Mittwoch, 15. Dezember 2010

SACRIFICE (Motörhead in Chemnitz, 12.12.2009)

(Motörhead)

Es gibt viel zu wenige Gelegenheiten, einer Legende Aug`in Aug`gegenüber zu treten, gerade hier im malerischen „Sunshine State of Chemnitz“. Aber wenn sich denn dan mal eine solche ergibt und der „Godfather of Schnapstrinken“ mit seiner brachialen Seniorenrunde im Dezember an die Arena-Tür klopft… HELL YEAH, dann ist der Onkel schon im Mai am Kartenschalter! Irgendwie kafkaesk, dass der Vertrieb der Tickets ausgerechnet von der „Freien Presse“ übernommen wurde. Zur Erinnerung: Jenes Medium der gezielt niveaufernen Desinformation fungiert im Normalfall als so was ähnliches wie das Zentralorgan der Generation Rheumadecke. Eine wortgewordene Egoschaukel für all jene, die sich öffentlich zum „Großen Überraschungsfest der Volksmusik“ bekennen und den Herrn Silbereisen auch noch ihre Vorkriegsschlüpfer auf die Bühne schleudern… oder zumindest so weit entgegen schubbsen, wie`s das Rheuma eben zulässt. Und jetzt vermarktet deren Lieblingsblatt ein Motörhead – Konzert. Das ist ungefähr so, als ob die Brigitte ein Negerkuss-Wettessen organisiert! ;-)

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Wie gesagt, die Karten waren im Wonnemonat geordert, der ungeduldig nachfragenden Schwester zum Ehrentage feierlich überreicht und dann ließen wir sie in der elterlichen Obhut reifen. Man freute sich tierisch, als „Thin Lizzy“ als Support angekündigt wurden und man ärgerte sich ungleich mehr, als diese dann durch „Der W“ ersetzt wurden. Dieser musikalisch vollkommen überflüssige Ex-Onkel mit seinem ohnehin zweifelhaften Ruf sollten ihn in meinen Ohren an diesem Abend weiter ruinieren („und denkst du „schlechter geht`s nicht mehr“ kommt irgendwo ein Weidner her“). Gruselige Vorstellung die der Typ da ablieferte. So, nun, da alle Onkelz-Fans erfolgreich vergrault sein dürften (wenn nicht: Meine Pinwand steht euch offen… der Delete-Schalter sit aber schon poliert), wollen wir zur Tat schreiten!

