränken lassen, weil dann die Terroristen ja schon gewonnen hätten. Tut mir leid, aber wenn der Reichstag eingezäunt, das Regierungsviertel abgeriegelt und die Polizeipräsenz massiv hochgefahren wird (Panzerwagen in Fußgängerzonen), dann ist das für mich ein Treppenwitz. Man sollte doch endlich ehrlich sein und zugeben, daß man sich schon längst eingeschränkt hat. Einschränken muß um den öffentlichen Raum bei konkreten Drohungen zu schützen. Das wäre zumindest ehrlich. Im letzten Jahrzehnt wurden Datenspeicherungen, Rasterfahndungen, Abhörgesetze und biometrische Ausweise durchgedrückt, vollkommen unabhängig vom Terror versteht sich. Aber was das anbetrifft, werden wir wohl eher mit verschwurbelten Worthülsen abgespeist werden. Ich sehe sie schon auf den Titelseiten prangen, die „terrorähnlichen Zustände“.

(18.11.2010)

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