Am letzten Sonnabend, dem 12.12.2009, fanden sich meine Schwester und ich in meiner bescheidenen Bude ein. Zunächst wurde sich via Guitar Hero warmgerockt.  Man muß ja auch in Stimmung kommen. Schließlich brachen wir auf gen Arena. Das Ganze lässt sich bequem in 15 Minuten Fußmarsch bewältigen. So erreichten wir die Arena, wo sich das schwarze, nietenbewärte und teilweise arg angegraute Rockervolkl bereits vor dem Eingang staute. Ein knappes halbes Stündchen in der überraschend angenehm organisierten Schlange und schwupp: Wir waren drin! Wobei die ganze Warterei schon auch was hatte. Vor uns eine Clique besoffener Post-Punks, hinter uns der Herr Anlageberater in den sehr sehr späten 40ern mit der alljährlich herausgekramten Jeans-Jacke. Um uns herum Leute, die man getrost irgendwo dazwischen ansiedeln kann. Jedenfalls betraten wir die Arena und erledigten pflichtbewusst die heilige Dreifaltigkeit des Konzertbesuchs: Merch-Stand, Bierstand, Toilettensituation checken. Ergebnis: Mechandise in Ordnung, Toiletten umfangreich vorhanden (nach der 60 Meter Schlange in Erfurt ein durchaus wichtiger Fakt) und Bierversorgung logistisch brilliant gelöst! Alleine direkt in der Halle 3 Bars, eine auf dem Rückweg von den Toiletten und draußen im Vorraum noch mal zwei. Verdursten konnte man also schon mal nicht! Wäre ja auch absurd, auf einem Motörhead-Konzi! ;-)
Jedenfalls schniekten wir dann, nebst Getränk und Tourshirt, in besagte Halle und stellten uns mitten in die Altrockerfraktion. Dort ließen wir auch „der W“ über uns ergehen. Das Waterloo des Jahres, was die Vorbands dieses Jahres angeht. Uninteressant, anders kann ichs nicht beschreiben. Auch die Dudes um uns herum hielten sich mit gleichgültigen Minen an ihren Bierbechern fest, die, die der Heini interessierte, waren Gott sei Dank weiter vorne. Mehr will ich dazu jetzt nicht sagen,das Beste am „W“ war jedenfalls die Umbaupause als er fertig war. Danach gings dann erstmal die Becher füllen um pünktlich zu Lemmy`s legendärer Ansprache „We are Motörhead! We play Rock and Roll!“ wieder den Platz neben meiner Schwester einzunehmen. YEAH, „Iron Fist“ als Opener, herrlich! Und vor allem: Vorne auf der Bühne das lebende Fossil, der Rock-Dino mit dem toxischen Blut… der Beglücker unzähliger Groupies und personifizierte Drogenbeauftragte der Rockwelt: Lemmy mit seinem Piratenhut! Wie ein Fels stand er wieder vor seinem Mikro, welches wieder gekonnt von unten angegrunzt wurde. Die Beine schulterbreit auseinander, den Monsterbass im Anschlag und das Hemd bis zum Nabel aufgeknöpft. An Bord wieder Nikotin und sein bevorzugtes „Elektrolytgetränk“ namens „Jack Daniels“. Mit 63! Was er mit seinen Mannen dann vom ersten Ton weg gleich wieder entfesselte, war die wohlbekannte „Wand aus Lärm“, die unbarmherzig durch die Halle fegte. Das anschließende „Stay Clean“ steigerte dann noch mal die Dezibelzahl, damit diese dann bei „Be My Baby“ ihr Wohlfühlniveau erreichen konnte. Bereits bei den ersten drei Songs ging vor der Bühne der gewohnte Wahnsinn ab, während wir, in unserer eher chilligen Position im hinteren Hallendrittel (wollten ja das Bier nicht verschweppern ;-)) umringt waren von Altrockern und Hells-Angels-Typen (phänotypisch zumindest), die zufrieden den Schädel kreisen ließen und deren Wohlstandswampe sich offensiv gegen die Snaggletooth-Shirts presste. Schicke Athmosphäre!
Mitten in diese hinein meißelte man dann „Rock Out“ mit seinem Killer-Refrain. Die Halle kochte, und der Onkel eilte anschließend wieder zum Bierstand um das folgende „Metropolis“ nicht zu verpassen. Während dieses Songs brachte es die ersten wieder aus dem Moshpit angedreht. Ein ganzes Konzert da vorne durchzustehen,… das wird ohnehin schwer, zumal die Getränkeversorgung im hinteren Hallenbereich organisiert war. So eilten die verschwitzten, halbnackten Gestalten nach einer Erfrischung dann auch wieder mit gefühlten 34 Bierbechern in der Hand wieder nach vorne. „One Night Stand“ und „I Got Mine“ semmelten dann wieder die nächsten Pogo-Leichen aus der Menge in den Relax-Bereich: Wunden Lecken und zurück! Mit „The Thousand Names of God“ folgte dann ein weiteres Highlight. Sehr druckvolle Version (stilecht nach einem ausgedehnten Gitarrensolo plaziert), die auch noch dem Letzten die Emo der sich in die Arene verirrt hatte (glaubt, mir, ich habe es gesehen…. Das GRAUUUUUUEN) den Kajalstrich bis hinter die Ohren zog! Kulturschock nennt man das dann wohl… nix mit ausgekostetem Weltschmerz, statt dessen wird von „Cradle to the Grave“ direkt in ein wahnsinnig hingerotzes „In the Name of Tradgedy“ übergehämmert. Lemmy brüllte inzwischen die Lyrics in sein Mikro und nahm sich beim nun folgenden Drum-Solo der Urgewalt mit den 2 Knüppeln eine verdiente Auszeit und marinierte die Stimmbänder mit Bourbon. Gleichzeitig stellte das auch die erste „Verschnaufpause“ dar, sofern man überhaupt davon reden kann. Meinerseits wurde wieder der Wasserbecher ordnungsgemäß nachgefüllt und zu „Just `cos You Gott he Power“ und „Shoot em Down“ anständig das Haupt geschüttelt.
Das Gute bei vorhersehbaren Setlsits á la Motörhead ist ja, dass man die Bierholpausen ein wenig timen kann… so stand ich dann auch pünktlich zur apokalyptisch beschleunigten „GOING TO BRAZIL“ – Versilon, auf die ich mich schon seit Wochen freute, in Top-Form wieder in der Menge. Und Motöthead enttäuschten nicht. ;-) Leider neigte sich das Mainset schon wieder dem Ende zu, aber „Killed by Death“ und der meiner Meinung nach perfekte Setcloser „Bomber“ beförderten uns dann in eine nicht mal 10 minütige Verschnaufpause. Zwischen den ganzen „Zu-ga-be, Zu-ga-be“ und „Mo-tör-hear, Mo-tör-head!“ – Rufen sah man ein paar mehr oder minder verstörte Vertreter der Generation U18 die Halle verlassen. Selber schuld!
Als Lemmy und die Seinen mit Akustikklampfen wieder die Halle betraten, wussten wir, dass nun das Stündchen des legendären „Whorehouse Blues“ geschlagen hatte. Musikalisch das komplette Kontrastprogramm zum Mainset, textlich… naja, nennen wir es mal „konsequent“! Eine um Längen bessere Version als damals in Erfurt (und die war schon Klasse), garniert mit ein paar spontanen Textmodifikationen von Lemmy, welche die ganze Sache noch ne Spur dreckiger machten als die Studioversion. Weltklasse!
Danach packte man, schontraditionell, DAS Motörhead-Lied schlechthin aus. „Ace of Spades“ merkte man zwar deutlich an, dass die Jungs schon eine gewisse Routine haben den runterzuspulten, aber  lustlos wirkte man dennoch nicht. Die Halle ging noch mal ordentlich mit und durfte sich dann zu „Overkill“ noch mal ausgiebig von Lemmy und Co verabschieden, bevor aufkeimendes Motorengedröhn uns aus der Halle begleitete. Noch schnell den letzten Becherpfand vor Konzi-Ende gen Bühne befördert und sich kurz darauf vor der Halle wiedergefunden.

Noch vollkommen weggetreten machten wir uns dann auf den Heimweg. Klar, Vergleiche zu Erfurt kamen auf, aber unterm Strich ein weiteres, grandiosen Konzerterlebnis und obendrein noch ein würdiger Abschluß für das Konzertjahr 2009. Generell lässt sich aber folgender Rat unters Volk bringen: Wenn ihr die Wahl habt zwischen einer recht modernen Multifunktionshalle und einer abgewrackten, ranzigen „Turnhalle“ (wie 2007) um ein Motörhead-Konzert zu besuchen: Leute, entscheidet euch für die Atmosphäre und nehmt den runtergekommenen Parkettschuppen! ;-) Das passt einfach! Und wenn ihr darüber hinaus noch das Glück habt, zur Location laufen zu können… Prost! ;-)

<b>Setlist: </b>

Iron Fist
Stay Clean
Be My Baby
Rock Out
Metropolis
Over The Top
One Night Stand
I Got Mine
Guitarsolo
The Thousand Names of God
Cradle to the Grave
In The Name Of Tragedy (Drumsolo)
Just ‘Cos You Got the Power
Shoot ‘em Down (TWISTED SISTER cover)
Going to Brazil
Killed By Death
Bomber

<b>ENCORE</b>
Whorehouse Blues
Ace of Spades
Overkill

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